Eine erstaunliche Kriegslust macht sich in Deutschland breit. Verteidigungsminister Pistorius verlangt zig Milliarden für die Ukraine und will die Deutschen kriegstauglich machen. Sogar Kinder sollen in der Schule auf Krieg vorbereitet werden. Und die Wehrpflicht soll wieder kommen. „Eine neue Wehrpflicht würde die Bundeswehr auf mindestens 10 Jahre enorm schwächen“, sagt Oberstleutnant a.D. der Bundeswehr Jürgen Rose. Auch logistisch sei das Projekt nicht zu stemmen und am Ende würde es vor dem Bundesverfassungsgericht enden.
Ein Gespräch über verbale Aufrüstung, schlechten Aussichten für die Ukraine und einer problematischen Aufrüstung mit Hyperschallwaffen, die auch in Deutschland stationiert werden sollen. „Diese Waffen sind so schnell, es gäbe praktisch keine Reaktionszeit mehr. Und das vergrößert die Gefahr von Präventivschlägen. Schlecht vor allem für Deutschland“, so Rose.
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Interview mit Jürgen Rose (deutsch)
Milena Preradovic: Hört man dem deutschen Verteidigungsminister zu, dann stehen wir am Rande eines Krieges, und Putin plant als Nächstes den Einmarsch in NATO-Staaten. Pistorius fordert – unbeeindruckt von Haushaltsproblemen – immer mehr Milliarden für die Ukraine, und er will Deutschland kriegstauglich machen. Die Wehrpflicht soll wieder eingeführt werden, und selbst Kinder sollen in der Schule auf Krieg vorbereitet werden. Ein Frieden in der Ukraine ist keine Option, nur ein Sieg gegen Russland. Das ist nicht mehr das Land, das jahrzehntelang für Entspannung und Vermittlung stand. Und viele fragen sich: Wo führt das noch hin – und wer führt Regie? Jetzt bei Punkt Preradovic. Hallo Jürgen Rose, schön, dass Sie da sind.
Jürgen Rose: Grüß Gott aus München.
Milena Preradovic: Der Ossiacher See grüßt zurück. Ich stelle Sie kurz vor: Sie sind Oberstleutnant a.D. der Bundeswehr, Diplompädagoge und Publizist. Sie haben sich 1978 als Offiziersanwärter bei der Luftwaffe verpflichtet, wurden unter anderem in den USA ausgebildet, haben an der Universität der Bundeswehr in München Pädagogik studiert und waren in vielen Positionen tätig, unter anderem als Ausbilder. Schon 1997 haben Sie sich öffentlich gegen die Wehrpflicht ausgesprochen, was Ihnen jede Menge Ärger und eine Versetzung einbrachte. Und der Ärger blieb: 2007 verweigerten Sie als erster deutscher Soldat aus Gewissensgründen Ihre Beteiligung an der Unterstützung des Tornadoeinsatzes in Afghanistan. In zahlreichen Publikationen legen Sie seither Ihre kritische Sicht auf die Sicherheits-, Verteidigungs- und Außenpolitik dar. Und Sie sind Vorstand des Förderkreises Darmstädter Signal, einer Vereinigung kritischer Offiziere und Soldaten, die der Friedensbewegung näher steht. Also: Sie haben sich schon in den 90er-Jahren gegen die Wehrpflicht ausgesprochen, die ja jetzt wieder diskutiert wird. Ist eine Wiedereinführung überhaupt rechtlich möglich?
Jürgen Rose: Ja, rechtlich ist das natürlich gar kein Problem, weil die Wehrpflicht ja nicht abgeschafft worden ist, sondern nur durch den Bundestagsbeschluss von 2010 ausgesetzt wurde. Das heißt, der Bundestag könnte im Prinzip mit einfacher Mehrheit einen Beschluss zur Wiedereinführung der sogenannten allgemeinen Wehrpflicht fassen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es gute Gründe gab, diese Wehrpflicht damals auszusetzen. Das hatte ich 1997 in einem bekannten linksradikalen Barrikadenblatt unserer Republik – besser bekannt als Frankfurter Allgemeine Zeitung – schon einmal dargelegt. Damals schrieb ich: „Die allgemeine Wehrpflicht ist nicht mehr zu halten.“ Das hat dann auch der spätere Verteidigungsminister von und zu Guttenberg eingesehen, weil er mit nahezu gleichlautenden Argumenten die Wehrpflicht für die jungen Männer ausgesetzt hat. Mittlerweile läuft die Diskussion ja dahin, dass sowohl Männer als auch Frauen eingezogen werden sollen. Und das wird ganz spannend – bei einer durchschnittlichen Jahrgangsstärke von etwa 800.000 jungen Männern und Frauen, die prinzipiell zunächst einmal gemustert werden müssten und dann je nachdem für den Wehrdienst zur Verfügung stehen – oder eben auch nicht.
Milena Preradovic: Aber eine Wehrpflicht muss ja sicherheitspolitisch begründet werden. Ist das denn zu begründen?
Jürgen Rose: Ja, in der Tat. Das hat damals – im Jahr 1995, wenn ich mich richtig entsinne – der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts und spätere Bundespräsident Roman Herzog gesagt, auf einer Kommandeurstagung hier in München. Er äußerte sich dahingehend, dass dieser schwerwiegende Eingriff in die Freiheit junger Männer, den die Wehrpflicht ja beinhaltet – der Soziologe Ralf Dahrendorf sprach von einer milden Form von Zwangsarbeit – sicherheitspolitisch zwingend geboten sein müsse. Die sicherheitspolitische Lage muss diesen Eingriff rechtfertigen, sagte Herzog damals. Das war ganz spannend, weil zu diesem Zeitpunkt im Weißbuch schon stand, dass Deutschland nur noch von Freunden umgeben ist – von freundlichen Nationen. Damit war im Grunde genommen die fundamentale Rechtfertigung für diesen Freiheitseingriff – nämlich eine existenzielle sicherheitspolitische Notlage – weggefallen, mit dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts und der Auflösung der Sowjetunion.
Heute wird ja behauptet: Der Feind steht im Osten, und der Dämon Putin wartet nur darauf – mit dem Dolch quer zwischen den Zähnen –, Europa insgesamt und die NATO zu überfallen und bis zum Atlantik vorzurücken. Das wird als Bedrohungsszenario an die Wand gemalt – aber das ist natürlich grober Unfug. Eine sicherheitspolitische Bedrohung, die zwingend eine Rückkehr zur Wehrpflicht erfordert, besteht in meinen Augen nicht. Man müsste der russischen Regierung ja suizidale Absichten unterstellen, wenn sie über den Krieg in der Ukraine hinaus jetzt auch noch den Rest der NATO angreifen wollte. Die NATO gibt das 15-Fache für Rüstung aus, hat dreimal so viele Soldaten und schwere Waffensysteme – sie ist der Russischen Föderation um Längen überlegen. Es wäre aus Moskauer Sicht ein Selbstmordunternehmen, die NATO angreifen zu wollen. Und daher – da diese sicherheitspolitische Bedrohung in meinen Augen gar nicht existiert – entfällt auch jede Legitimation für die Wiedereinführung einer Wehrpflicht, in welcher Form auch immer.
Milena Preradovic: Dann wäre es ja doch rechtswidrig?
Jürgen Rose: Ja, das müsste allerdings dann vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt werden. In der Vergangenheit gab es mehrere Verfahren vor dem Verfassungsgericht, und das Gericht hat der Wehrpflicht grundsätzlich zugestimmt – mit der Begründung, dass der Staat und die Rechtsordnung auf die Mithilfe der Bürger angewiesen seien, um verteidigt werden zu können. Die Fundamentalnorm unseres Grundgesetzes – die Menschenwürde – verpflichtet den Staat, diese zu achten und zu schützen. Dieser Schutzverpflichtung kann der Staat nur gerecht werden, wenn er die Bürger in Anspruch nimmt. Also grundsätzlich ist die Wehrpflicht gerechtfertigt – auch völkerrechtlich. Im Völkerrecht existiert ein Zwangsarbeitsverbot beziehungsweise ein Zwangsdienstverbot, aber die Wehrpflicht ist davon ausdrücklich ausgenommen – gerade deswegen, weil es anders nicht geht.
Daraus folgt aber umgekehrt: Wenn es anders geht – also wenn der Staat mit weniger Zwang seiner Schutzverpflichtung nachkommen kann –, dann entfällt die Legitimation. Und meines Erachtens befinden wir uns momentan genau in dieser Situation. Wir haben eine Freiwilligenarmee aus Zeit- und Berufssoldaten, und diese ist – im Verbund mit den NATO-Partnern – in der Lage, der Schutzverpflichtung gerecht zu werden.
Jürgen Rose: Und was das Verfassungsgericht darüber hinaus in der Endphase der Wehrpflicht vor 15 Jahren gesagt hat, ist: Es muss ein hinreichendes Maß an Wehrgerechtigkeit gewährleistet sein. Das heißt, es darf kein Lotterieverfahren sein oder vom Zufall abhängen, ob ein junger Mensch zur Ableistung des Wehrdienstes herangezogen wird oder nicht. In dieser Situation befand man sich aber gegen Ende der Wehrpflicht – also Anfang der 2000er-Jahre. Die KDV-Organisationen, also jene, die Kriegsdienstverweigerer beraten, sagten den potenziellen Verweigerern: „Wartet ab, ob ihr überhaupt einen Musterungsbescheid bekommt und ob ihr eingezogen werdet.“ Denn mehr als 50 % der jungen Männer wurden gar nicht einberufen. Die Wahrscheinlichkeit, zu den 50 % zu gehören, die per Zufall von jeglicher Verpflichtung befreit sind, war sehr hoch – und man konnte immer noch verweigern, wenn man tatsächlich einen Einberufungsbescheid erhielt.
Und dieses Problem würde sich heute noch potenzieren, weil – wie bereits erwähnt – 800.000 potenzielle Dienstpflichtige existieren, Männer und Frauen. Das kann die Bundeswehr niemals bewältigen. Das könnten auch die Organisationen, die potenziell an Zivildienstleistenden interessiert wären, gar nicht leisten.
Milena Preradovic: Wie halten es eigentlich die anderen NATO-Staaten mit dem Wehrdienst?
Jürgen Rose: Die meisten anderen Staaten haben die Wehrpflicht – wie wir – ausgesetzt oder abgeschafft. Frankreich zum Beispiel hat keine Wehrpflicht, sondern eine Freiwilligenarmee. Das war ganz interessant: Ich glaube, es war der damalige Präsident Chirac, der ganz überraschend und ohne jegliche Absprache – beispielsweise mit Deutschland – Knall auf Fall in Frankreich die Wehrpflicht ausgesetzt hat. Er konnte das qua präsidentieller Vollmacht. Das geht bei uns nicht so einfach. Es gibt noch andere Staaten, beispielsweise Schweden, Norwegen oder Dänemark. Die haben eine Wehrpflicht – zum Teil auch für Männer und Frauen. Und dort wird gelost. Das ist ein Roulette-Verfahren. Und das ist das, was heute auch wieder in der Debatte in Deutschland ist – dass man eine sogenannte Auswahlwehrpflicht einführen will. Meistens verknüpft mit der Vorstellung, man könne eine allgemeine Dienstpflicht einführen, also ein soziales Pflichtjahr. Dann könnten die jungen Menschen – Männer und Frauen – entscheiden, ob sie bei der Bundeswehr Dienst leisten oder woanders. Das ist mit unserem Grundgesetz so nicht machbar – Stichwort Wehrgerechtigkeit. Denn es müsste gewährleistet sein, dass tatsächlich jeder, der dienstpflichtig ist, auch irgendeine Form von Dienst ableistet.
