Was ist nur mit Deutschland los? Von einer veritablen Friedens- und Vermittlermacht zu einer kriegstreiberischen, die Verhandlungen im Ukrainekrieg abtut und stattdessen Waffenlieferungen diskutiert. Keine gute Nachricht, wenn man der These des Denkers und Politexperten Dr. Hauke Ritz zuhört. „Warum der Weltfrieden von Deutschland abhängt“ heißt sein neues Buch. Ein Gespräch über das Kriegsschicksal Deutschlands, die europäische Selbstzerstörung und die aktuell wichtige Frage: Will Putin wirklich Frieden?
Buchbestellung: „Warum der Weltfrieden von Deutschland abhängt“: https://westendverlag.de/Warum-der-Weltfrieden-von-Deutschland-abhaengt/2226
___________
Ich würde mich freuen, wenn ihr meine unabhängige journalistische Arbeit unterstützen würdet, damit ich auch in Zukunft weitermachen kann. Vielen Dank!
Ich möchte mich auch ganz herzlich bei allen bedanken, die mich bereits unterstützen.
Milena Preradovic
Name: Milena Preradovic
IBAN: AT40 2070 2000 2509 6694
BIC: SPFNAT21XXX
oder paypal.me/punktpreradovic
___________
theplattform: https://theplattform.net
Odysee: https://odysee.com/@Punkt.PRERADOVIC:f
Lbry: https://lbry.tv/@Punkt.PRERADOVIC:f
Telegram:
Youtube: https://www.youtube.com/channel/UC-q8URCNmX5Wg4R9kXtW4tg
Linkedin: https://www.linkedin.com/in/milena-preradovic-4a2836147/?originalSubdomain=at
Twitter: https://twitter.com/punktpreradovic
Facebook: https://www.facebook.com/punktpreradovic/
Instagram: https://www.instagram.com/milena.preradovic/?hl=de
Interview mit Dr. Hauke Ritz (deutsch)
Milena Preradovic: Was ist bloß mit Deutschland los? Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich unser Land als Vermittler und Mahner für den Frieden etabliert – doch heute zeigt es ein anderes Gesicht. Deutschland ist der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine im Krieg gegen Russland. Friedensverhandlungen? Heißt es, Putin wolle gar nicht – er sei eine Bedrohung, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden. All das ist vielleicht noch erklärbar – solange Washington denselben Kurs fuhr. Deutschland hielt sich stets eng an den großen Bruder USA. Doch inzwischen ist die US-Politik eine andere: Donald Trump will den Krieg beenden. Und Deutschland? Bleibt weitgehend auf konfrontationsorientiertem Kurs. Kein gutes Zeichen – wenn man hört, was mein heutiger Gast sagt: Der Weltfrieden, so seine These, hängt heute von Deutschland ab. Warum das so ist – dazu kommen wir jetzt. Herzlich willkommen, Dr. Hauke Ritz, schön, dass Sie wieder hier sind.
Dr. Hauke Ritz: Vielen Dank, Frau Preradovic, ich freue mich, wieder bei Ihnen zu sein.
Milena Preradovic: Ich stelle Sie wie immer kurz vor: Sie sind promovierter Philosoph, Publizist und Buchautor. Sie schreiben regelmäßig für verschiedene Publikationen – vor allem über Geopolitik und die Ideengeschichte der Neuzeit. Sie kennen Russland gut, haben dort an mehreren Universitäten gelehrt – und den Beginn des Ukraine-Krieges 2022 aus nächster Nähe miterlebt. Gemeinsam mit der Politologin Ulrike Guérot haben Sie das Buch Endspiel Europa – Warum das politische Projekt Europa gescheitert ist und wie wir wieder davon träumen können veröffentlicht. Seitdem leiten Sie mit Frau Guérot das European Democracy Lab. Ihr aktuelles Buch ist eine Sammlung von Artikeln und Essays mit dem Titel: Warum der Weltfrieden von Deutschland abhängt. Eine auf den ersten Blick überraschende und durchaus provokante These – aber, wie ich finde, hochspannend. Gleich zu Beginn des Buchs beschreiben Sie Deutschland als Land mit einem „wiederkehrenden Schicksal“: Immer wieder stehe es im Zentrum großer Kriege – und löse sie mitunter sogar aus. Sie sprechen von einer historischen Wiederholung, vom Dreißigjährigen Krieg über den Siebenjährigen Krieg, die beiden Weltkriege, den Kalten Krieg – bis hin zur heutigen Konfrontation zwischen den USA und Russland, in der Deutschland eine zentrale Rolle spielt. Wie erklären Sie sich dieses „Kriegsschicksal“ Deutschlands?
Dr. Hauke Ritz: Dafür gibt es mehrere Gründe. Einerseits natürlich geografische: Deutschland liegt im Zentrum Europas – und Europa war in den letzten 500 Jahren das politische und kulturelle Zentrum der Welt. In dieser Zeit gab es ein regelrechtes Ringen um Deutschland, das mehrfach Schauplatz und Mitursache weltpolitischer Konflikte wurde. Andererseits ist Deutschland auch ein geistiges Zentrum. Von hier gingen immer wieder ideengeschichtliche Impulse aus, die die Welt veränderten. Die Reformation begann in Deutschland, sie führte zunächst zu inneren Konflikten – und veränderte schließlich die gesamte westliche Welt. Auch der Kommunismus hat seine Wurzeln in Deutschland und wirkt bis heute, etwa in China, nach. Und der Kalte Krieg – das Ringen zwischen Liberalismus und Sozialismus – hatte seinen symbolischen Mittelpunkt in Deutschland, das selbst geteilt war: Berlin – die Hauptstadt – durch eine Mauer getrennt. Deutschland war also nicht nur geografisch, sondern auch ideell das Zentrum der geopolitischen und geistigen Konfrontation – und ist es in gewisser Weise bis heute geblieben.
Milena Preradovic: Was meinen Sie damit konkret?
Dr. Hauke Ritz: In meinen Essays und auch im vorherigen Buch habe ich argumentiert, dass der Konflikt zwischen den USA und Russland auch ein kultureller ist – ein Kampf um die Deutungshoheit der europäischen Kultur, die seit der Neuzeit zu einer globalen Kultur geworden ist. Deutschland kommt hier eine Schlüsselrolle zu: Die Richtung, die Deutschland einschlägt, beeinflusst nicht nur Europa, sondern in gewisser Weise die kulturelle Entwicklung der gesamten westlichen Welt. Und was Europa kulturell, wirtschaftlich und politisch prägt, hat wiederum Auswirkungen auf andere Kontinente. Deutschland ist also ein kulturelles Nadelöhr – eine Art globaler Taktgeber.
Milena Preradovic: Das ist aus historischer Sicht nachvollziehbar. Aber warum, glauben Sie, hängt der Weltfrieden heute noch von Deutschland ab? Deutschland ist doch längst nicht mehr der zentrale Player – auch nicht im Ukraine-Krieg. Und als ideengebende Nation sehen uns viele längst nicht mehr.
Dr. Hauke Ritz:
Nun, viele Menschen überschätzen die Rolle der Wirtschaftskraft in geopolitischen Fragen. Sie glauben, das mächtigste Land sei automatisch das mit der größten Wirtschaft – also China oder die USA. Daraus folgern sie, dass andere Länder kaum ins Gewicht fallen. Doch das ist ein Trugschluss. Macht in der Weltpolitik beruht auf unterschiedlichen Faktoren – wirtschaftlichen, politischen, geografischen, ideellen.
Im Fall Deutschlands ist besonders entscheidend: Die gesamte westliche Unterstützung für die Ukraine läuft über deutsches Territorium. Hier werden Waffen und Gerät angelandet, hier verlaufen die wichtigsten Nachschubrouten. In Deutschland befindet sich mit Wiesbaden das zentrale Planungszentrum der US-Armee für Europa – von dort aus koordiniert die NATO ihre militärische und politische Strategie. Auch die sogenannten „Ramstein-Treffen“, bei denen die Ukraine-Hilfen abgestimmt werden, finden hier statt.
Würde Deutschland politisch umsteuern – raus aus dieser geopolitischen Rolle, hinein in eine vermittelnde –, könnte das den Krieg beenden.
Natürlich sagen manche: Das hieße ja, Russland würde den Krieg gewinnen und künftig das Schicksal der Ukraine bestimmen. Aber ehrlich gesagt: Die Ukraine war historisch nie Teil des westlichen Einflussraums – und meiner Einschätzung nach gehört sie dort auch nicht hin.