Jürgen Rose: Und das möchte ich mal sehen – wie, wie gesagt, 800.000 junge Männer und Frauen in der Bundesrepublik Deutschland in der Armee oder auch bei zivilen Organisationen untergebracht werden sollen. Wobei man einräumen muss: Ein gewisser Teil würde aus dieser Zahl herausfallen, weil sie einfach nicht tauglich wären. Es gibt Musterungskriterien – mit einem einbeinigen Soldaten kann man schlecht kämpfen. Also Menschen, die gesundheitlich oder geistig beeinträchtigt sind, bräuchten natürlich keinen Dienst leisten. Das sind Erfahrungswerte aus der letzten Wehrdienstphase – da waren das vielleicht zehn bis dreizehn Prozent. Es blieben also immer noch weit über 700.000 junge Männer und Frauen. Und da ist die gesamte Organisation gar nicht mehr vorhanden. Es gibt keine Kreiswehrersatzämter mehr – die sind alle abgeschafft. Die Liegenschaften, wenn sie überhaupt noch existieren, sind irgendwo andershin vermietet oder verkauft worden. Man müsste in Deutschland erst einmal eine komplette Wehrerfassungsinfrastruktur neu aufbauen. Auch die Kasernen der Bundeswehr wurden auf das Maß reduziert, das für die jetzige Bundeswehr notwendig ist – mit einer Sollstärke von etwa 200.000 Soldaten. Daran sind auch die Liegenschaften bemessen. Wenn die Bundeswehr plötzlich doppelt so groß würde…
Jürgen Rose: Während des Kalten Krieges hatten wir 495.000 Soldaten – Wehrpflichtige, Zeit- und Berufssoldaten. Dann bräuchte man auch, Pi mal Daumen, doppelt so viele Kasernen. Wann? Wo sollen die gebaut werden – und mit welchen Arbeitskräften? Dann müsste man jährlich eine halbe Million Wehrpflichtige – junge Männer und Frauen – irgendwie ausbilden. Die Ausbilder sind gar nicht da. Also: Die effektivste Methode, um – wie es jetzt heißt – die „Kriegstüchtigkeit“ der Bundeswehr zu untergraben… oder formulieren wir es moderater: ihre Einsatzfähigkeit in einem größeren konventionellen militärischen Konflikt… wäre es, die Wiedereinführung der Wehrpflicht zu fordern. Dann wäre die Bundeswehr mindestens zehn Jahre lang damit beschäftigt, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen: mit der Integration Hunderttausender Wehrpflichtiger, mit deren Ausbildung. Man muss nur in die Vergangenheit schauen: Die Gründung der Bundeswehr fand 1955 statt – und es dauerte knapp 15 Jahre, bis die Bundeswehr ihre Sollstärke erreicht hatte. Das waren damals zwölf Heeresdivisionen – nur für die Landstreitkräfte. Das kann man eben nicht Knall auf Fall machen. Die personelle und materielle Infrastruktur steht einfach nicht zur Verfügung.
Milena Preradovic: Also die Wehrpflicht würde die Bundeswehr eher zerstören?
Jürgen Rose: Aus meiner Sicht wäre das eine gravierende, ernst zu nehmende Schwächung der Streitkräfte, wenn man eine allgemeine Wehrpflicht wieder einführen wollte. Deswegen gehen die Überlegungen im BMVg ja dahin, dass man – nach skandinavischem Vorbild – eine Auswahlwehrpflicht einführen möchte. Das heißt: Das Verteidigungsministerium legt fest, wie viele Zwangsdienstverpflichtete es gerne hätte und überhaupt aufnehmen und ausbilden kann. Diese Zahl wird dann ausgewählt – sozusagen aus der Gesamtmasse derjenigen, die zur Verfügung stehen. Und der Rest? Der interessiert die Bundeswehr dann gar nicht mehr. Da soll dann die Gesellschaft sehen, wie sie damit zurechtkommt. Und das kann natürlich so nicht funktionieren. Spannend ist auch: Wenn man sich Umfragen anschaut, sieht man, dass in der jungen Generation nur Minderheiten einer solchen Planung zustimmen. Während die Älteren – die gar nicht mehr betroffen wären oder ihre Wehrpflicht schon abgeleistet haben, so wie ich zum Beispiel – sich das natürlich ganz gut vorstellen können. Das ist natürlich klar: Wenn ich selbst nicht betroffen bin und andere die Last tragen müssen, kann ich gut damit leben.
Milena Preradovic: Genau das nennt man Gratismut.
Jürgen Rose: Ja, genau. Das ist natürlich nachvollziehbar. Aber daran erkennt man schon, wie fragwürdig solche Konstruktionen unter Legitimationsaspekten sind. Und wie gesagt: Meine Prognose ist, wenn das versucht werden würde, würde es spätestens in Karlsruhe – vor dem Verfassungsgericht – scheitern. Und wir haben noch gar nicht über die Kosten geredet. Der Verteidigungsminister fordert ja, unabhängig von den Vorgaben von Herrn Lindner, dass er von jeglichen Kürzungen im Bundeshaushalt ausgenommen wird. Im Gegenteil – er fordert sechs Milliarden Euro mehr. Und das für die jetzt existierende Bundeswehr. Wenn er die Wehrpflicht wieder einführen will, kann er mindestens noch mal zehn Milliarden drauflegen. Das würde sich dann auf etwa 16 Milliarden Euro summieren, die er für die kommenden Haushalte bräuchte. Ja – viel Spaß bei der Diskussion mit dem Finanzminister, kann ich da nur sagen.
Milena Preradovic: Ja, aber es wird ja jetzt bei dieser Freiwilligenarmee, die Deutschland hat, dauernd über den desolaten Zustand der Bundeswehr gesprochen – also dass eigentlich nichts funktioniert. Wie sehen Sie das als ehemaliger Offizier? Was ist da alles versäumt worden?
Jürgen Rose: Ich bin natürlich seit 2010, also seit 14 Jahren, nicht mehr aktiv im Dienst.
Milena Preradovic: Aber Sie kennen da ja Leute.
Jürgen Rose: Ja, ich kenne noch Leute. Ich gehe auch immer noch in die benachbarte Kaserne, um in der Sporthalle zu trainieren. Da trifft man ab und zu mal jüngere Kameraden, mit denen man spricht. Trotzdem ist es schwierig einzuschätzen. Es gibt da einen schönen Spruch auf Englisch: To use the worst possible threat to get the best possible budget. Man malt also die größtmögliche Bedrohung an die Wand, um das größtmögliche Budget – so viel Geld wie möglich – für die eigene Organisation zu bekommen. Das muss man auch sehen. Da wird viel schwarzgemalt. Die Frage ist ja auch: Was für eine Anspruchshöhe habe ich? Welchen Auftrag verfolge ich?
Jürgen Rose: Seit dem Ende des Kalten Krieges gab es eine komplette Verlagerung des Auftrags. Plötzlich hieß es: Landesverteidigung, Bündnisverteidigung – das ist nicht mehr so wichtig, das ist „out of fashion“. Wir sind nur noch von Freunden umgeben. Das Verhältnis zu Russland war über viele Jahre sehr entspannt – so sah man das jedenfalls. Und dann sagte man: Wir brauchen einen neuen Auftrag, sonst könnten die Leute auf die Idee kommen, dass wir eigentlich gar kein Militär mehr brauchen. Das hat Manfred Wörner mal formuliert mit: Out of area or out of business. Wir müssen also international agieren – mit der NATO –, sonst machen wir uns überflüssig. Man hat dann auch die Strukturen der Bundeswehr an diesen neuen Auftrag angepasst. Das dauerte natürlich einige Jahre – solche Organisationen wie das Militär lassen sich nicht leicht umsteuern. Aber es ist gelungen. Die Bundeswehr war bis vor kurzem in vielen internationalen Missionen aktiv. Wir reden jetzt nicht über deren sicherheitspolitischen Erfolg – aber die Umstrukturierung wurde vollzogen.
Jürgen Rose: Das geschah allerdings zulasten des Auftrags der Landes- und Bündnisverteidigung, den man zunehmend als veraltet betrachtete. Jetzt aber steht man vor dem Problem, dass es erneut eine Verlagerung gibt – raus aus den Kartoffeln, rein in die Kartoffeln. Jetzt soll wieder Landes- und Bündnisverteidigung geleistet werden. Dass die Bundeswehr da nicht optimal aufgestellt ist, das sieht man. Und wenn man sich das Kriegsgeschehen in der Ukraine anschaut, stellt sich ohnehin die Frage: Wenn man die alten Strukturen beibehalten hätte – wäre die Bundeswehr nicht auch veraltet? Denn wir erleben dort Entwicklungen, die bemerkenswert sind und einen enormen Anpassungsbedarf in technologischer, verfahrenstechnischer und operativer Hinsicht nach sich ziehen werden.
Milena Preradovic: Sie haben gerade die Schwarzmalerei erwähnt. Verbal rüsten deutsche Politiker und auch Militärs ja gerade ordentlich auf. Es heißt sogar, Kinder sollen kriegstauglich werden, in Schulen unterrichtet werden. Deutsche Generäle unterhalten sich am Telefon über Angriffe auf Ziele auf der Krim, die Russland ja zu seinem Territorium zählt. Ist das jetzt nur Schwarzmalerei, um an mehr Geld zu kommen, oder besorgt Sie diese neue Kriegslust?
Jürgen Rose: Das ist sehr bedenklich. Die Lehre, die wir aus der verheerenden Kriegs- und Militarismuspolitik des 20. Jahrhunderts in Deutschland gezogen hatten, war: „Nie wieder Auschwitz, nie wieder Krieg.“ Und jetzt hält ein neuer Bellizismus wieder Einzug in Deutschland. Es ist sogar so, dass bestimmte Leute jene, die dem Friedensgedanken anhängen oder der Friedensbewegung nahestehen, als „Lumpen- oder Vulgärpazifisten“ titulieren. Ich nenne solche Leute Schurkenbellizisten, und ich halte das für äußerst bedenklich. Ein sehr bekannter Sozialwissenschaftler und Philosoph der Weimarer Zeit sprach einmal vom „Schwertglauben“, der damals herrschte. Der rührte aus dem wilhelminischen Deutschland her und hielt sich bis in die Weimarer Republik – und eskalierte dann vollständig im Dritten Reich. Der totale Zusammenbruch 1945 hat in Deutschland tatsächlich ein erhebliches Umdenken bewirkt. Die Deutschen sind überwiegend von diesem Schwertglauben abgefallen und waren geheilt.
Jürgen Rose: Es war auch 1955 sehr schwierig mit der Bundeswehr, denn es gab eine ganz starke sogenannte „Ohne-mich“-Bewegung. Große Teile der deutschen Bevölkerung lehnten eine Remilitarisierung Deutschlands ab. Das wurde dann gegen den Widerstand großer Bevölkerungsteile durchgedrückt. Und die Bundeswehr hatte in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens durchaus erhebliche Probleme, was gesellschaftliche Akzeptanz und Anerkennung betraf. Das hat sich inzwischen wieder verändert. Denn mit der Angst vor dem „bösen Feind im Osten“ lässt sich natürlich hervorragend Politik betreiben – für eigene Interessen.
Jürgen Rose: Und wenn man dann mal fragt: Cui bono? – wem nützt das? Dann stellt man fest, wer von dieser bellizistischen Politik profitiert – und das sind zuvorderst die großen Rüstungskonzerne weltweit. SIPRI hat kürzlich Zahlen veröffentlicht: Die Militärausgaben – die ja immer als „Verteidigungsausgaben“ verbrämt werden – haben schwindelerregende Höhen erreicht, so hoch wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Und sie sind zum überwiegenden Teil im Bereich der NATO-Staaten zu verorten. Ich spreche da bewusst von „NATO-Staaten“, denn zur traditionellen NATO kommen inzwischen Australien, Neuseeland, Japan, Südkorea und andere asiatische Verbündete hinzu. Diese werden künftig – darauf kommen wir vielleicht noch – immer wichtiger. Die NATO ist längst kein rein nordatlantisches Verteidigungs- oder Sicherheitsbündnis mehr, sondern ein global agierendes Militärbündnis, das zunehmend auch offensiv agiert – im Bereich von Angriffskriegen –, und das auch in der Vergangenheit schon getan hat.
Milena Preradovic: Ja. In Ihrem Vortrag, den ich mir angeschaut habe, erwähnten Sie, dass selbst Henry Kissinger – der ja, wie Sie sagen, auch nicht gerade eine Friedenstaube war – nach dem Angriff der NATO auf Jugoslawien 1999 kritisierte, die NATO habe ihre Selbstdefinition als defensive Koalition aufgegeben. Und er warnte vor einer Welt, in der „die Tugend Amok läuft“. Sind wir da schon angekommen?
Jürgen Rose: Ja, da sind wir mit Sicherheit angekommen. Man kann über Henry Kissinger – diesen Völkerrechtsverbrecher, der in Chile einen rechtsradikalen Putsch unterstützt hat und illegal Kambodscha und Laos bombardieren ließ – sagen, was man will. Aber er war ein Realpolitiker, ein unglaublich analytisch befähigter Geist. Und seine Prognose ist zu hundert Prozent eingetroffen. Ein deutscher Journalist, Michael Lüders, hat dazu übrigens kürzlich…
Milena Preradovic: Sehr gern gesehener Gast dieses Podcasts.
Jürgen Rose: Ja, ich schätze ihn auch sehr. Ich habe ihn früher als Autor in der Zeit gelesen – und da wurde er dann von Herrn Joffe, dem Herausgeber, verabschiedet, weil er zu objektiv über den Palästinakonflikt geschrieben hat. Aber das nur am Rande. Er hat vor einiger Zeit ein Büchlein vorgelegt: Moral über alles. Und darin untermauert er im Prinzip Kissingers Diagnose mit vielen Zahlen, Daten und Fakten zur deutschen Außenpolitik im Kontext des aktuellen Ukrainekriegs. Diese Entwicklung ist extrem bedenklich. Es findet ein Abschied statt – von einer interessengeleiteten Realpolitik, die doch letztlich dazu führt, dass man bei der Durchsetzung eigener Interessen international auch immer die Interessen des Gegenübers mitbedenken muss. Sonst läuft man Gefahr, heftig zu kollidieren und Schiffbruch zu erleiden. Das ist den Moralisten in der Außenpolitik offenbar völlig egal.
Jürgen Rose: Man sieht das derzeit sehr deutlich am Beispiel unserer Außenministerin, die in der Weltgeschichte herumreist – zum großen Gelächter derer, die sie empfangen. Sie hat gefordert: „Wir ruinieren Russland“, „Wir unterstützen die Ukraine bis zum Endsieg“, „Wir liefern die neuen Wunderwaffen“ – Stichwort Taurus. Das ist alles völlig bizarr und absurd, was da abläuft – und natürlich brandgefährlich.
Jürgen Rose: Wir wandeln in Europa – oder weltweit – am Rande eines Atomkriegs. Denn dort ist eine nuklear bewaffnete Großmacht, nämlich Russland, direkt in Kriegshandlungen verwickelt – mit einem Staat, der keine Atomwaffen besitzt und auch nicht Mitglied eines formalen Bündnisses ist, nämlich der Ukraine. Faktisch führt aber die NATO in der Ukraine Krieg – mithilfe der ukrainischen Streitkräfte. Die NATO hat diesen Krieg wissentlich in Kauf genommen, ja sogar provoziert. Der Generalsekretär selbst hat zugegeben: Es wird nicht mit Putin, also mit der russischen Regierung, verhandelt. Der Grund, warum Putin Krieg führt, ist die NATO-Osterweiterung – und die hat er jetzt in Form des Beitritts von Schweden und Finnland bekommen. Und wir machen mit dieser Politik weiter – koste es, was es wolle.
Jürgen Rose: Ich nenne das zynisch und menschenverachtend. Denn die Rechnung für diese irrsinnige Politik, die da von der NATO – vor allem aus Washington und London, aber auch aus Warschau und den baltischen Staaten – betrieben wird, zahlen zuerst die Menschen in der Ukraine: die Soldaten, die Soldatinnen, aber auch die Zivilbevölkerung. Und natürlich auch die jungen russischen Männer und Frauen, die in den Tod, in Verwundung und in Verstümmelung geschickt werden.
Milena Preradovic: Ja, es herrscht ja immer noch der von Medien betriebene Irrglaube in Deutschland, dass Putin ein Wahnsinniger nach dem Vorbild Hitlers sei – so ungefähr – und es keine Vorgeschichte gäbe. Aber Putin warnt ja schon seit ungefähr 30 Jahren – oder nicht ganz, aber seit 20 bis 24 Jahren – vor einer weiteren Ausdehnung der NATO nach Osten, insbesondere vor einem NATO-Beitritt der Ukraine. Und alle seine Warnungen wurden komplett ignoriert. Und Putins Reaktion wurde ja auch von vielen hochrangigen US-Experten – ich glaube, das habe ich auch bei Ihnen gesehen – wie dem damaligen CIA-Direktor Burns schon 2008 vorhergesehen. Und bevor Putin in die Ukraine einmarschiert ist, wollte er eigentlich noch mit US-Präsident Biden sprechen. Der hat abgelehnt. Ja, und dann ist er – dann ist er erst einmarschiert. Und die Friedensverhandlungen 2022, nach wenigen Wochen Krieg in Istanbul, wurden von Boris Johnson boykottiert. Was ist das Ziel des Westens, der NATO, in diesem Krieg?
Jürgen Rose: Gehen wir noch einmal direkt auf Ihre Frage zurück. Es war ja nicht nur Putin, der das moniert hat, sondern bereits unter Jelzin war das Thema. Der Punkt war: Das Ende des Kalten Krieges, das von Gorbatschow und Schewardnadse eingeleitet worden war, wurde von der NATO akzeptiert. 1990 erklärte die NATO den Kalten Krieg für beendet. Es kam zur „Charta von Paris für ein neues Europa“, und die Zeichen standen auf Kooperation zwischen dem Westen und der ehemaligen Sowjetunion. Genau diese Phase machte es möglich, dass Deutschland wiedervereint wurde – also die DDR mit der Bundesrepublik. Der Hintergrund war übrigens nicht die Philanthropie von Michail Gorbatschow oder Eduard Schewardnadse. Vielmehr fuhren die Amerikaner nach Moskau und legten den Russen dar, dass es in ihrem eigenen Interesse sei, dass die DDR im Rahmen der NATO – also durch Beitritt zur Bundesrepublik – in das westliche Bündnis integriert werde. Mit der Begründung: Nach dem Ersten Weltkrieg war Deutschland neutral – und wir wissen, was dann passiert ist. Es gab einen Regierungswechsel, ein nationalsozialistischer Verbrecher kam an die Macht, rüstete massiv auf, überfiel den Rest Europas und wurde erst im Dezember 1941 an der Endhaltestelle der Straßenbahn in Moskau gestoppt – und später in Stalingrad. Wollt ihr so etwas noch einmal erleben, wenn ihr bei eurer Vorstellung eines neutralen Deutschlands bleibt? Das hatte Stalin übrigens schon 1952 in seiner berühmten Note formuliert.
Jürgen Rose: Ja, ein neutrales Gesamtdeutschland wäre aus russischer Sicht denkbar gewesen. Und hinzu kommt: Ein wiedervereintes, aber neutrales Deutschland – nicht mehr in der NATO und nicht mehr unter dem nuklearen Schutzschirm der USA – hätte ja auf die Idee kommen können, sich eigene Atomwaffen zuzulegen. Da haben die Russen zunächst gezögert, dann darüber nachgedacht – und gesagt: Ja, eigentlich stimmt das. Denn wir wissen ja, die NATO wurde gegründet, um die Amerikaner drinnen, die Russen draußen und die Deutschen unten zu halten – also Deutschland zu kontrollieren. Das kann man auch wissenschaftlich nachlesen, etwa bei dem US-amerikanischen Professor Mark Trachtenberg, der das sehr detailliert analysiert und in Beiträgen beschrieben hat. Das war der Hintergrund der deutschen Wiedervereinigung. Und als die Russen 1990 zugestimmt hatten, änderte sich sofort die US-amerikanische Politik. James Baker war noch bei Gorbatschow gewesen und hatte ihm zugesichert: Kein Inch NATO-Erweiterung nach Osten. Aber als er zurück in Washington war und mit Präsident George Bush senior sprach, sagte dieser: Was soll der ganze Quatsch? Wir haben den Kalten Krieg gewonnen – natürlich werden wir die NATO erweitern.
Jürgen Rose: Der ganze Prozess – da könnten wir ein eigenes Seminar drüber machen – nahm dann seinen Lauf. Schon Präsident Jelzin protestierte gegen diese Pläne, die die USA mit Nachdruck betrieben. Er hat sogar vorgeschlagen, dass auch Russland, also die Russische Föderation – die Sowjetunion existierte da ja schon nicht mehr – der NATO beitreten könnte. Er bekam darauf nicht einmal eine Antwort. Und das Verhältnis zwischen NATO und Russland verschlechterte sich über Jahre und Jahrzehnte immer weiter. Man kann sich daran erinnern: Präsident Putin war 2001 im Deutschen Bundestag. Ich habe mir seine Rede noch einmal angeschaut. Damals sagte er, ich zitiere wörtlich: „Niemand bezweifelt den großen Wert der Beziehungen Europas zu den Vereinigten Staaten. Aber ich“ – also Putin – „bin der Meinung, dass Europa seinen Ruf als mächtiger und selbstständiger Mittelpunkt der Weltpolitik langfristig nur festigen wird, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit den russischen – menschlichen, territorialen und Naturressourcen – sowie mit den Wirtschafts-, Kultur- und Verteidigungspotenzialen Russlands vereinigen wird.“ Das ist Originalton Wladimir Putin. Und für diese Rede erhielt er Standing Ovations. Aber man muss natürlich wissen, wie in London und Washington gedacht wird. Und: Alarm!
Milena Preradovic: Alarm! Alarm!
Jürgen Rose: Ja, selbstverständlich! Denn man kann hier einen der bedeutendsten strategischen Analysten zitieren – nämlich George Friedman von Stratfor, oft als „Schatten-CIA“ bezeichnet. Friedman sagte einmal – Zitat: „Das Hauptinteresse der US-Außenpolitik während des letzten Jahrhunderts – im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg – waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Seit einem Jahrhundert ist es für die Vereinigten Staaten das Hauptziel, die einzigartige Kombination zwischen deutschem Kapital und deutscher Technologie mit russischen Rohstoffen und russischer Arbeitskraft zu verhindern.“ Das ist die eigentliche geostrategische Linie.