Milena Preradovic: Aktuell sieht es allerdings nicht nach einer politischen Umkehr in Deutschland aus. Und wir haben eine neue geopolitische Lage: Die USA unter Donald Trump streben einen Frieden an – sie wollen den Krieg beenden. Deutschland hingegen scheint fast entschlossen, den Krieg weiterzuführen. Unter Präsident Biden war diese Haltung noch nachvollziehbar – da folgte Deutschland dem Kurs der USA. Aber jetzt hat sich Washingtons Linie grundlegend geändert. Und doch bleiben EU und insbesondere Deutschland auf Konfrontationskurs. Warum?
Dr. Hauke Ritz: Weil sich in den vergangenen Jahren ein transatlantisches Machtsystem herausgebildet hat, das sowohl die USA als auch Europa durchdringt. Ein Machtwechsel im Weißen Haus verändert daran zunächst wenig – denn das System wirkt weiter. Es gibt eine Art „Tiefenstaat“, wie man ihn nennt – und der ist nicht nur in den USA verwurzelt, sondern ebenso in den Institutionen der EU und der NATO. Das bedeutet: Eine wirkliche politische Kehrtwende ist erst dann möglich, wenn sich nicht nur in Washington etwas ändert, sondern auch innerhalb der europäischen Institutionen oder zumindest auf Ebene der Nationalstaaten. Und hier spielt Deutschland wieder eine Schlüsselrolle.
Milena Preradovic: Ja, die Frage ist: Wohin steuert Deutschland – und damit Europa? In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Europa sich als Friedensmacht neu erfinden müsse. Eine imperiale Rolle sei ausgeschlossen. Doch aktuell erleben wir das Gegenteil: Aufrüstung, Kriegswirtschaft, Angstpropaganda gegen „den bösen Russen“. Wohin führt dieser Weg?
Dr. Hauke Ritz:
Er führt zwangsläufig in die Selbstzerstörung. Die Ära, in der Europa die Welt dominieren konnte, ist vorbei. Vom Zeitalter der Entdeckungen – seit Christoph Kolumbus – bis weit ins 20. Jahrhundert hinein hatte Europa diese Macht. Aber diese Zeit ist unwiderruflich Geschichte.
Allein ein Blick auf die Schiffsbaukapazitäten Chinas im Vergleich zu denen Europas oder der USA zeigt: Die künftige Kontrolle der Weltmeere wird nicht mehr beim Westen liegen. Die Vormachtstellung ist verloren – und zwar endgültig.
Das ist die Konsequenz jahrzehntelanger Globalisierung: Wir haben unsere industrielle Basis in Billiglohnländer ausgelagert – und damit auch Know-how, Produktionsmittel und Arbeitskräfte verloren. Diese Strukturen lassen sich nicht kurzfristig zurückholen.
Die Idee einer militärischen Dominanz des Westens – auch durch die USA – ist also obsolet. Der Ukraine-Krieg hat das deutlich gemacht.
Die NATO war ursprünglich überzeugt, Russland durch Waffenlieferungen in die Knie zwingen zu können. Doch die Realität sieht anders aus: Russland verfügt mittlerweile über größere Rüstungskapazitäten als alle NATO-Staaten zusammen. Hinzu kommt die Unterstützung durch die BRICS-Staaten und weitere Schwellenländer, die sich vom Westen emanzipiert haben.
Die alte Weltordnung bricht auseinander. Aber das heißt nicht, dass Europa keine Rolle mehr spielen kann. Nur: Diese Rolle muss neu definiert werden. Nicht als Militärmacht, sondern als Friedensmacht. Europa kann eine geistige, diplomatische, kulturelle Führungsrolle übernehmen – wenn es bewusst auf imperiale Ambitionen verzichtet. Denn die passen nicht mehr in diese Zeit.
Milena Preradovic: Aber genau das passiert ja nicht. Wir erleben gerade eine intensive Debatte über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine – und auch die großen Medien spielen mit. Die ZEIT hat kürzlich gefragt: „Ist Russland wirklich unbesiegbar?“ Dahinter steckt doch der Versuch, wieder Hoffnung zu machen – dass man Russland vielleicht doch schlagen kann. Europa erkennt den Weg, den Sie skizzieren – also den Weg des Rückzugs aus der Konfrontation – überhaupt nicht. Warum? Welche Kräfte verhindern diesen Kurswechsel, der doch eigentlich so logisch erscheint?
Dr. Hauke Ritz:
Ich bin froh, dass Sie den ZEIT-Artikel ansprechen. Er zeigt exemplarisch, worum es bei diesem Krieg ursprünglich ging: Russland als geopolitischen Akteur auszuschalten, es in eine Art Vasallenstaat zu verwandeln – und wieder Zugang zu seinen Rohstoffen zu bekommen, wie schon in den 1990er Jahren, als Russland wirtschaftlich am Boden lag.
Dieser Plan ist gescheitert. Doch das Problem ist: Die Eliten in der westlichen Welt – in Europa ebenso wie in den USA – sind fest mit diesem Ziel verbunden. Trump könnte hier eine Ausnahme darstellen, aber bei ihm muss man sehen, wohin er sich tatsächlich bewegt.
Viele dieser Eliten sind gar nicht in der Lage, politisch umzudenken. Sie wurden nicht wegen geistiger Unabhängigkeit oder analytischer Fähigkeiten in ihre Positionen berufen – sondern, weil sie bereit waren, genau eine politische Richtung zu vertreten. Wie Schauspieler, die nur eine Rolle spielen können.
Ein echter Kurswechsel würde bedeuten, dieses System zu verlassen – und das macht Angst. Es bräuchte neue politische Konzepte, neue Köpfe, neue Narrative. Und davor haben viele Entscheidungsträger panische Angst. Also setzen sie weiter auf das eine, das sie kennen – auch wenn es längst gescheitert ist.
Milena Preradovic: Man nennt das wohl: auf ein totes Pferd setzen. Und trotzdem werfen sie immer noch eine Schippe drauf. Sie haben gerade gesagt, bei Trump müsse man abwarten. Glauben Sie denn, dass er – sollte er wieder Präsident werden – die Gefahr eines großen Flächenbrandes, eines Weltkriegs, mindern könnte? Immerhin hat er signalisiert, dass er den Ukraine-Krieg beenden will, weil er den USA schade.
Dr. Hauke Ritz:
Es gibt in der Tat Anzeichen, dass Trump für einen Mentalitätswandel in der US-Außenpolitik steht. Allerdings ist er eine widersprüchliche Figur. Während seiner ersten Amtszeit hat er selbst zur Aufrüstung der Ukraine beigetragen – und damit indirekt auch zur Eskalation des Konflikts. Gleichzeitig hat er verbal immer wieder Russland und Iran scharf bedroht.
Trump ist eben auch ein Produkt der amerikanischen Selbstwahrnehmung – dieser Vorstellung, die USA seien eine auserwählte Nation mit einem globalen Sendungsbewusstsein. Kürzlich sagte er, die USA hätten den Zweiten Weltkrieg allein gewonnen – was historisch nicht haltbar ist. Die Sowjetunion trug rund 75 Prozent der militärischen Hauptlast, die USA waren ein wichtiger, aber nicht der entscheidende Faktor.
Trump bleibt also ambivalent. Aber verglichen mit Biden, Obama oder Bush erkennen wir bei ihm zumindest ein gewisses Infragestellen dieses amerikanischen „Erwähltheitskomplexes“. Sein Ziel scheint zu sein, sich stärker auf die Innenpolitik zu konzentrieren – und außenpolitische Verpflichtungen zu reduzieren. Das gibt Grund zur Hoffnung.
Milena Preradovic: Wir haben ja in früheren Gesprächen schon über das Streben der USA nach einer unipolaren Weltordnung gesprochen – nach der globalen Vorherrschaft. Unter Trump schien sich das zumindest ein wenig zu verändern. Würden Sie das so sehen?
Dr. Hauke Ritz:
Trump zeigt Ansätze, in eine andere Richtung zu gehen – aber man darf ihn nicht überschätzen. Er ist kein Intellektueller, kein Stratege im klassischen Sinn. Seine Haltung schwankt – oft je nachdem, wer ihn gerade berät.
In seiner Umgebung gibt es Hardliner wie Marco Rubio oder Keith Kellogg, die weiter an der Idee amerikanischer Dominanz festhalten. Aber es gibt auch moderatere Stimmen, die für einen Kurswechsel stehen. Ob und wie stark Trump sich durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. Und ebenso, ob er konsistent bleibt.