Jürgen Rose: Und diese Politik haben nicht die Amerikaner erfunden, sondern die Briten – schon Ende des 19. Jahrhunderts. Sie haben damals alles getan, um das wilhelminische Deutschland zu zerstören, weil es ein großer Konkurrent für die globale Hegemonie des British Empire wurde. Und hier sehen wir die historische Analogie: Heute ist es nicht mehr das britische, sondern das US-amerikanische Imperium, das im Begriff ist, abzuwirtschaften. Damals war für das britische Empire der Hauptgegner das wilhelminische Deutschland – ein weit mächtigeres Deutschland als die heutige Bundesrepublik. Es war mit der Großmacht Österreich-Ungarn verbündet, mit der Türkei befreundet, hatte einen Bündnispakt mit Italien – es war keineswegs isoliert, sondern ein enormer Machtfaktor auf dem europäischen Kontinent.
Jürgen Rose: Heute ist Deutschland nach den Entwicklungen, die wir anfangs skizziert haben, vollständig in den Westen integriert. Aber dem US-Imperium stand während des Kalten Krieges lange das Sowjetimperium gegenüber. Die Sowjetunion ist zwar zerfallen, aber es blieb die Russische Föderation. Und da sagte einmal Madeleine Albright – auch eine höchst fragwürdige Figur in der internationalen Politik – sinngemäß: Das ist der größte Staat der Erde. Wie kommen die dazu, auf diesen gewaltigen Ressourcen zu sitzen – Öl, Gas, Erze –, die wir brauchen? Und daraus folgerte sie: Das muss parzelliert werden, damit es beherrschbar wird. Das ist klassische britische „divide et impera“-Politik – teile und herrsche. Und das betreiben London und Washington bis heute.
Jürgen Rose: Hinzu kommen historische Befindlichkeiten aus der europäischen Geschichte – etwa bei den baltischen Republiken, bei Finnland, das übrigens einmal zum Zarenreich gehörte, und ganz besonders bei Polen. Diese Staaten wirken heute konkludent zusammen, um Russland zu schwächen oder sogar – wie unsere Außenministerdarstellerin es einmal formulierte – zu „zerstören“. Das alles geschieht auch vor dem Hintergrund einer sich zuspitzenden Konfrontation zwischen den USA und der Volksrepublik China. Heute, in den Nachrichten, war zu hören: Die Chinesen führen eine große Militärübung vor Taiwan durch – als Reaktion auf den neuen Präsidenten, der eine Politik betreibt, die in Peking als feindselig wahrgenommen wird, weil sie auf eine Unabhängigkeit Taiwans zielt.
Jürgen Rose: Und da konnte man heute schon wieder die Propaganda in den Medien mitschwingen hören. Da wurde dann erklärend mitgemeldet: Peking mache das, obwohl Taiwan niemals zur Volksrepublik China gehört habe. Ja, das ist natürlich richtig – Taiwan gehörte nie zur Volksrepublik China, weil sich Chiang Kai-shek und die Antikommunisten nach dem Bürgerkrieg in den 40er-Jahren auf die Insel Taiwan zurückgezogen haben, während die Maoisten in Peking blieben. Aber der Punkt ist: Über Jahrhunderte hinweg gehörte Taiwan zum chinesischen Kaiserreich. Und die Amerikaner haben diesen Zusammenhang auch anerkannt.
Jürgen Rose: Anfang der 70er-Jahre, als Henry Kissinger im Auftrag von Richard Nixon begann, diplomatische Beziehungen zur kommunistischen Volksrepublik China aufzubauen, war das eine der Bedingungen: Die Chinesen forderten eine rechtsverbindliche Anerkennung durch die USA, dass Taiwan zu China gehört. Und das haben die USA auch getan. Wenn heute behauptet wird, Taiwan hätte einen Anspruch auf Selbstständigkeit und China keinen Anspruch auf Taiwan – dann ist das schlicht gelogen. Das ist Propaganda. Das heißt aber natürlich nicht, dass Peking das Recht hätte, Taiwan mit Gewalt zu annektieren.
Jürgen Rose: Aber genau das wollen sie auch gar nicht. China will den Status quo erhalten. Der bedeutet: Der Rest der Welt akzeptiert prinzipiell, dass Taiwan zu China gehört, und China betreibt eine Politik, die auf eine diplomatische Lösung in der Zukunft abzielt – nicht auf eine erzwungene militärische Wiedervereinigung. Außerdem sind Taiwan und China wirtschaftlich eng miteinander verflochten. Sie betreiben Handel, profitieren gegenseitig. Es gibt also kein wirkliches materielles Interesse Pekings, Taiwan zwangsweise zu vereinen. Was sie natürlich wollen, ist Einfluss – und geopolitisch ist Taiwan extrem bedeutsam. Zusammen mit den Philippinen, Japan und weiteren Inseln bildet Taiwan eine Kette, einen Riegel, der verhindert, dass China den Pazifik frei kontrollieren kann.
Jürgen Rose: Die chinesische Marine muss durch enge Meerengen navigieren – auch mit ihren nuklear bewaffneten U-Booten. Das macht sie verwundbar. Gleichzeitig verlaufen durch das Südchinesische Meer die wichtigsten Welthandelsrouten. China hat also ein existenzielles Interesse daran, dieses Seegebiet zu kontrollieren und zu verhindern, dass fremde Mächte – wie die USA – dort intervenieren oder China wirtschaftlich strangulieren.
Milena Preradovic: Mit fremden Mächten haben die Chinesen ja auch viele schlechte Erfahrungen gemacht. Aber kommen wir zurück nach Europa. Der Ukrainekrieg geht weiter. Inzwischen haben die Russen militärisch zwar die Nase vorn, aber eine Entscheidung ist nicht in Sicht. Verhandlungen gibt es – glaube ich – keine ernsthaften. Es wird behauptet, Putin wolle keine, aber im Westen will momentan wohl auch niemand ernsthaft verhandeln. Was sind denn Ihre Prognosen für diesen Krieg?
Jürgen Rose: Ja, Prognosen sind immer schwierig – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Aber in der Tat: Momentan sieht es militärisch so aus, als wären die Russen im Vorteil. Sie rücken im Raum Charkiw vor, setzen die ukrainischen Streitkräfte massiv unter Druck und greifen auch im Donbass weiter an. Dabei gehen sie sehr bedacht vor. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit aller Gewalt eine schnelle Entscheidung auf dem Gefechtsfeld erzwingen wollen.
Jürgen Rose: Es wirkt vielmehr so, als habe sich die Parole unserer Außenministerin – die vom „Ruiniert Russland“ – ins Gegenteil verkehrt. Denn es ist nun der Westen, der sich zusehends selbst ruiniert. Die ukrainischen Streitkräfte haben zu wenig Artilleriemunition. Es wurden großspurige Versprechungen vom Westen gemacht – etwa zur Lieferung von Granaten –, die nicht eingehalten wurden. Die USA produzieren selbst kein TNT mehr, den Sprengstoff für Granaten. Sie müssen das irgendwo – wahrscheinlich in Asien – herstellen lassen und importieren. Und man muss erst wieder Produktionslinien aufbauen. Die privatwirtschaftlich organisierte Rüstungsindustrie macht das aber nicht aus Nächstenliebe, sondern nur gegen Cash – und vor allem gegen feste Abnahmegarantien.
Jürgen Rose: Es werden keine Rüstungsfabriken hochgezogen, wenn in zwei Jahren der Krieg zu Ende sein könnte und dann alles verschrottet werden muss – auf Kosten der Investoren. Das funktioniert nicht. Rüstungsproduktion ist heute in weiten Teilen immer noch Manufakturarbeit. Im Zweiten Weltkrieg hatten die USA riesige Fabriken, wo strategische Bomber und Jagdflugzeuge im Fließbandverfahren hergestellt wurden. Das ist heute nicht mehr so. Die Produktionszahlen sind klein, die Belegschaften entsprechend angepasst, und wenn man das steigern will, braucht es massive Investitionen – die jemand bezahlen muss. Ohne staatliche Abnahmegarantien läuft da nichts.
Jürgen Rose: Auch personell sind die Russen im Vorteil. Sie haben deutlich mehr Soldaten mobilisiert. Während in der Ukraine bereits die x-te Mobilisierungswelle läuft und man krampfhaft versucht, 500.000 Mann zusammenzukratzen – inklusive der Rückführung Geflüchteter aus Polen, den baltischen Staaten und anderen Teilen Europas –, hatten die Russen nur eine einzige Mobilisierungswelle Ende 2022, Anfang 2023 mit 300.000 Mann. Und sie gehen auch sehr schonend mit ihren Kräften um. Sie nutzen ihre materielle Überlegenheit. Den Ukrainern gehen derweil die Luftabwehrraketen aus. Das ist logisch: Wenn ich eine 20.000-Euro-Drohne mit einer Rakete für 500.000 Dollar abschieße, ist das ökonomisch irgendwann Wahnsinn. Das wissen die Russen auch – und sie sitzen derzeit am längeren Hebel. Ihr Motto scheint: „Ihr im Westen habt die Uhren, wir in Moskau haben die Zeit.“ Und sie können einfach abwarten.
Milena Preradovic: Ich habe tatsächlich gelesen, Putins Strategie sei es, den Krieg einfach so lange weiterlaufen zu lassen, bis der Westen die Lust verliert – weil er sieht, dass er nicht gewinnen kann und keine größere Eskalation will. Und dass dann am Ende der Westen die Ukraine fallen lässt.
Jürgen Rose: Ja, es gibt eine RAND-Studie – ich glaube, sie stammt von letztem Jahr – die das ganz nüchtern analysiert hat. RAND ist ein sehr wichtiger US-Thinktank, der die Regierung berät. Und diese Studie kam zu dem Ergebnis: Ein langer Krieg liegt nicht im Interesse der USA. Wenn ich jetzt Stratege in Moskau wäre und solche Studien lese – die ja frei zugänglich sind –, würde ich sagen: Dann gestalten wir den Krieg so lange wie möglich.
Jürgen Rose: In diesen Krieg sind ja bereits irrwitzige Milliardensummen vom Westen investiert worden. Die Ukraine gehört längst nicht mehr nur den Ukrainern. Große Agrarflächen und andere Ressourcen sind in westlicher Konzernhand. Und die westlichen Waffenlieferungen und Unterstützungsleistungen an die Ukraine sind ja keineswegs „Freibier“. Sie laufen unter dem Prinzip „Lend and Lease“ – das hatten wir schon im Zweiten Weltkrieg. Damals unterstützten die USA das britische Empire mit Rüstungslieferungen auf Kredit. Die letzte Rate dieser Schulden hat Großbritannien übrigens erst 2006 bezahlt – also 60 Jahre später.
Jürgen Rose: Und man kann sich ernsthaft fragen: Wie lange wird die Ukraine an den Krediten zahlen, die sie jetzt vom Westen bekommt? Vor allem dann, wenn das Land stark zerstört ist, große Teile der Wirtschaft weggebrochen sind. Dann ist nichts mit Frieden, Freiheit, Marktwirtschaft und Sozialstaat – dann ist Schuldknechtschaft angesagt.
Milena Preradovic: Die Ukraine muss ja wieder aufgebaut werden – und da wird natürlich auch ordentlich kassiert.
Jürgen Rose: Da können sich westliche Konzerne natürlich freuen. Zum Beispiel sollen im Nordwesten der Ukraine, in Riina, neue Atomkraftwerksblöcke gebaut werden. Und jetzt kann man sich mal fragen: Wer baut die wohl? Es ist nicht France Atom, sondern natürlich General Electric. Denn wer am meisten Geld in die Ukraine pumpt, der holt auch am meisten wieder raus. So wird das laufen – oder soll es zumindest. Die Frage ist nur: Wie lange machen die westlichen Gesellschaften das mit?
Jürgen Rose: Wenn dann bei uns gesagt wird: Kampfpanzer für die Ukraine sind wichtiger als Kindertagesstätten – müsst ihr verstehen, nicht wahr? – oder: Soldaten sind wichtiger als Krankenpfleger, Altenpfleger oder Kinderbetreuer. Irgendwann kommt auch die Bevölkerung hier auf den Gedanken, dass diese Kriegspolitik, die unsere Staaten derzeit betreiben, ein Ende haben muss – vor allem, wenn sie die Möglichkeit hat, das an der Wahlurne auszudrücken. Und dann könnten tatsächlich auch Verhandlungen beginnen.
Jürgen Rose: Schauen wir auf die Kriegsziele: Putin hat zu Beginn gesagt, es gehe um Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine. Entnazifizierung bezog sich auf den großen Einfluss rechtsradikaler Kräfte in der Regierung in Kiew – der Putsch 2014 war ja auch von rechtsextremen Gruppen getragen. Aber dieser Einfluss endete danach nicht. Der Begriff Entnazifizierung ist allerdings insofern irreführend, als die Ukraine ja keine Vernichtungslager für Russen geplant hatte. Der Begriff war aus innenpolitischen Gründen gewählt – er ist letztlich falsch und hat sich für Russland als kommunikatives Eigentor erwiesen.
Jürgen Rose: Das zweite Ziel, die Entmilitarisierung, findet derzeit tatsächlich statt – nämlich als systematische Zerschlagung der ukrainischen Streitkräfte, sodass sie nicht mehr offensiv gegen Russland agieren können. Aus meiner Sicht ist das auch verbunden mit dem Ziel, ehemals zaristische Gebiete der Ukraine wieder unter russische Kontrolle zu bringen – angefangen im Nordosten mit dem Oblast Charkiw, über Luhansk, Donezk, Saporischschja, Mykolajiw bis hin zu Odessa. Odessa ist eine russisch geprägte Stadt – und Russland wird, so meine Prognose, versuchen, dort auch territorial Fakten zu schaffen.
Jürgen Rose: Was Russland nach meiner Einschätzung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht beabsichtigt, ist, die gesamte Ukraine zu erobern. Das wäre Wahnsinn. Dann hätten sie es mit einer Guerillabewegung zu tun – vor allem aus Galizien, aus dem sogenannten „Banderastan“. Dort stehen Hunderte Denkmäler für Stepan Bandera, diesen ukrainischen Obernazi, der mit Hitler kollaborierte, Hunderttausende Juden und Polen auf dem Gewissen hat, und sogar den polnischen Innenminister ermorden ließ. Diese Leute haben bis heute großen Einfluss in Kiew – und mit denen will sich Russland sicherlich nicht einlassen und das Risiko eines endlosen Guerillakriegs eingehen.
Jürgen Rose: Hinzu kommt, dass es auf amerikanischer Seite drei sogenannte No’s von Präsident Biden gibt: keine neue Eskalation, keine territoriale Ausweitung – also den Krieg nicht auf Russland ausdehnen – und keine nukleare Eskalation. Das sind die Kerninteressen der USA. Und natürlich finden hinter den Kulissen Gespräche statt – davon kann man ausgehen. Vielleicht wird unser Altkanzler Gerhard Schröder noch einmal gebraucht. Er hat ja ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu Wladimir Putin – das könnte noch nützlich werden. Was jedoch nicht stattfindet, sind offizielle Verhandlungen. Dabei waren diese 2022 schon weit fortgeschritten.
Jürgen Rose: Im März 2022 lag ein paraphiertes Waffenstillstandsabkommen auf dem Tisch. Die Hauptpunkte: Die Russen ziehen sich auf die Linien vom 23. Februar zurück – also auf die Vorkriegslinien – und die Ukraine bleibt neutral. Alles Weitere sollte dann weiter ausgehandelt werden. Der Knackpunkt: Die Ukraine forderte Sicherheitsgarantien – und der Westen war nicht bereit, diese zu geben. Die Verhandlungen liefen also weitgehend einvernehmlich – allerdings zulasten Dritter. Denn die Ukraine sagte: Ja, wir machen einen Waffenstillstand – aber jemand muss ihn garantieren. Doch der Westen wollte nicht. Im Gegenteil: Man wollte, dass der Krieg weitergeht – schließlich ging es ja darum, Russland zu ruinieren.
Jürgen Rose: Und dann kam am 9. März der damalige britische Premierminister Boris Johnson nach Kiew, traf sich mit Selenskyj und sagte sinngemäß: „Hört mal zu – seid ihr verrückt geworden? Seit acht Jahren pumpen wir Milliarden von Euros und Dollars in euer Land, um eure Streitkräfte auszubilden und auszurüsten. Und jetzt, nach zwei Wochen Krieg, wollt ihr kapitulieren? Kommt überhaupt nicht infrage. Ihr kämpft gefälligst weiter.“
Milena Preradovic: Zynisch.
Jürgen Rose: Ja, natürlich. Und dann – welch Wunder – passierten die Vorfälle in Butscha. Das ist sehr auffällig, wenn man in die Geschichte zurückblickt – etwa auf den Jugoslawienkrieg. Damals war es das sogenannte Massaker von Racak, das als Auslöser für den NATO-Angriff auf Jugoslawien diente.
Milena Preradovic: Das war ein inszeniertes Massaker – wie man später wusste.
Jürgen Rose: Ja. Und genau das meine ich. Es ist auffällig, dass – analog zum Fall Racak – ein ähnlicher Vorgang in der Ukraine dazu führte, dass die Verhandlungen Knall auf Fall abgebrochen wurden und bis heute nicht wieder aufgenommen wurden.
Jürgen Rose: Und heute ist es so: Selenskyj hat in Kiew ein Gesetz verabschieden lassen, das Verhandlungen mit Russland unter Strafe stellt. Er müsste sich also selbst verhaften lassen, wenn er jetzt mit Putin verhandeln wollte. Und die russische Regierung – also Putin – sagt: Aus unserer Sicht besteht aktuell kein Anlass, über irgendetwas zu verhandeln.
Jürgen Rose: Wir steuern auf eine Situation zu, die Jürgen Habermas schon 2022 beschrieben hat: Es besteht die Gefahr, dass man sich zwischen zwei Optionen entscheiden muss. Entweder man eskaliert militärisch weiter – was den Dritten Weltkrieg und einen möglichen Atomkrieg bedeuten würde –, oder aber man zwingt die Ukraine, den neuen Status quo zu akzeptieren. Letzteres würde einer Kapitulation gleichkommen. Und genau auf dieses Szenario scheinen wir zuzusteuern – wenn es der Ukraine nicht gelingt, genügend Personal zu mobilisieren und der Westen nicht genügend Waffen liefert. Dann wird die Ukraine in eine Situation geraten wie Deutschland 1945: Dann wird sie gezwungen sein, um Waffenstillstand zu betteln – und alles zu unterschreiben, was Moskau verlangt.
Milena Preradovic: Was nach so vielen Tausenden von Toten, die es gar nicht hätte geben müssen, letztlich auf dem Tisch lag… Aber jetzt kommen wir zum Schluss noch zu einem Thema, das Sie auch sehr umtreibt. Wir haben ja schon gesagt: Abrüstung ist out, Aufrüstung ist in. Es wird mit allen möglichen neuen Waffen aufgerüstet. Eine neue Waffengattung sind die Hyperschallwaffen – das ist, glaube ich, ein Lieblingsthema von Ihnen. Was genau sind Hyperschallwaffen? Was sind ihre Vorteile – außer, dass sie, dem Namen nach, wahrscheinlich sehr schnell sind?
Jürgen Rose: Ja, sie sind nicht nur sehr schnell – sie sind extrem schnell. Hyperschallwaffen existieren im Grunde genommen schon seit dem Kalten Krieg. Interkontinentalraketen, die im Kriegsfall zwischen der Sowjetunion und den USA geflogen wären, treten mit etwa 22-facher Schallgeschwindigkeit in die Atmosphäre ein – und waren damals nahezu nicht abfangbar. Sowohl die Amerikaner als auch die Russen haben damals sogenannte ABM-Systeme entwickelt – also Antiballistic Missile Systems. Dabei kam es zu Kollisionsgeschwindigkeiten von bis zu 30-facher Schallgeschwindigkeit – technisch extrem schwierig.
Jürgen Rose: Man hat das sinnbildlich oft so beschrieben: Der Versuch, eine Gewehrkugel mit einer Gewehrkugel zu treffen. Das funktionierte damals kaum – und genau dieser Gedanke wird jetzt wieder aufgegriffen. In der Ukraine kann man derzeit gut beobachten, wie effektiv moderne Flug- und Raketenabwehrsysteme wie Patriot oder auf russischer Seite S-300, S-400 tatsächlich sind. Sie können nicht nur Flugzeuge und Hubschrauber, sondern auch ballistische Raketen abwehren.
Jürgen Rose: Die Amerikaner haben in den letzten Jahrzehnten nie aufgehört, an solchen Raketenabwehrsystemen zu arbeiten – sehr zum Ärger der Russen. Diese Systeme sind heute in der Lage, mit konventionellen Mitteln, also ohne nukleare Sprengköpfe, russische Raketen gezielt zu zerstören. Und dann stellt sich in Russland natürlich die Frage: Wie sichern wir unsere nukleare Abschreckung? Wie stellen wir sicher, dass unsere Raketen ihr Ziel erreichen – trotz aller Abwehrmaßnahmen?
Jürgen Rose: Die Antwort lautet: Hyperschallwaffen. Im Gegensatz zu klassischen Interkontinentalraketen, die den Weltraum durchqueren und dann wieder in die Atmosphäre eintreten, fliegen Hyperschallwaffen in sehr geringer Höhe – damit sie möglichst spät entdeckt werden – und mit extrem hoher Geschwindigkeit. Man spricht von etwa 12-facher Schallgeschwindigkeit. Es gibt verschiedene Technologien: Etwa sogenannte Gleitflugkörper, die an den Rand der Atmosphäre geschossen werden und von dort mit hoher Geschwindigkeit zum Ziel gleiten. Oder Marschflugkörper – mit Staustrahlantrieb, wie ihn schon die deutsche V1 im Zweiten Weltkrieg hatte.
Jürgen Rose: Die Russen haben etwa das System „Zirkon“ entwickelt. Auch die Chinesen verfügen über entsprechende Technologien. Die Amerikaner hinken bei dieser Entwicklung noch etwas hinterher, arbeiten aber unter anderem an einem System namens „Dark Eagle“ – offiziell Long Range Hypersonic Weapon. Problematisch ist das, weil die Reaktionszeiten bei einem Angriff gegen null gehen. Das bedeutet: Der Angreifer kann mit einem sogenannten Enthauptungsschlag den Gegner treffen – bevor dieser überhaupt reagieren kann.