Es gibt zudem Akteure – auch in Europa –, die ganz bewusst eine Friedenslösung torpedieren. Sie setzen darauf, Trump in eine Eskalation hineinzutreiben, indem sie ihm etwa eine verlogene Bühne für Friedensverhandlungen liefern – wie bei den Gesprächen in Istanbul.
Da wird suggeriert, der Westen sei der Initiator der Friedensgespräche, obwohl in Wahrheit Russland sie vorgeschlagen hat. Auf diese Weise baut man überhöhte Erwartungen auf – nur um später behaupten zu können, der diplomatische Weg sei gescheitert. Das öffnet wieder die Tür für militärische Optionen.
Milena Preradovic: Ja, dieser Eindruck drängt sich auf. Auch die Nachricht, dass Putin bei den Friedensverhandlungen nicht persönlich erscheint, wird im Westen schnell als Beweis gewertet: Er will doch gar keinen Frieden. Deshalb ganz direkt gefragt: Glauben Sie, dass Putin – jetzt, in dieser Phase des Krieges – tatsächlich an Frieden und einem Waffenstillstand interessiert ist?
Dr. Hauke Ritz:
Ja, Russland will Frieden. Aber es ist mit Bedingungen konfrontiert, die in westlichen Medien kaum zur Sprache kommen.
Ein zentrales Problem ist ein tief verwurzelter antirussischer Rassismus in der westlichen Welt. Wann gab es das zuletzt, dass ein ganzes Land von den Olympischen Spielen ausgeschlossen wurde? Oder dass Russland – als Befreier des Konzentrationslagers Auschwitz – nicht zur Gedenkfeier eingeladen wird?
Oder dass Menschen ihr Vermögen verlieren, allein weil sie russischer Herkunft sind? Seit der Eskalation des Konflikts 2022 – der ja bereits 2014 begann – wurden zahlreichen Russen ihre Konten und Vermögenswerte im Westen entzogen. Das ist keine Sanktion gegen eine Regierung – das ist kollektive Bestrafung auf ethnischer Grundlage.
Wir projizieren auf Russland unsere eigenen imperialen Schatten. Der Westen hat eine lange Geschichte von Kolonialismus und geopolitischer Dominanz, die er nicht mehr wahrnehmen will – und spiegelt sie stattdessen auf Russland.
Hinzu kommt: Russland hat in den letzten 30 Jahren erlebt, dass der Westen nahezu alle sicherheitspolitischen Abkommen gebrochen hat – von der Nicht-Erweiterung der NATO bis zu diversen Abrüstungsverträgen.
Wie sollte Moskau also einem Friedensvertrag vertrauen, der vom Westen garantiert wird?
Russland braucht deshalb faktische Sicherheitsgarantien – keine rein juristischen. Das könnte etwa eine russische Militärbasis in der Nähe von Odessa sein, oder eine Rest-Ukraine mit klar definierten militärischen Beschränkungen, etwa bei Truppenstärke oder Waffenarsenal.
Denn Russland geht davon aus – und nicht zu Unrecht –, dass jede neue Regierung im Westen wieder eine antirussische Agenda verfolgen könnte.
Milena Preradovic: Es kursiert ja ein Papier aus den Verhandlungen in Istanbul, das durchgestochen wurde – angeblich mit der Forderung Russlands, die ukrainische Armee auf maximal 85.000 Soldaten zu begrenzen. Das wird im Westen sofort als „Diktatfrieden“ ausgelegt – Putins Bedingungen seien inakzeptabel, also könne er keinen Frieden wollen. Die Propagandamaschine läuft auf Hochtouren. Ich habe vor unserem Interview noch aktuelle Nachrichten gelesen. Da stellt sich auch die Frage: Putin ist jetzt 72 Jahre alt. Wie wird es nach ihm weitergehen? Gibt es Prognosen für die Zukunft Russlands nach Putin?
Dr. Hauke Ritz:
Im Westen herrscht die Hoffnung, dass Putins Rückzug – sei er alters- oder krankheitsbedingt – ein Machtvakuum erzeugt, das man ausnutzen kann. Eine Schwächephase, in der Russland wieder destabilisiert oder umgeformt werden kann.
Gerade deshalb fordert Russland, dass die Ukraine künftig nur eine begrenzte Armee haben darf – damit sie nie wieder als westliches Werkzeug gegen Russland eingesetzt werden kann.
Wenn sich diese Sicherheitsbedenken nicht in einem Vertrag abbilden lassen, dann wird Russland versuchen, sie auf militärischem Wege zu erzwingen. Das erklärt die Fortsetzung der Militäroperation.
Was die Zukunft betrifft: Putin hat Russland über zwei Jahrzehnte geprägt – und zwar tief. Selbst wenn er abtritt, wird das Land seinen außenpolitischen Kurs voraussichtlich beibehalten.
Meine Erfahrung aus zahlreichen Russlandreisen zeigt: Etwa 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung unterstützen die außenpolitischen Leitlinien, die Putin formuliert. Nur eine kleine Minderheit wünscht sich eine Rückkehr zur Politik Jelzins oder Gorbatschows – also der westlich orientierten Unterordnung.
Die meisten Russen wollen ein souveränes Russland, das seinen eigenen Weg geht.
Dabei existiert durchaus ein Bewusstsein für die kulturelle Nähe zu Europa – die Verbindungen zur europäischen Kultur sind tief. Aber das politische Verhalten des Westens seit der deutschen Wiedervereinigung hat zu einer massiven Entfremdung geführt. Kaum jemand in Russland will heute noch einmal in eine Position geraten, in der das Land gegenüber dem Westen in einer abhängigen Rolle steht.
Milena Preradovic: Ich habe bei Ihnen gelesen, dass sich Präsident Putin in seiner Regierung sowohl mit konservativen als auch mit westlich-liberalen, kapitalismusnahen Kräften umgibt. Ist eigentlich absehbar, wer künftig die Führung übernehmen könnte?
Dr. Hauke Ritz:
Sie beziehen sich auf meine Artikelserie „Logik des neuen Kalten Krieges“, die auch in meinem aktuellen Buch enthalten ist. Ich habe sie 2016 geschrieben – und damals stimmte Ihre Beobachtung.
Zu jener Zeit gab es bereits Spannungen in der Ostukraine, in Donezk und Luhansk, an denen Russland nur indirekt beteiligt war. Die Regierung Putins war damals noch stärker durchmischt. Pro-westliche Kräfte hatten lange Zeit erheblichen Einfluss – nicht nur in der Regierung, sondern auch in Universitäten und Medien.
Seit der Eskalation 2022 hat sich das verändert. Der Einfluss liberaler, westlich orientierter Eliten ist zurückgegangen. Aber sie sind nicht verschwunden. Es hat in Russland keine ideologische Säuberung gegeben. Auch heute trifft man in akademischen Institutionen Menschen mit pro-westlicher Haltung.
Die Gewichte haben sich einfach verschoben – die Stimmung ist patriotischer, strategischer geworden.
Milena Preradovic: Kommen wir nochmal auf Europa zu sprechen – Ihr zweites großes Thema. Man hat inzwischen den Eindruck, dass Trump, Putin oder andere globale Akteure gar kein ernsthaftes Interesse mehr an Europa haben. Ist das so?
Dr. Hauke Ritz:
Leider ja. Europa hat sich in seiner Außenpolitik vollständig auf die transatlantische Ordnung festgelegt – und ist dadurch, wenn man es hart formuliert, zu einer Art Sprechpuppe des amerikanischen Tiefenstaates geworden.
Die großen geopolitischen Entscheidungen werden heute nicht mehr in Paris, Berlin oder Brüssel getroffen. Die Bühne gehört den USA, China, Russland – vielleicht auch Indien und Iran. Europa ist als eigenständiger Akteur weitgehend verschwunden.
Wenn Europa wieder eine Rolle spielen will, muss es sich von fremdbestimmten Konzepten lösen. Es müsste anfangen, über eigene Interessen nachzudenken – und diese in ein kohärentes politisches Konzept übersetzen, das an europäische Geschichte und Tradition anknüpft.
Momentan übernehmen wir ein Weltordnungskonzept, das aus den USA stammt – vermittelt über EU und NATO. Wir übernehmen ihre Einteilung der Welt in Gut und Böse, ihren moralischen Tonfall, ihren missionarischen Anspruch.