Jürgen Rose: Das war übrigens auch einer der Hauptgründe, warum Russland in die Ukraine einmarschiert ist: Ein NATO-Beitritt der Ukraine hätte es den USA ermöglicht, Hyperschallwaffen direkt vor den Toren Moskaus zu stationieren – ähnlich wie sie bereits andere Systeme in Polen und Rumänien installiert haben. Charkiw liegt nur etwa 500 Kilometer von Moskau entfernt – eine Hyperschallrakete wäre in zwei bis drei Minuten dort.
Milena Preradovic: In Deutschland sollen ja auch solche US-Systeme stationiert werden, sobald sie einsatzbereit sind. Das wären dann zehn Minuten bis Moskau. Damit wäre Deutschland ein Ziel, oder?
Jürgen Rose: Ja, das wäre eine extrem kurze Vorwarnzeit – und damit eine hochriskante Lage. Aus meiner Sicht sollte man eine solche Stationierung unbedingt vermeiden. Die Bundesregierung könnte das verhindern, indem sie ihre Zustimmung verweigert. Noch sind diese Systeme nicht voll einsatzbereit. Es gab Testläufe – einige erfolgreich, andere nicht. Aber es sieht danach aus, dass die USA sie tatsächlich in Deutschland stationieren wollen – in der Nähe von Grafenwöhr.
Jürgen Rose: In Wiesbaden wurde bereits das 56. Artilleriekommando wieder aktiviert – das war schon im Kalten Krieg zuständig für die Pershing-II-Raketen und die Cruise Missiles. Dass ausgerechnet dieses Kommando jetzt wieder in Betrieb genommen wird, ist aufschlussreich. Es geht um den Aufbau sogenannter „Multi-Domain Task Forces“, also Kampfverbände, die mit verschiedenen Systemen ausgestattet sind – darunter auch das bekannte HIMARS-System, das in der Ukraine eingesetzt wird, sowie die neuen Dark-Eagle-Waffen und ein weiteres, bisher nicht näher benanntes System für mittlere Reichweiten.
Jürgen Rose: Das alles wird Europa militärisch extrem destabilisieren. Eine Stationierung solcher Systeme wird Moskau früher oder später dazu zwingen, Präventivüberlegungen anzustellen – nach dem Motto: Wir müssen zuerst zuschlagen, um die Gefahr auszuschalten, bevor die Amerikaner von deutschem Boden aus losschlagen können. Das ist, wie ich finde, eine existenzielle Bedrohung für Deutschland.
Milena Preradovic: Ja, ich finde, man sollte darüber wirklich noch mal gut nachdenken. Vielen Dank, Jürgen Rose, für dieses ausgesprochen erhellende Gespräch. Ich habe selten so viel gelernt. Danke, dass Sie da waren.
Jürgen Rose: Sehr gerne. Hat mich gefreut – hat Spaß gemacht. Alles Gute weiterhin!
Milena Preradovic: Danke – Ihnen auch. Tja Leute, das Spiel mit dem Krieg ist ein gefährliches. Ganz sicher ist es für Land und Menschen wenig hilfreich, wenn immer mehr Steuergelder in Waffen fließen. Nach so langer Zeit des Friedens bei uns können wir uns Krieg kaum mehr vorstellen – aber das konnten die meisten Menschen bis Juli 1914 auch nicht. Und dann war er trotzdem da. Ich will nicht unken – aber wer Frieden will, sollte das jetzt laut sagen. Wenn alle schweigen, haben immer die Profiteure leichtes Spiel. Ich wünsche euch eine gute Zeit – bis bald.
Interview with Jürgen Rose (english)
Milena Preradovic: If you listen to the German defense minister, we are on the brink of war, and Putin is planning to invade NATO countries next. Unimpressed by budget problems, Pistorius is demanding more and more billions for Ukraine, and he wants to make Germany fit for war. Conscription is to be reintroduced, and even children are to be prepared for war in school. Peace in Ukraine is not an option, only victory over Russia. This is no longer the country that stood for détente and mediation for decades. And many are asking themselves: Where is this leading – and who is calling the shots? Now at Punkt.Preradovic. Hello Jürgen Rose, nice to have you here.
Jürgen Rose: Greetings from Munich.
Milena Preradovic: The Ossiacher See sends its regards. Let me introduce you briefly: You are a retired lieutenant colonel in the German Armed Forces, a certified educator, and a journalist. You enlisted in the Air Force as an officer cadet in 1978, trained in the US, among other places, studied education at the University of the German Armed Forces in Munich, and held many positions, including that of instructor. As early as 1997, you spoke out publicly against compulsory military service, which caused you a lot of trouble and resulted in your transfer. And the trouble continued: in 2007, you became the first German soldier to refuse to participate in the Tornado mission in Afghanistan on grounds of conscience. Since then, you have expressed your critical views on security, defense, and foreign policy in numerous publications. And you are a board member of the Förderkreis Darmstädter Signal, an association of critical officers and soldiers who are close to the peace movement. So, you spoke out against compulsory military service back in the 1990s, and now it’s being discussed again. Is it even legally possible to reintroduce it?
Jürgen Rose: Yes, legally it’s not a problem at all, because conscription wasn’t abolished, it was only suspended by a Bundestag resolution in 2010. This means that, in principle, the Bundestag could pass a resolution to reintroduce so-called universal conscription with a simple majority. However, it should be borne in mind that there were good reasons for suspending conscription at the time. I already explained this in 1997 in a well-known radical left-wing barricade newspaper in our republic – better known as the Frankfurter Allgemeine Zeitung. At the time, I wrote: “Universal conscription is no longer tenable.” The later defense minister, von und zu Guttenberg, also recognized this, because he suspended conscription for young men with almost identical arguments. The discussion is now moving toward conscription for both men and women. And that will be very interesting—with an average annual cohort of around 800,000 young men and women who would first have to be screened and then made available for military service—or not.
Milena Preradovic: But compulsory military service must be justified on security grounds. Can that be justified?
Jürgen Rose: Yes, indeed. Back then – in 1995, if I remember correctly – the former president of the Federal Constitutional Court and later Federal President Roman Herzog said this at a commanders‘ conference here in Munich.
He said that this serious encroachment on the freedom of young men, which compulsory military service entails – sociologist Ralf Dahrendorf spoke of a mild form of forced labor – must be necessary for security reasons. The security situation must justify this encroachment, Herzog said at the time. That was very interesting because at that time, the White Paper already stated that Germany was surrounded only by friends – by friendly nations. This meant that the fundamental justification for this infringement of freedom – namely, an existential security emergency – had essentially disappeared with the collapse of the Warsaw Pact and the dissolution of the Soviet Union.
Today, it is claimed that the enemy is in the East and that the demon Putin is just waiting—with a dagger between his teeth—to invade Europe as a whole and NATO and advance to the Atlantic. This is being painted as a threat scenario – but that is, of course, utter nonsense. In my view, there is no security threat that would necessitate a return to conscription. One would have to accuse the Russian government of suicidal intentions if, beyond the war in Ukraine, it now wanted to attack the rest of NATO. NATO spends 15 times as much on armaments, has three times as many soldiers and heavy weapons systems – it is far superior to the Russian Federation. From Moscow’s point of view, it would be suicidal to attack NATO. And therefore—since, in my view, this security threat does not exist—there is no justification whatsoever for reintroducing compulsory military service in any form.
Milena Preradovic: So it would be illegal?
Jürgen Rose: Yes, but that would have to be clarified by the Federal Constitutional Court. In the past, there have been several cases before the Constitutional Court, and the court has generally approved compulsory military service on the grounds that the state and the legal system depend on the assistance of citizens in order to be defended. The fundamental norm of our Basic Law—human dignity—obliges the state to respect and protect it. The state can only fulfill this obligation to protect if it calls on its citizens. So, in principle, compulsory military service is justified – also under international law. International law prohibits forced labor and compulsory service, but compulsory military service is expressly exempt from this – precisely because there is no other way.
Conversely, however, this means that if there is another way—if the state can fulfill its duty to protect its citizens with less coercion—then its legitimacy ceases to exist. And in my opinion, that is exactly the situation we find ourselves in at the moment. We have a volunteer army of temporary and professional soldiers, and this army—in cooperation with our NATO partners—is capable of fulfilling our duty to protect our citizens.
Jürgen Rose: And what the Constitutional Court said in addition to this in the final phase of conscription 15 years ago is that a sufficient degree of fairness in military service must be guaranteed. This means that it must not be a lottery or depend on chance whether a young person is called up for military service or not. However, this was the situation towards the end of compulsory military service – i.e., in the early 2000s. The KDV organizations, i.e., those that advise conscientious objectors, told potential objectors: “Wait and see whether you receive a draft notice and whether you will be called up.” This was because more than 50% of young men were not called up at all. The probability of being among the 50% who were randomly exempted from any obligation was very high – and you could still refuse if you actually received a draft notice.
And this problem would be even greater today because, as already mentioned, there are 800,000 potential conscripts, both men and women. The Bundeswehr could never cope with that. Nor could the organizations that might be interested in civilian service.
Milena Preradovic: How do the other NATO countries deal with military service?
Jürgen Rose: Most other countries have suspended or abolished compulsory military service, as we have. France, for example, has no compulsory military service, but a volunteer army. That was quite interesting: I believe it was the then President Chirac who, quite unexpectedly and without any consultation—for example, with Germany—suddenly suspended compulsory military service in France. He was able to do so by virtue of his presidential powers. That’s not so easy in our country. There are other countries, such as Sweden, Norway, and Denmark, which have compulsory military service, in some cases for both men and women. There, it is decided by lottery. It’s a roulette system. And that is what is currently being debated in Germany again—the introduction of a so-called selective compulsory military service. This is usually linked to the idea that a general compulsory service, i.e., a year of social service, could be introduced. Then young people—men and women—could decide whether to serve in the armed forces or elsewhere. This is not feasible under our constitution—keyword: equality in military service. Because it would have to be guaranteed that everyone who is liable for military service actually performs some form of service.
Jürgen Rose: And I would like to see how, as you say, 800,000 young men and women in the Federal Republic of Germany are to be accommodated in the army or in civilian organizations. Although it must be admitted that a certain proportion of this number would be excluded because they would simply not be fit for service. There are selection criteria—you can’t fight very well with a one-legged soldier. So people who are physically or mentally impaired would not need to serve, of course. That’s based on experience from the last phase of military service – it was perhaps ten to thirteen percent. That still leaves well over 700,000 young men and women. And the entire organization no longer exists. There are no more district military recruitment offices – they have all been abolished. The properties, if they still exist at all, have been rented out or sold somewhere else. In Germany, a complete military registration infrastructure would first have to be rebuilt. The Bundeswehr barracks have also been reduced to the size necessary for the current Bundeswehr, with a target strength of around 200,000 soldiers. The properties are also measured accordingly. If the Bundeswehr suddenly doubled in size…
Jürgen Rose: During the Cold War, we had 495,000 soldiers – conscripts, temporary and professional soldiers. Then you would need, roughly speaking, twice as many barracks. When? Where would they be built – and with what workforce? Then you would have to train half a million conscripts – young men and women – somehow every year. There aren’t enough trainers. So the most effective way to undermine the Bundeswehr’s “warfare capabilities,” as they say, or to put it more moderately, its ability to engage in a larger conventional military conflict, would be to call for the reintroduction of conscription. Then the Bundeswehr would be busy for at least ten years just dealing with itself: with integrating hundreds of thousands of conscripts and training them. You only have to look back at history: the Bundeswehr was founded in 1955, and it took almost 15 years for it to reach its target strength. At that time, there were twelve army divisions – just for the land forces. You can’t do that overnight. The personnel and material infrastructure are simply not available.