Dabei war die europäische Außenpolitik einst anders gedacht. Der Westfälische Friede – ein zutiefst europäisches Konzept – gründete auf Interessen, nicht auf Moral. Außenpolitik sollte nicht ideologisch geführt werden, sondern kompromissfähig sein.
Es ist ein Irrtum zu glauben, wer auf Werte in der Außenpolitik setzt, sei automatisch „links“. In Wahrheit schafft diese Moralisierung starre Fronten – und führt eher in Richtung Konfrontation. Linke Außenpolitik im klassischen Sinn verzichtet auf Moralrhetorik, um Raum für Kompromisse und Frieden zu schaffen.
Milena Preradovic: Und während Europa einst genau so dachte, verteidigt die EU heute ihr ideologisches Konzept mit Zähnen und Klauen – inklusive Zensur, wie etwa über den Digital Services Act. Auch Einmischungen in nationale Wahlen, wie zuletzt in Rumänien, werden offen zugegeben – etwa vom EU-Kommissar Breton. Glauben Sie, dass die EU, wenn sie diesen Kurs beibehält, überhaupt noch überlebensfähig ist?
Dr. Hauke Ritz:
Wenn die Friedensbemühungen scheitern – etwa durch Sabotage westlicher Akteure – und die NATO sich immer weiter in den Ukrainekrieg hineinziehen lässt, dann besteht die reale Gefahr, dass Europa zum Schlachtfeld eines größeren Krieges wird.
Und wenn dieser Krieg eskaliert – schlimmstenfalls mit Atomwaffen – könnte das zur physischen Vernichtung Europas führen. Das ist ein Risiko, mit dem verantwortungslos gespielt wird.
Doch die eigentliche Gefahr für die EU ist vielleicht nicht die Explosion – sondern die Implosion.
Eine Überbürokratisierung, Entfremdung von den Bürgern, zunehmende Einschränkungen von Grundrechten – das alles untergräbt die innere Stabilität der EU.
Wir beobachten eine „Übergesellschaft“, die sich immer weiter von ihren Bürgern entfernt – ohne geistige Verbindung, wie sie einst die Nationalstaaten pflegten.
Milena Preradovic: Also der Zerfall von innen?
Dr. Hauke Ritz:
Ganz genau. Die Zentrifugalkräfte nehmen zu. Man sieht es in Wahlergebnissen – und daran, dass mit juristischen Mitteln versucht wird, unliebsame politische Kräfte auszuschalten. In Frankreich soll Marine Le Pen an einer Kandidatur gehindert werden. In Rumänien werden Wahlen annulliert. In Deutschland wird über ein Verbot der AfD diskutiert.
Überall in Europa sind konservative, oft systemkritische Parteien im Aufwind. Sie wollen das zurückholen, was unter der EU-Herrschaft verloren ging – nationale Souveränität, kulturelle Identität, demokratische Kontrolle.
Das Problem ist: Die EU ist heute nicht mehr europäisch. Sie ignoriert die tiefen kulturellen Wurzeln Europas, als hätte Geschichte erst 1945 begonnen. Selbst ihre Wertordnung ist importiert – etwa im Bereich LGBT-Politik, die aus den USA, genauer gesagt aus Kalifornien, übernommen wurde.
Europa hat seine eigenen geistigen Traditionen – sie betonen das Intellektuelle, das Ideenhafte. Und es könnte durchaus sein, dass diese Traditionen nur über einen Rückzug auf die Nationalstaaten überleben können.
Wenn konservative Parteien in Europa an Einfluss gewinnen, könnten wir Austritte aus der EU und der NATO erleben – und vielleicht so etwas wie eine geistige Rückbesinnung Europas.
Milena Preradovic: Sie sagen, einer der tieferliegenden Konflikte zwischen dem Westen und Russland liegt im grundlegenden Werteverständnis. Russland berufe sich auf die Moderne, auf Aufklärung und Vernunft – während der Westen, besonders durch den Einfluss kalifornischer Ideologie, zunehmend postmoderne Werte vertrete. Und Sie schreiben: In der Postmoderne werde die Wahrheit relativiert – es gebe keine gemeinsame Wahrheit mehr. Wenn das stimmt – heißt das dann, dass am Ende einfach der gewinnt, der am meisten Macht hat?
Dr. Hauke Ritz:
Genau das ist das Prinzip der Postmoderne: Wahrheit ist nicht mehr objektiv, sondern konstruiert – und wer über Macht, Medien und Geld verfügt, kann „Wahrheiten“ schaffen.
So funktionieren PR-Agenturen: Wenn eine Botschaft nur oft genug wiederholt wird, medial verstärkt und finanziell abgesichert ist, wird sie zur Wahrheit.
Hinter dieser Denkweise steht eine tiefere Überzeugung – dass es keine göttliche oder metaphysische Ordnung mehr gibt. Gott ist tot, Religion hat ausgedient, und an ihre Stelle treten heute Machteliten oder Superreiche, die die Deutungshoheit beanspruchen.
Das ist im Kern eine nihilistische Weltsicht. Und ich würde sogar sagen: Die beiden Weltkriege waren eine frühe Folge dieses geistigen Verfalls – des Verlusts eines verbindlichen Wahrheitsbegriffs.
Natürlich können wir das Christentum nicht einfach reaktivieren. Aber wir können seine säkularen Gehalte, seine ethische Substanz, bewahren.
Die Ideale der Aufklärung, der westfälische Friede, eine Rückbesinnung auf Kunst, Kultur und tiefes Denken – all das wäre ein Gegenentwurf zur gegenwärtigen Entfremdung. Es geht darum, die Welt wieder ernsthaft zu betrachten – nicht zynisch, nicht zersplittert.
Milena Preradovic: Und vielleicht auch etwas versöhnlicher, positiver. Unsere Zeit ist durchzogen von Schuldnarrativen – der Mensch zerstört den Planeten, ist Ursache allen Übels. Sie schreiben, wir hätten die Fähigkeit zur Schönheit verloren. Stattdessen akzeptierten und verehrten wir Hässlichkeit – was eine menschenwürdige Zukunft unmöglich mache. Was wäre also Ihr Weg in eine solche Zukunft – jenseits der Postmoderne, zurück zur Aufklärung?
Dr. Hauke Ritz:
Ich versuche in meinem Buch zu zeigen, dass die Postmoderne ein Produkt des Kalten Krieges ist.
Man hat sie gezielt gefördert, um die aufklärerischen Werte des Sozialismus zu schwächen. Denn der Sozialismus – ob man ihn nun teilt oder nicht – stand auf den Säulen des europäischen Humanismus: Würde des Menschen, Rationalität, Utopiefähigkeit.
Über Jahrhunderte dachte Europa groß vom Menschen: Man glaubte an seine Vernunft, seine Gestaltungskraft, seine Fähigkeit, eine bessere Zukunft zu schaffen – Armut zu beseitigen, Gerechtigkeit herzustellen.
Aber im Kalten Krieg wurde diese Denkweise als Bedrohung empfunden – vom kapitalistischen Westen. Und so begann man, genau das Gegenteil zu fördern: Dystopien.
Club of Rome, Grenzen des Wachstums, Klimakatastrophen, Untergangsszenarien – eine düstere Sicht auf den Menschen verdrängte das frühere Fortschrittsdenken.
Heute denken wir deutlich schlechter über uns selbst – und das lähmt uns. Nur wenn wir wieder positiver über den Menschen denken, können wir auch andere politische Konzepte entwickeln – jenseits von Angst und Schuld.
Milena Preradovic: Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit, weniger Hysterie – klingt nach einer guten Idee. Wenn wir das auf Deutschland herunterbrechen: Viele Menschen haben hier ihre politische Heimat verloren. Gerade klassische SPD-Wähler fühlen sich nicht mehr vertreten – die Partei hat ihre Wurzeln, den Einsatz für Arbeiterinteressen, weitgehend aufgegeben und sich identitätspolitischen Themen zugewandt: Gender, Diversity, Quoten. Wie könnte eine neue politische Heimat aussehen?
Dr. Hauke Ritz:
Zunächst müssen wir verstehen: Diese neuen Werte sind nicht das Ergebnis natürlicher gesellschaftlicher Entwicklung – sie sind das Produkt machtpolitischer Strategien.
Sie stammen aus dem Kalten Krieg, aus geopolitischer Auseinandersetzung – und sie dienen heute den Interessen einer oligarchischen Klasse.
Die heutige Vermögenskonzentration übertrifft selbst die vor der Französischen Revolution.
Globale Finanzakteure – BlackRock, Vanguard, große Digitalkonzerne – verfügen über Vermögen, die größer sind als die Staatshaushalte ganzer Länder. Diese Oligarchie hat ein Interesse daran, Kultur zu verflachen, Menschen geistig zu entmündigen, politische Substanz durch Trends und Konsum zu ersetzen.
Solange diese Machtstrukturen bestehen, wird es keinen echten Wertewandel geben.
Deshalb: Wir müssen die Vermögensverteilung in Frage stellen. Wir müssen Monopole aufbrechen, Oligarchie zurückdrängen. Vielleicht müssen wir sogar wieder an sozialistische Konzepte anknüpfen – nicht dogmatisch, aber im Sinne sozialer Gerechtigkeit.
Natürlich haben auch konservative Parteien derzeit Zulauf – sie könnten die Situation punktuell verbessern. Aber reine konservative Politik reicht nicht aus, um die Ursachen des kulturellen Zerfalls zu bekämpfen.
Denn dieser Zerfall hängt mit wirtschaftlicher Machtverteilung zusammen.
Wir brauchen einen echten Neuanfang – mit starken linken und starken konservativen Kräften. Beide sind heute weitgehend stimmlos. Und doch: Eine funktionierende republikanische Ordnung braucht beides. Nur dann kann eine Gesellschaft demokratisch, stabil und geistig gesund sein.
Milena Preradovic: Die AfD profitiert natürlich davon, dass es im politischen Spektrum keine funktionierende konservative Kraft mehr gibt. Und ich denke, auch weil es heute so viele Tabus gibt – Themen, über die man nicht mehr offen sprechen darf, ohne sofort in eine extreme Ecke gestellt zu werden. Früher, in der alten Bundesrepublik, gab es eine klare politische Ordnung: ein bürgerlich-konservatives Lager, ein linkes Lager – und die extremen Ränder waren marginalisiert. Müssten wir nicht genau dahin wieder zurück?
Dr. Hauke Ritz:
Absolut. Wir brauchen eine Rückkehr zu einem echten politischen Prozess – zu offenen Debatten, in denen Argumente zählen.
Heute erleben wir oft nur inszenierte Gespräche – wie in vielen Talkshows –, in denen es mehr um Stimmung als um Substanz geht. Ein aufgeklärter demokratischer Diskurs funktioniert aber nur, wenn das bessere Argument gehört wird – nicht das lautere oder moralisch konnotierte.
Gleichzeitig hat sich in den vergangenen Jahren eine Vielzahl fragwürdiger Entwicklungen ereignet – ob in der Ukraine-Politik, bei der Transformation der NATO und der EU, oder während der Corona-Krise.
Ein echter Aufklärungsprozess würde zwangsläufig auch politische Verantwortlichkeiten benennen. Und davor haben viele Entscheidungsträger Angst.
Denn sie wissen: Würde dieser Prozess ernsthaft geführt, müssten sich einige von ihnen unbequemen Fragen stellen.
Doch dieser Prozess lässt sich auf Dauer nicht aufhalten. Zu viele Menschen haben unter den politischen Maßnahmen der letzten Jahre gelitten – gesundheitlich, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Die deutsche Wirtschaft steht durch den Ukraine-Krieg massiv unter Druck.
Und auch global verändert sich die Machtlage. Die Welt wird immer weniger von westlichen Eliten geprägt – und immer stärker von den BRICS-Staaten.
Auch dort besteht Interesse an einer Neubewertung der letzten Jahrzehnte. Der Druck auf den Westen, sich selbstkritisch mit seiner Rolle auseinanderzusetzen, wird wachsen.
Ich bin überzeugt: Dieser Druck wird irgendwann eine zweite Aufklärung auslösen.
Dann werden sich politische Horizonte öffnen, die heute noch undenkbar erscheinen – und vielleicht wird Europa wieder in der Lage sein, eine eigene, selbstbestimmte Rolle in der Welt zu spielen.
Milena Preradovic: Mein Gott – wie schön, dass wir nach so viel Dystopie tatsächlich mit einer hoffnungsvollen Perspektive enden. Vielen Dank, Dr. Ritz, für dieses – wieder einmal – sehr erhellende Gespräch. Ihr Buch ist faszinierend. Ihre Thesen haben mir neue Denkwege eröffnet – und das passiert nicht allzu oft. Danke, dass Sie hier waren.
Dr. Hauke Ritz: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Preradovic.
Milena Preradovic:
Tja, liebe Zuschauer – ich denke, wir brauchen dringend eine breite Debatte. Über neue Wege, über Werte, über Freiheit und über den Sinn von Demokratie.
Und diese Debatte wird von unten kommen müssen – durch uns Bürger. So lange und so klar, bis selbst die Berliner Mauern nicht mehr daran vorbeikommen.
Ob das gelingt, liegt an uns allen. Viele kleine Rädchen bringen den Motor zum Laufen.
Ich wünsche euch eine gute Zeit. Bis bald!
Interview with Dr. Hauke Ritz (english)
Milena Preradovic: What on earth is going on in Germany? After World War II, our country established itself as a mediator and advocate for peace—but today it is showing a different face. Germany is the second-largest supporter of Ukraine in its war against Russia. Peace negotiations? They say Putin doesn’t even want that—he is a threat, and Germany must become “fit for war.”
All of this might be understandable—as long as Washington was following the same course. Germany has always stuck closely to its big brother, the US. But now US policy has changed: Donald Trump wants to end the war. And Germany? It remains largely on a confrontational course. Not a good sign—especially when you hear what my guest today has to say:
World peace, he argues, depends on Germany today. We’ll get to why that is in a moment. Welcome, Dr. Hauke Ritz, it’s great to have you back.
Dr. Hauke Ritz: Thank you very much, Ms. Preradovic, I’m delighted to be here again.
Milena Preradovic: As always, let me briefly introduce you: You have a doctorate in philosophy, are a journalist, and an author. You write regularly for various publications, primarily on geopolitics and the history of ideas in modern times. You know Russia well, have taught at several universities there, and witnessed the start of the war in Ukraine in 2022 at close quarters. Together with political scientist Ulrike Guérot, you have published the book Endspiel Europa – Warum das politische Projekt Europa gescheitert ist und wie wir wieder davon träumen können (Endgame Europe – Why the European political project has failed and how we can dream of it again). Since then, you have been running the European Democracy Lab with Ms. Guérot. Your latest book is a collection of articles and essays entitled Warum der Weltfrieden von Deutschland abhängt (Why world peace depends on Germany). At first glance, this is a surprising and thoroughly provocative thesis – but, in my opinion, a highly exciting one. Right at the beginning of the book, you describe Germany as a country with a “recurring destiny”: time and again, it finds itself at the center of major wars – and sometimes even triggers them. You speak of historical repetition, from the Thirty Years‘ War to the Seven Years‘ War, the two world wars, the Cold War – right up to today’s confrontation between the US and Russia, in which Germany plays a central role. How do you explain Germany’s “fate of war”?
Dr. Hauke Ritz: There are several reasons for this. On the one hand, of course, there are geographical reasons: Germany is located in the center of Europe – and Europe has been the political and cultural center of the world for the last 500 years. During this time, there was a veritable struggle for Germany, which repeatedly became the scene and a contributing factor in global political conflicts. On the other hand, Germany is also an intellectual center. Time and again, ideas that changed the world have originated here. The Reformation began in Germany, initially leading to internal conflicts – and ultimately changing the entire Western world. Communism also has its roots in Germany and continues to have an impact today, for example in China. And the Cold War—the struggle between liberalism and socialism—had its symbolic center in Germany, which was itself divided: Berlin, the capital, was split by a wall. So Germany was not only geographically but also ideologically the center of geopolitical and intellectual confrontation—and in a sense it has remained so to this day.
Milena Preradovic: What do you mean by that specifically?
Dr. Hauke Ritz: In my essays and also in my previous book, I argued that the conflict between the US and Russia is also a cultural one – a struggle for interpretive sovereignty over European culture, which has become a global culture since modern times. Germany has a key role to play here: the direction Germany takes influences not only Europe, but in a sense the cultural development of the entire Western world. And what shapes Europe culturally, economically, and politically has an impact on other continents. Germany is therefore a cultural bottleneck—a kind of global pacemaker.
Milena Preradovic: That’s understandable from a historical perspective. But why do you think world peace still depends on Germany today? Germany is no longer the central player – not even in the war in Ukraine. And many people no longer see us as a nation that generates ideas.