Milena Preradovic: So conscription would actually destroy the Bundeswehr?
Jürgen Rose: In my view, reintroducing universal conscription would seriously weaken the armed forces and should be taken very seriously. That is why the BMVg is considering introducing selective conscription based on the Scandinavian model. This means that the Ministry of Defense would determine how many conscripts it would like to have and how many it can actually recruit and train. This number is then selected from the total pool of those who are available. And the rest? The Bundeswehr is no longer interested in them. Society will then have to see how it copes with this. And of course, that cannot work. It is also interesting to note that surveys show that only a minority of the younger generation agree with such a plan. Meanwhile, older people—who would no longer be affected or have already completed their military service, like me, for example—can of course imagine it quite well. That’s obvious: if I’m not affected myself and others have to bear the burden, I can live with that just fine.
Milena Preradovic: That’s exactly what you call gratuitous courage.
Jürgen Rose: Yes, exactly. That’s understandable, of course. But this shows how questionable such constructs are in terms of legitimacy. And as I said, my prediction is that if this were attempted, it would fail in Karlsruhe—before the Constitutional Court—at the latest. And we haven’t even talked about the costs yet. The defense minister is demanding, regardless of Mr. Lindner’s specifications, that he be exempted from any cuts in the federal budget. On the contrary, he is demanding an additional six billion euros. And that’s for the Bundeswehr as it currently stands. If he wants to reintroduce conscription, he can add at least another ten billion to that. That would then add up to around 16 billion euros that he would need for the coming budgets. Yes, I can only say, have fun discussing that with the finance minister.
Milena Preradovic: Yes, but with this volunteer army that Germany has, there is constant talk about the desolate state of the Bundeswehr – that nothing really works. As a former officer, how do you see this? What has been neglected?
Jürgen Rose: Of course, I have not been actively serving since 2010, so for 14 years.
Milena Preradovic: But you know people there.
Jürgen Rose: Yes, I still know people. I still go to the neighboring barracks to train in the gym. There you meet younger comrades from time to time and talk to them. Nevertheless, it’s difficult to assess. There’s a nice saying in English: “To use the worst possible threat to get the best possible budget.”
So you paint the biggest possible threat on the wall in order to get the biggest possible budget – as much money as possible – for your own organization. You have to see that too. There’s a lot of doom and gloom. The question is also: What are my expectations? What is my mission?
Jürgen Rose: Since the end of the Cold War, there has been a complete shift in the mission. Suddenly, it was no longer about national defense or alliance defense—that was no longer so important, it was “out of fashion.” We were surrounded by friends. Relations with Russia had been very relaxed for many years—at least that’s how it was seen. And then people said: We need a new mission, otherwise people might get the idea that we don’t actually need an army anymore. Manfred Wörner once summed it up as: “Out of area or out of business.” So we have to act internationally – with NATO – otherwise we’ll make ourselves redundant. The structures of the Bundeswehr were then adapted to this new mission. Of course, that took several years – organizations like the military are not easy to change. But it was successful. Until recently, the Bundeswehr was active in many international missions. We’re not talking about their success in terms of security policy – but the restructuring was completed.
Jürgen Rose: However, this was at the expense of the mission of defending the country and the alliance, which was increasingly seen as outdated. Now, however, we are faced with the problem that there is another shift – out of the frying pan and into the fire. Now, the country and the alliance are to be defended again. It’s clear that the Bundeswehr is not optimally positioned for this. And when you look at the war in Ukraine, the question arises anyway: if the old structures had been retained, wouldn’t the Bundeswehr also be outdated? Because we are seeing developments there that are remarkable and will require enormous adjustments in terms of technology, procedures, and operations.
Milena Preradovic: You just mentioned doom and gloom. German politicians and military leaders are currently engaged in a veritable arms race. There are even calls for children to be taught how to fight in schools. German generals are discussing attacks on targets in Crimea, which Russia considers part of its territory. Is this just doom-mongering to get more money, or are you concerned about this new bellicosity?
Jürgen Rose: It’s very worrying. The lesson we learned from the devastating war and militarism policies of the 20th century in Germany was: “Never again Auschwitz, never again war.” And now a new bellicosity is returning to Germany. It is even the case that certain people label those who adhere to the idea of peace or are close to the peace movement as “lumpen or vulgar pacifists.” I call such people rogue warmongers, and I find this extremely worrying. A well-known social scientist and philosopher of the Weimar period once spoke of the “belief in the sword” that prevailed at the time. This belief originated in Wilhelmine Germany and persisted into the Weimar Republic, before escalating completely in the Third Reich. The total collapse in 1945 did indeed bring about a significant rethink in Germany. The Germans largely abandoned this belief in the sword and were healed.
Jürgen Rose: In 1955, it was also very difficult with the Bundeswehr, because there was a very strong “not with me” movement. Large sections of the German population rejected the remilitarization of Germany. This was then pushed through against the resistance of large sections of the population. And in the first decades of its existence, the Bundeswehr had considerable problems in terms of social acceptance and recognition. That has changed again in the meantime. Because fear of the “evil enemy in the East” is, of course, an excellent tool for politics—for one’s own interests.
Jürgen Rose: And when you ask: Cui bono?—who benefits? Then you realize who benefits from this bellicose policy – and that is first and foremost the large arms companies worldwide. SIPRI recently published figures showing that military spending – which is always dressed up as “defense spending” – has reached dizzying heights, higher than ever before in human history. And the majority of this spending is concentrated in NATO countries. I deliberately say “NATO countries” because Australia, New Zealand, Japan, South Korea, and other Asian allies have now joined the traditional NATO alliance. These will become increasingly important in the future – we may come back to this later. NATO is no longer a purely North Atlantic defense or security alliance, but a globally active military alliance that is increasingly taking offensive action – in the form of wars of aggression – and has done so in the past.
Milena Preradovic: Yes. In your lecture, which I watched, you mentioned that even Henry Kissinger – who, as you say, was not exactly a dove of peace – criticized NATO after its attack on Yugoslavia in 1999, saying that NATO had abandoned its self-definition as a defensive coalition. And he warned of a world in which “virtue runs amok.”
Have we already arrived at that point? Jürgen Rose: Yes, we have definitely arrived at that point. You can say what you like about Henry Kissinger—this criminal of international law who supported a right-wing coup in Chile and illegally bombed Cambodia and Laos. But he was a real politician, an incredibly analytical mind. And his prediction has come true one hundred percent.
Incidentally, a German journalist, Michael Lüders, recently…
Milena Preradovic: A very welcome guest on this podcast.
Jürgen Rose: Yes, I also hold him in high regard. I used to read him as a writer in Die Zeit – and then he was dismissed by Mr. Joffe, the editor, because he wrote too objectively about the Palestinian conflict. But that’s just an aside. Some time ago, he published a little book: Moral über alles (Morality Above All Else). In it, he essentially corroborates Kissinger’s diagnosis with lots of figures, data, and facts about German foreign policy in the context of the current war in Ukraine. This development is extremely worrying. We are witnessing a departure from interest-driven realpolitik, which ultimately requires that when pursuing one’s own interests internationally, one must always take into account the interests of one’s counterpart. Otherwise, one runs the risk of violent conflict and shipwreck. The moralists in foreign policy clearly don’t care about that.
Jürgen Rose: You can see this very clearly at the moment in the example of our foreign minister, who is traveling around the world to the great amusement of those who receive her. She has demanded: “We will ruin Russia,” “We will support Ukraine until the final victory,” “We will supply the new wonder weapons” – keyword Taurus. Everything that is happening is completely bizarre and absurd – and, of course, extremely dangerous.
Jürgen Rose: We are walking on the brink of nuclear war in Europe—and worldwide. Because there is a nuclear-armed superpower, namely Russia, directly involved in acts of war with a state that does not possess nuclear weapons and is not a member of a formal alliance, namely Ukraine. In fact, however, NATO is waging war in Ukraine—with the help of the Ukrainian armed forces. NATO has knowingly accepted this war, even provoked it. The Secretary General himself has admitted that there will be no negotiations with Putin, i.e. with the Russian government. The reason Putin is waging war is NATO’s eastward expansion – and he has now got what he wanted in the form of Sweden and Finland’s accession. And we are continuing with this policy – whatever the cost.
Jürgen Rose: I call that cynical and inhumane. Because the bill for this insane policy pursued by NATO – primarily from Washington and London, but also from Warsaw and the Baltic states – will be paid first and foremost by the people of Ukraine: the soldiers, but also the civilian population. And, of course, the young Russian men and women who are being sent to their deaths, to be wounded and maimed.
Milena Preradovic: Yes, there is still a misconception in Germany, perpetuated by the media, that Putin is a madman modeled on Hitler – or something like that – and that there is no history behind this. But Putin has been warning for about 30 years – or not quite, but for 20 to 24 years – about further NATO expansion to the east, especially about Ukraine joining NATO. And all his warnings were completely ignored. And Putin’s reaction was also predicted by many high-ranking US experts – I think I saw that in your program too – such as the then CIA director Burns back in 2008. And before Putin invaded Ukraine, he actually wanted to talk to US President Biden. He refused. Yes, and then he invaded. And the peace negotiations in Istanbul in 2022, after a few weeks of war, were boycotted by Boris Johnson. What is the goal of the West, of NATO, in this war?
Jürgen Rose: Let’s go back to your question. It wasn’t just Putin who criticized this; it was already an issue under Yeltsin. The point was that the end of the Cold War, which had been initiated by Gorbachev and Shevardnadze, was accepted by NATO. In 1990, NATO declared the Cold War over. The Charter of Paris for a New Europe was signed, and the signs pointed to cooperation between the West and the former Soviet Union. It was precisely this phase that made it possible for Germany to be reunited—that is, for the GDR to join the Federal Republic. Incidentally, the background to this was not the philanthropy of Mikhail Gorbachev or Eduard Shevardnadze. Rather, the Americans traveled to Moscow and explained to the Russians that it was in their own interest for the GDR to be integrated into the Western alliance within the framework of NATO – i.e., by joining the Federal Republic. The reasoning was that after World War I, Germany was neutral – and we know what happened then. There was a change of government, a Nazi criminal came to power, rearmed massively, invaded the rest of Europe, and was only stopped in December 1941 at the end of the tram line in Moscow—and later in Stalingrad. Do you want to experience something like that again if you stick to your idea of a neutral Germany? Stalin had already formulated this in his famous note in 1952.
Jürgen Rose: Yes, a neutral Germany as a whole would have been conceivable from the Russian point of view. And what’s more, a reunified but neutral Germany – no longer in NATO and no longer under the nuclear umbrella of the US – could have had the idea of acquiring its own nuclear weapons.