Dr. Hauke Ritz: Well, many people overestimate the role of economic power in geopolitical issues. They believe that the most powerful country is automatically the one with the largest economy – i.e. China or the US. From this, they conclude that other countries are of little importance. But that is a fallacy. Power in world politics is based on various factors – economic, political, geographical, and ideological.
In Germany’s case, one factor is particularly decisive: all Western support for Ukraine passes through German territory. This is where weapons and equipment are landed, and this is where the most important supply routes run. Wiesbaden, Germany, is home to the US Army’s central planning center for Europe, from where NATO coordinates its military and political strategy. The so-called “Ramstein meetings,” where aid for Ukraine is coordinated, also take place here.
If Germany were to change course politically—moving away from this geopolitical role and toward a mediating one—it could end the war. Of course, some say that this would mean Russia winning the war and determining Ukraine’s fate in the future. But honestly, Ukraine has never historically been part of the Western sphere of influence—and in my opinion, it does not belong there.
Milena Preradovic: At present, however, there are no signs of a political reversal in Germany. And we have a new geopolitical situation: the US under Donald Trump is striving for peace – it wants to end the war. Germany, on the other hand, seems almost determined to continue the war. Under President Biden, this stance was still understandable – Germany was following the US course. But now Washington’s line has changed fundamentally. And yet the EU, and Germany in particular, remain on a collision course. Why?
Dr. Hauke Ritz: Because in recent years, a transatlantic power system has emerged that permeates both the US and Europe.
A change of power in the White House will initially change little – because the system continues to operate. There is a kind of “deep state,” as it is called—and it is rooted not only in the US, but also in the institutions of the EU and NATO. This means that a real political turnaround is only possible if something changes not only in Washington, but also within the European institutions or at least at the level of the nation states. And here, Germany once again plays a key role.
Milena Preradovic: Yes, the question is: Where is Germany—and with it Europe—headed?
In your book, you write that Europe must reinvent itself as a force for peace. An imperial role is out of the question. But right now, we are seeing the opposite: rearmament, a war economy, fear propaganda against “the evil Russians.” Where does this path lead?
Dr. Hauke Ritz: It inevitably leads to self-destruction. The era in which Europe was able to dominate the world is over. From the Age of Discovery—since Christopher Columbus—well into the 20th century, Europe had this power. But that time is irrevocably history.
A glance at China’s shipbuilding capacity compared to that of Europe or the US shows that future control of the world’s oceans will no longer lie with the West. Its supremacy is lost – and for good. This is the consequence of decades of globalization: we have outsourced our industrial base to low-wage countries – and with it, our know-how, means of production, and workforce. These structures cannot be brought back in the short term.
The idea of Western military dominance – including that of the US – is therefore obsolete. The war in Ukraine has made this clear.
NATO was originally convinced that it could bring Russia to its knees by supplying it with weapons. But the reality is different: Russia now has greater military capabilities than all NATO countries combined. Added to this is the support of the BRICS countries and other emerging economies that have emancipated themselves from the West.
The old world order is falling apart. But that does not mean that Europe can no longer play a role.
However, this role must be redefined. Not as a military power, but as a force for peace. Europe can assume a spiritual, diplomatic, and cultural leadership role—if it consciously renounces imperial ambitions. Because those no longer fit in this day and age.
Milena Preradovic: But that’s exactly what’s not happening. We are currently witnessing an intense debate about further arms deliveries to Ukraine—and the mainstream media is also playing along.
Die ZEIT recently asked: “Is Russia really invincible?” Behind this question lies an attempt to raise hopes again – that Russia can perhaps be defeated after all. Europe does not recognize the path you are outlining – that is, the path of withdrawal from confrontation. Why? What forces are preventing this change of course, which seems so logical?
Dr. Hauke Ritz: I’m glad you brought up the ZEIT article. It exemplifies what this war was originally about: eliminating Russia as a geopolitical player, turning it into a kind of vassal state – and regaining access to its raw materials, as was the case in the 1990s when Russia was economically devastated.
This plan has failed. But the problem is that the elites in the Western world – in Europe as well as in the US – are firmly committed to this goal. Trump could be an exception here, but we have to wait and see where he actually ends up. Many of these elites are incapable of political rethinking. They were not appointed to their positions because of their intellectual independence or analytical skills, but because they were willing to represent a specific political direction. They are like actors who can only play one role.
A real change of course would mean leaving this system behind – and that is frightening. It would require new political concepts, new minds, new narratives. And many decision-makers are terrified of that. So they continue to rely on the one thing they know – even though it has long since failed.
Milena Preradovic: I believe that’s called betting on a dead horse. And yet they keep throwing more fuel on the fire. You just said that we have to wait and see with Trump. Do you think that if he becomes president again, he could reduce the risk of a major conflagration, of a world war? After all, he has signaled that he wants to end the war in Ukraine because it is damaging to the US.
Dr. Hauke Ritz: There are indeed signs that Trump stands for a change of mentality in US foreign policy. However, he is a contradictory figure. During his first term in office, he himself contributed to the arming of Ukraine – and thus indirectly to the escalation of the conflict. At the same time, he repeatedly made harsh verbal threats against Russia and Iran.
Trump is also a product of American self-perception – this idea that the US is a chosen nation with a global mission. He recently said that the US won World War II on its own – which is historically untenable. The Soviet Union bore around 75 percent of the military burden; the US was an important factor, but not the decisive one.
Trump therefore remains ambivalent. But compared to Biden, Obama, or Bush, we at least see him questioning this American “chosen people complex” to a certain extent. His goal seems to be to focus more on domestic policy and reduce foreign policy commitments. That gives cause for hope.
Milena Preradovic: We have already discussed the US’s pursuit of a unipolar world order – of global hegemony – in previous conversations. Under Trump, this seemed to change at least a little. Would you agree?
Dr. Hauke Ritz: Trump is showing signs of moving in a different direction—but we shouldn’t overestimate him. He is not an intellectual, not a strategist in the classic sense. His stance fluctuates—often depending on who is advising him at the time.
There are hardliners in his circle, such as Marco Rubio and Keith Kellogg, who continue to cling to the idea of American dominance. But there are also more moderate voices calling for a change of course. It remains to be seen whether and to what extent Trump will be able to assert himself. And also whether he will remain consistent.
There are also players – including in Europe – who are deliberately sabotaging a peaceful solution. They are counting on driving Trump into an escalation by providing him with a false stage for peace negotiations – as was the case with the talks in Istanbul. This suggests that the West is the initiator of the peace talks, when in fact it was Russia that proposed them. In this way, exaggerated expectations are created – only to be able to claim later that the diplomatic path has failed. This reopens the door to military options.
Milena Preradovic: Yes, that impression is hard to avoid. The news that Putin will not be attending the peace talks in person is also quickly interpreted in the West as proof that he does not want peace.
So let me ask you directly: Do you believe that Putin – now, at this stage of the war – is actually interested in peace and a ceasefire?
Dr. Hauke Ritz: Yes, Russia wants peace. But it is faced with conditions that are hardly mentioned in the Western media. A central problem is deep-rooted anti-Russian racism in the Western world. When was the last time an entire country was excluded from the Olympic Games? Or that Russia – as the liberator of the Auschwitz concentration camp – is not invited to the memorial ceremony? Or that people are losing their assets simply because they are of Russian origin? Since the escalation of the conflict in 2022 – which actually began in 2014 – numerous Russians have had their accounts and assets in the West seized. This is not a sanction against a government – it is collective punishment on ethnic grounds.
We are projecting our own imperial shadows onto Russia. The West has a long history of colonialism and geopolitical dominance that it no longer wants to acknowledge – and instead reflects it onto Russia.
What’s more, over the past 30 years, Russia has seen the West break almost every security agreement – from the non-expansion of NATO to various disarmament treaties. So how can Moscow trust a peace treaty guaranteed by the West?
Russia therefore needs factual security guarantees – not purely legal ones. This could be a Russian military base near Odessa, for example, or a remnant of Ukraine with clearly defined military restrictions, such as on troop numbers or weapons arsenals. Russia assumes – and not without reason – that any new government in the West could once again pursue an anti-Russian agenda.
Milena Preradovic: There is a document circulating from the negotiations in Istanbul that was leaked – allegedly containing Russia’s demand that the Ukrainian army be limited to a maximum of 85,000 soldiers.
This is immediately interpreted in the West as a “dictated peace” – Putin’s conditions are unacceptable, so he cannot want peace. The propaganda machine is running at full speed. I read the latest news before our interview. This raises the question: Putin is now 72 years old. What will happen after him? Are there any predictions for Russia’s future after Putin?
Dr. Hauke Ritz: In the West, there is hope that Putin’s withdrawal – whether due to age or illness – will create a power vacuum that can be exploited. A period of weakness in which Russia can be destabilized or reshaped.
This is precisely why Russia is demanding that Ukraine be allowed to have only a limited army in the future – so that it can never again be used as a Western tool against Russia.
If these security concerns cannot be reflected in a treaty, Russia will try to enforce them by military means. This explains the continuation of the military operation.
As for the future, Putin has shaped Russia profoundly over two decades. Even if he steps down, the country is likely to maintain its foreign policy course.
My experience from numerous trips to Russia shows that around 70 to 80 percent of the population supports the foreign policy guidelines formulated by Putin. Only a small minority wants a return to the policies of Yeltsin or Gorbachev – in other words, Western-oriented subordination.
Most Russians want a sovereign Russia that goes its own way. At the same time, there is a definite awareness of the cultural proximity to Europe – the ties to European culture are deep. But the political behavior of the West since German reunification has led to massive alienation. Hardly anyone in Russia today wants to find themselves in a position where the country is dependent on the West.
Milena Preradovic: I read that you believe President Putin surrounds himself with both conservative and Western-liberal, pro-capitalist forces in his government. Is it possible to predict who might take over the leadership in the future?
Dr. Hauke Ritz: You are referring to my series of articles entitled “The Logic of the New Cold War,” which is also included in my latest book. I wrote it in 2016 – and at that time, your observation was correct. At that time, there were already tensions in eastern Ukraine, in Donetsk and Luhansk, in which Russia was only indirectly involved. Putin’s government was even more mixed at that time. Pro-Western forces had considerable influence for a long time – not only in the government, but also in universities and the media.
That has changed since the escalation in 2022. The influence of liberal, Western-oriented elites has declined. But they have not disappeared. There has been no ideological purge in Russia. Even today, you still meet people with pro-Western attitudes in academic institutions. The balance has simply shifted – the mood has become more patriotic, more strategic.
Milena Preradovic: Let’s get back to Europe – your second major topic. One now has the impression that Trump, Putin, and other global players no longer have any serious interest in Europe. Is that the case?
Dr. Hauke Ritz: Unfortunately, yes. Europe has committed itself entirely to the transatlantic order in its foreign policy – and, to put it bluntly, has become a kind of mouthpiece for the American deep state.
The big geopolitical decisions are no longer made in Paris, Berlin, or Brussels. The stage belongs to the US, China, Russia – and perhaps India and Iran. Europe has largely disappeared as an independent player.
If Europe wants to play a role again, it must break away from concepts dictated by others. It must start thinking about its own interests and translate them into a coherent political concept that builds on European history and tradition. At the moment, we are adopting a concept of world order that originated in the US and is being conveyed via the EU and NATO. We are adopting their division of the world into good and evil, their moral tone, their missionary zeal.
European foreign policy was once conceived differently. The Peace of Westphalia – a profoundly European concept – was based on interests, not morality. Foreign policy should not be guided by ideology, but should be capable of compromise.
It is a mistake to believe that those who focus on values in foreign policy are automatically “left-wing.” In reality, this moralization creates rigid fronts and tends to lead to confrontation. Left-wing foreign policy in the classical sense eschews moral rhetoric in order to create space for compromise and peace.
Milena Preradovic: And while Europe once thought exactly like that, today the EU is defending its ideological concept tooth and nail – including censorship, such as through the Digital Services Act. Even interference in national elections, as recently in Romania, is openly admitted – for example by EU Commissioner Breton. Do you believe that the EU can still survive if it continues on this course?
Dr. Hauke Ritz: If the peace efforts fail – for example, through sabotage by Western actors – and NATO allows itself to be drawn further and further into the war in Ukraine, then there is a real danger that Europe will become the battlefield of a larger war.
And if this war escalates—in the worst case with nuclear weapons—it could lead to the physical destruction of Europe. This is a risk that is being played with irresponsibly.
But the real danger for the EU is perhaps not explosion, but implosion. Excessive bureaucracy, alienation from citizens, increasing restrictions on fundamental rights – all of this undermines the internal stability of the EU. We are seeing a “super-society” that is moving further and further away from its citizens – without the intellectual connection that once existed between nation states.
Milena Preradovic: So, disintegration from within?
Dr. Hauke Ritz: Exactly. Centrifugal forces are growing. You can see it in election results—and in the attempts to use legal means to eliminate unpopular political forces. In France, Marine Le Pen is being prevented from running for office. Elections are being annulled in Romania. In Germany, there is talk of banning the AfD.
Conservative, often system-critical parties are on the rise throughout Europe. They want to regain what has been lost under EU rule – national sovereignty, cultural identity, democratic control.
The problem is that the EU is no longer European. It ignores Europe’s deep cultural roots, as if history only began in 1945. Even its value system is imported – for example, in the area of LGBT policy, which was adopted from the US, or more precisely from California.
Europe has its own intellectual traditions – they emphasize the intellectual, the conceptual. And it could well be that these traditions can only survive by retreating to the nation states. If conservative parties gain influence in Europe, we could see withdrawals from the EU and NATO – and perhaps something like an intellectual revival in Europe.
Milena Preradovic: You say that one of the deeper conflicts between the West and Russia lies in their fundamental understanding of values. Russia invokes modernity, enlightenment, and reason, while the West, especially under the influence of Californian ideology, increasingly espouses postmodern values. And you write that in postmodernism, truth is relativized—there is no longer any common truth. If that’s true, does that mean that in the end, the one with the most power simply wins?
Dr. Hauke Ritz: That is precisely the principle of postmodernism: truth is no longer objective, but constructed – and those who have power, media, and money can create “truths.”
That’s how PR agencies work: if a message is repeated often enough, reinforced by the media and financially secured, it becomes the truth. Behind this way of thinking lies a deeper conviction – that there is no longer any divine or metaphysical order. God is dead, religion has had its day, and in its place today are power elites or the super-rich who claim the authority to interpret reality.
At its core, this is a nihilistic worldview. I would even go so far as to say that the two world wars were an early consequence of this intellectual decline—the loss of a binding concept of truth. Of course, we cannot simply reactivate Christianity. But we can preserve its secular content, its ethical substance.
The ideals of the Enlightenment, the Peace of Westphalia, a return to art, culture, and deep thinking—all of this would be an alternative to the current alienation. It’s about looking at the world seriously again—not cynically, not fragmented.
Milena Preradovic: And perhaps also a little more conciliatory, more positive.
Our time is permeated by narratives of guilt—humans are destroying the planet and are the cause of all evil. You write that we have lost the capacity for beauty. Instead, we accept and worship ugliness, which makes a humane future impossible. So what would be your path to such a future—beyond postmodernism, back to the Enlightenment?
Dr. Hauke Ritz: In my book, I try to show that postmodernism is a product of the Cold War. It was deliberately promoted in order to weaken the Enlightenment values of socialism. For socialism – whether one agrees with it or not – was based on the pillars of European humanism: human dignity, rationality, and the capacity for utopia.
For centuries, Europe thought big about humanity: it believed in its reason, its creative power, its ability to create a better future – to eliminate poverty and establish justice. But during the Cold War, this way of thinking was perceived as a threat – by the capitalist West. And so people began to promote the exact opposite: dystopias.
The Club of Rome, limits to growth, climate catastrophes, doomsday scenarios – a bleak view of humanity replaced the earlier belief in progress.
Today, we think much less highly of ourselves – and that is paralyzing us. Only by thinking more positively about humanity can we develop new political concepts – beyond fear and guilt.
Milena Preradovic: A plea for more serenity, less hysteria – sounds like a good idea. If we break that down to Germany: Many people here have lost their political home. Classic SPD voters in particular no longer feel represented – the party has largely abandoned its roots, its commitment to workers‘ interests, and turned to identity politics: gender, diversity, quotas. What could a new political home look like?
Dr. Hauke Ritz: First, we need to understand that these new values are not the result of natural social development – they are the product of power-political strategies.
They originate from the Cold War, from geopolitical conflicts – and today they serve the interests of an oligarchic class.
Today’s concentration of wealth exceeds even that before the French Revolution. Global financial players—BlackRock, Vanguard, large digital corporations—have assets that are larger than the national budgets of entire countries. This oligarchy has an interest in dumbing down culture, intellectually disempowering people, and replacing political substance with trends and consumption.
As long as these power structures remain in place, there will be no real change in values. That is why we must question the distribution of wealth. We must break up monopolies and push back against oligarchy. Perhaps we even need to revisit socialist concepts—not dogmatically, but in the spirit of social justice.
Of course, conservative parties are also gaining support at the moment – they could improve the situation in some areas. But purely conservative politics is not enough to combat the causes of cultural decline. For this decline is linked to the distribution of economic power.
We need a genuine fresh start – with strong left-wing and strong conservative forces. Both are largely voiceless today. And yet, a functioning republican order needs both. Only then can a society be democratic, stable, and intellectually healthy.
Milena Preradovic: The AfD naturally benefits from the fact that there is no longer a functioning conservative force in the political spectrum. And I think it’s also because there are so many taboos today – topics that you can no longer talk about openly without immediately being labeled as extreme. In the old Federal Republic, there was a clear political order: a bourgeois-conservative camp, a left-wing camp – and the extreme fringes were marginalized. Shouldn’t we go back to exactly that?
Dr. Hauke Ritz: Absolutely. We need a return to a genuine political process—to open debates in which arguments count.
Today, we often see nothing but staged conversations—as in many talk shows—that are more about mood than substance. But an enlightened democratic discourse can only function if the better argument is heard—not the louder or more morally charged one.
At the same time, a number of questionable developments have taken place in recent years – whether in Ukraine policy, the transformation of NATO and the EU, or during the coronavirus crisis. A genuine process of enlightenment would inevitably also identify political responsibilities. And many decision-makers are afraid of that. Because they know that if this process were to be conducted seriously, some of them would have to face uncomfortable questions.
But this process cannot be stopped in the long run. Too many people have suffered from the political measures of recent years – in terms of their health, their finances, and their social lives. The German economy is under enormous pressure as a result of the war in Ukraine. And the global balance of power is also shifting. The world is becoming less and less shaped by Western elites – and increasingly by the BRICS countries.
There, too, there is interest in reassessing the last few decades. The pressure on the West to take a self-critical look at its role will grow.
I am convinced that this pressure will eventually trigger a second Enlightenment.
Then political horizons will open up that seem unthinkable today – and perhaps Europe will once again be able to play its own, self-determined role in the world.
Milena Preradovic: My goodness – how wonderful that after so much dystopia, we actually end on a hopeful note. Thank you very much, Dr. Ritz, for this – once again – very enlightening conversation. Your book is fascinating. Your theories have opened up new ways of thinking for me – and that doesn’t happen very often. Thank you for being here.
Dr. Hauke Ritz: Thank you very much for the conversation, Ms. Preradovic.
Milena Preradovic: Well, dear viewers, I think we urgently need a broad debate. About new paths, about values, about freedom, and about the meaning of democracy. And this debate will have to come from below—from us, the citizens. It will have to be long and clear until even the Berlin Wall can no longer ignore it. Whether we succeed is up to all of us. Many small cogs make the engine run.
I wish you all the best. See you soon!
Oje, dieses Interview stimmt traurig.
Welch unglaubliche Selbstüberschätzung. Weder das Zentrum Europas, noch der Welt … aber am deuschen Wesen, … ja, gehts denn noch? So wird Geschichte „zentriert“ – indem man den Rest der Welt ausblendet.
Liebe Milena Preradovic, sie leben doch gar nicht mehr in Deutschland, warum öffnen Sie nicht ein bisschen die Auswahl Ihrer Interviewpartner und verhelfen so neuen – undeutschen – Sichtweisen auf die Welt zu mehr Reichweite auch in Deutschland?
Wenn sich bei Überlegungen Widersprüche auftun, ist das ein Zeichen dafür, dass man von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist. Man muss in dem Fall seine Grundannahmen infrage stellen und korrigieren. Falsch ist es, an seinen falschen Vermutungen festzuhalten und zu behaupten, die handelnden Personen seien „widersprüchlich“ oder gar „verrückt“!
Elon Musk ist z.B. nicht verrückt geworden, sondern so geblieben, wie er vermutlich schon als Kind gewesen ist.
Als in Indien Menschen in einer Höhle verschüttet wurden, eilte Leon Skunk – wie ich ihn nenne – dorthin und brachte sein mini – U Boot mit. Man bat ihn schnell, wieder zu verschwinden, denn man hatte den Eindruck, dass er die Situation nur für seine Selbstdarstellung benutzt. So ist er immer noch, nur dass ihn aus dem Oral Office niemand hinauswirft.
Leon Skunk war immer schon auf der gleichen Seite: Auf seiner Seite!
Die Grundannahme, dass Deutschland zwei Weltkriege geführt habe, kann nur zu Widersprüchen führen, denn sie ist falsch!
Richtig ist, dass die USA zwei Weltkriege geführt haben, denn Deutschland war dafür immer schon zu klein und konnte nur europäische Kriege führen.
Falsch ist auch die Annahme, dass der Krieg Deutschland gegen Russland von den USA nicht gewollt gewesen ist.
Wahr ist, dass 1936 Deutschland noch vertrauenswürdig genug gewesen ist, um die Olympischen Spiele auszurichten, denn die Nazis galten als Vernunft- und Fortschrittspartei, der man zutraute, die Menschheit aus dem Würgegriff der Religionen zu befreien!
Wer nicht dabei war, waren die Russen, denn die waren Kommunisten und damit der Buhmann.
Man kann davon ausgehen, dass 1936 Hitler von allen angereisten Politikern auf die Schulter geklopft wurde und man ihn darin bestärkte, einen Krieg gegen Russland vorzubereiten.
Es gab damals Rüstungskontrolleure, die (offiziell) eine deutsche Wiederaufrüstung verhindern sollten, aber die waren die Einzigen, die (angeblich) von der Wiederaufrüstung nichts bemerkt haben wollen. Selbstverständlich brauchte Hitler auch Kredite aus den USA, um wieder aufrüsten zu können und auch dadurch hätte es auffallen müssen. Wahr ist, dass man uns damals erst ermutigt hat, diesen Krieg zu führen um Europa vor der Ausbreitung des Kommunismus zu bewahren und dass man uns, als wir nicht mehr zurück konnten, in den Rücken gefallen ist um gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Das sozialistische System in Russland so zu schwächen, dass es nie die Grundbedürfnisse seiner Bevölkerung bedienen konnte und das sozialistische System in Deutschland zu vernichten.
Gehen Sie, Liebe LeserInnen, mal von dieser Grundidee aus und schauen Sie mal, ob es dann immer noch Widersprüche gibt!
Was die Ukraine betrifft:
Auch sie wurde in einen Krieg gegen Russland getrieben und auch ihr fiel man in den Rücken, als sie nicht mehr zurück konnte. Trump will nicht Frieden, weil er ein Friedensstifter wäre, sondern er will jetzt in Frieden die Rohstoffe ausbeuten, die er Selensky kürzlich abgepresst hat. Das war wohl von Anfang an der Plan.
Da ist kein Widerspruch!
Ihren Kommentar nehme ich jetzt mal als Anlass, das Interview NICHT zu hören.
Wer immer noch behauptet, Deutschland hätte zwei Weltkriege geführt, ist entweder Deep State, Blackrock, oder wer auch immer … oder psychiatrisch im Endstadium.
Sollte diese Geschichtsklitterung – um Worte wie Lüge oder Propaganda zu vermeiden – hier einmal mehr verbreitet werden, erspare ich mir lieber den Magendurchbruch!
Disclaimer: Natürlich bin ich rechts rechts Nazi – was denn auch sonst…
😀 😀 😀 – jetzt sind wir endlich auf Comedy – Niveau angekommen!
Ernst nehmen konnte man die Beiträge ja schon lange nicht mehr…
🙁 🙁 🙁 Zu früh gefreut – es ist nicht lustig, sondern erbärmlich!
Könnte genau so auch im ÖR – Fernsehen laufen…
Wollen wir mal hoffen, dass es Ihnen nach diesen unsäglichen „Kommentaren“ wenigstens besser geht. Denn warum das Interview so „erbärmlich“ sein soll verraten Sie uns ja leider nicht. Ob Sie den geneigten Leser bitte an Ihrer grenzenlosen Weisheit teilhaben lassen?
@Axel
„Weltfrieden hängt von Deutschand ab“ – unter dieser Überschrift hätte man eine schöne Satire schreiben können, aber Wiglaf Droste schreibt leider nicht mehr…