The Russians hesitated at first, then thought about it—and said: Yes, actually, that’s true. Because we know that NATO was founded to keep the Americans in, the Russians out, and the Germans down—in other words, to control Germany. You can read about this in academic literature, for example in the work of US professor Mark Trachtenberg, who has analyzed this in great detail and described it in articles. That was the background to German reunification. And when the Russians agreed in 1990, US policy changed immediately. James Baker had been with Gorbachev and assured him: Not an inch of NATO expansion to the east. But when he was back in Washington and spoke to President George Bush senior, the latter said: What’s all this nonsense? We won the Cold War – of course we’re going to expand NATO.“
Jürgen Rose: The whole process – we could hold a separate seminar on it – then took its course. President Yeltsin protested against these plans, which the US was pushing forward with determination. He even suggested that Russia, or rather the Russian Federation – the Soviet Union no longer existed at that point – could join NATO. He didn’t even get a response. And the relationship between NATO and Russia continued to deteriorate over the years and decades. You may remember: President Putin was in the German Bundestag in 2001. I looked at his speech again. At the time, he said, and I quote: „No one doubts the great value of Europe’s relations with the United States. But I“ – meaning Putin – ”believe that Europe will only consolidate its reputation as a powerful and independent center of world politics in the long term if it combines its own capabilities with Russia’s – human, territorial, and natural resources – as well as with Russia’s economic, cultural, and defense potential.“ Those are Vladimir Putin’s exact words. And he received a standing ovation for this speech. But of course, one has to know how people think in London and Washington.
Milena Preradovic: Alarm! Alarm!
Jürgen Rose: Yes, of course! Because one can quote one of the most important strategic analysts here – namely George Friedman of Stratfor, often referred to as the “shadow CIA.” Friedman once said, and I quote: “The main interest of US foreign policy during the last century – in World War I, World War II, and the Cold War – was the relationship between Germany and Russia. For a century, the main goal of the United States has been to prevent the unique combination of German capital and German technology with Russian raw materials and Russian labor.” That is the real geostrategic line.
Jürgen Rose: And this policy was not invented by the Americans, but by the British – as early as the end of the 19th century. At that time, they did everything they could to destroy Wilhelmine Germany because it was becoming a major competitor for the global hegemony of the British Empire. And here we see the historical analogy: today, it is no longer the British empire but the US empire that is in the process of being run into the ground. At that time, the British Empire’s main adversary was Wilhelmine Germany – a far more powerful Germany than today’s Federal Republic. It was allied with the great power Austria-Hungary, friendly with Turkey, had an alliance pact with Italy – it was by no means isolated, but an enormous power factor on the European continent.
Jürgen Rose: Today, following the developments we outlined at the beginning, Germany is fully integrated into the West. But during the Cold War, the US empire was long opposed by the Soviet empire. The Soviet Union may have collapsed, but the Russian Federation remained. And Madeleine Albright – also a highly questionable figure in international politics – once said, in essence: This is the largest country on earth. How did they come to sit on these enormous resources – oil, gas, minerals – that we need? And she concluded: This must be divided up so that it can be controlled. This is classic British “divide and rule” politics. And London and Washington are still pursuing this policy today.
Jürgen Rose: Added to this are historical sensitivities from European history – for example, in the Baltic republics, in Finland, which, incidentally, once belonged to the Tsarist Empire, and especially in Poland. Today, these states are working together conclusively to weaken Russia or even – as our foreign minister once put it – to “destroy” it. All this is also happening against the backdrop of an escalating confrontation between the US and the People’s Republic of China. Today, in the news, we heard that the Chinese are conducting large-scale military exercises off Taiwan in response to the new president, who is pursuing a policy that Beijing perceives as hostile because it aims at Taiwan’s independence.
Jürgen Rose: And today, once again, you could hear the propaganda resonating in the media. It was explained that Beijing was doing this even though Taiwan had never belonged to the People’s Republic of China. Yes, that is of course correct – Taiwan never belonged to the People’s Republic of China because Chiang Kai-shek and the anti-communists retreated to the island of Taiwan after the civil war in the 1940s, while the Maoists remained in Beijing. But the point is: for centuries, Taiwan belonged to the Chinese Empire. And the Americans also recognized this connection.
Jürgen Rose: In the early 1970s, when Henry Kissinger began establishing diplomatic relations with the communist People’s Republic of China on behalf of Richard Nixon, one of the conditions was that the Chinese demanded legally binding recognition by the US that Taiwan belongs to China. And the US did just that. When people claim today that Taiwan has a right to independence and China has no claim to Taiwan, that is simply a lie. It is propaganda. Of course, that does not mean that Beijing has the right to annex Taiwan by force.
Jürgen Rose: But that is not what they want. China wants to maintain the status quo. This means that the rest of the world accepts in principle that Taiwan belongs to China, and China is pursuing a policy aimed at a diplomatic solution in the future – not a forced military reunification. Furthermore, Taiwan and China are closely intertwined economically. They trade with each other and benefit from each other. So there is no real material interest for Beijing in forcibly reunifying Taiwan. What they want, of course, is influence – and Taiwan is extremely important in geopolitical terms. Together with the Philippines, Japan, and other islands, Taiwan forms a chain, a barrier that prevents China from freely controlling the Pacific.
Jürgen Rose: The Chinese navy has to navigate through narrow straits – even with its nuclear-armed submarines. That makes it vulnerable. At the same time, the most important global trade routes run through the South China Sea. China therefore has an existential interest in controlling this sea area and preventing foreign powers – such as the US – from intervening there or strangling China economically.
Milena Preradovic: The Chinese have had many bad experiences with foreign powers. But let’s get back to Europe. The war in Ukraine continues. The Russians now have the upper hand militarily, but a decision is not in sight. I don’t believe there are any serious negotiations. It is claimed that Putin does not want any, but at the moment, no one in the West seems to want to negotiate seriously either. What is your prognosis for this war?
Jürgen Rose: Yes, prognoses are always difficult – especially when they concern the future. But indeed, at the moment, it looks as if the Russians have the military advantage. They are advancing in the Kharkiv region, putting the Ukrainian armed forces under massive pressure, and continuing their attacks in Donbas. They are proceeding very cautiously. There are no signs that they want to force a quick decision on the battlefield by any means necessary.
Jürgen Rose: It seems more like our foreign minister’s slogan – “ruin Russia” – has backfired. Because now it is the West that is visibly ruining itself. The Ukrainian armed forces have too little artillery ammunition. The West made grandiose promises – such as to supply grenades – that have not been kept. The US no longer produces TNT, the explosive used in grenades. It has to have it manufactured somewhere else – probably in Asia – and import it. And production lines have to be set up again. But the privately organised arms industry is not doing this out of charity, but only for cash – and above all for firm purchase guarantees.
Jürgen Rose: No arms factories are going to be built if the war could be over in two years and then everything has to be scrapped – at the expense of investors. That doesn’t work. Today, arms production is still largely manufacturing work. During World War II, the US had huge factories where strategic bombers and fighter planes were produced on assembly lines. That’s no longer the case today. Production figures are low, the workforce has been adjusted accordingly, and if you want to increase production, you need massive investment – which someone has to pay for. Without government purchase guarantees, nothing will happen.
Jürgen Rose: The Russians also have the advantage in terms of personnel. They have mobilized significantly more soldiers. While Ukraine is already experiencing its umpteenth wave of mobilization and is desperately trying to scrape together 500,000 men – including the repatriation of refugees from Poland, the Baltic states, and other parts of Europe – the Russians had only one wave of mobilization at the end of 2022 and beginning of 2023, with 300,000 men. And they are also using their forces very sparingly. They are exploiting their material superiority. Meanwhile, the Ukrainians are running out of air defense missiles. That’s logical: if I shoot down a $500,000 drone with a $20,000 missile, at some point it becomes economic madness. The Russians know that too – and they currently have the upper hand. Their motto seems to be: “You in the West have the clocks, we in Moscow have the time.” And they can simply wait it out.
Milena Preradovic: I actually read that Putin’s strategy is to simply let the war continue until the West loses interest – because it sees that it cannot win and does not want a major escalation. And that in the end, the West will abandon Ukraine.
Jürgen Rose: Yes, there is a RAND study—I think it was published last year—that analyzed this very soberly. RAND is a very important US think tank that advises the government. And this study came to the conclusion that a long war is not in the US’s interest.
If I were a strategist in Moscow and read such studies – which are freely available – I would say: Let’s prolong the war as long as possible.
Jürgen Rose: The West has already invested insane sums of money in this war. Ukraine no longer belongs to the Ukrainians alone. Large agricultural areas and other resources are in the hands of Western corporations. And Western arms deliveries and support to Ukraine are by no means “free beer.” They operate under the “Lend and Lease” principle, which we already had in World War II. At that time, the US supported the British Empire with arms deliveries on credit. Incidentally, the UK did not pay the last installment of this debt until 2006—60 years later.
Jürgen Rose: And one can seriously ask: How long will Ukraine have to pay back the loans it is now receiving from the West? Especially when the country is heavily destroyed and large parts of the economy have collapsed. Then there will be no peace, freedom, market economy, or welfare state—only debt slavery.
Milena Preradovic: Ukraine will have to be rebuilt, and of course, that will cost a lot of money.
Jürgen Rose: Western corporations can naturally rejoice. For example, new nuclear power plant units are to be built in Riina, in northwestern Ukraine. And now one might ask: Who will build them? It is not France Atom, but of course General Electric. Because whoever pumps the most money into Ukraine will also get the most out of it. That’s how it will work – or at least that’s how it’s supposed to work. The only question is: How long will Western societies go along with this?
Jürgen Rose: When we are told that battle tanks for Ukraine are more important than daycare centers—you have to understand, don’t you?—or that soldiers are more important than nurses, geriatric nurses, or childcare workers. At some point, the population here will also come to the conclusion that the war policy currently being pursued by our states must come to an end – especially if they have the opportunity to express this at the ballot box. And then negotiations could actually begin.
Jürgen Rose: Let’s look at the war aims: Putin said at the beginning that it was about denazification and demilitarization of Ukraine. Denazification referred to the significant influence of right-wing extremist forces in the government in Kiev—the coup in 2014 was also supported by right-wing extremist groups. But this influence did not end after that. However, the term denazification is misleading in that Ukraine had not planned extermination camps for Russians. The term was chosen for domestic political reasons – it is ultimately incorrect and has proved to be a communicative own goal for Russia.
Jürgen Rose: The second goal, demilitarization, is actually taking place at the moment – namely, the systematic dismantling of the Ukrainian armed forces so that they can no longer act offensively against Russia. In my view, this is also linked to the goal of bringing former tsarist territories of Ukraine back under Russian control – starting in the northeast with the Kharkiv Oblast, through Luhansk, Donetsk, Zaporizhzhia, Mykolaiv, and all the way to Odessa. Odessa is a Russian-influenced city – and Russia will, in my prediction, try to establish a territorial presence there as well.
Jürgen Rose: In my opinion, what Russia most likely does not intend to do is to conquer the whole of Ukraine. That would be madness. Then they would be faced with a guerrilla movement – mainly from Galicia, from the so-called “Banderastan.” There are hundreds of monuments to Stepan Bandera, this Ukrainian Nazi leader who collaborated with Hitler, has hundreds of thousands of Jews and Poles on his conscience, and even had the Polish interior minister murdered. These people still have a lot of influence in Kiev today – and Russia certainly doesn’t want to get involved with them and risk an endless guerrilla war.
Jürgen Rose: In addition, there are three so-called “no’s” from President Biden on the American side: no new escalation, no territorial expansion – i.e., no extending the war to Russia – and no nuclear escalation. These are the core interests of the US. And of course, talks are taking place behind the scenes – we can assume that. Perhaps our former chancellor Gerhard Schröder will be needed once again. He has an extremely good relationship with Vladimir Putin – that could still be useful. What is not happening, however, are official negotiations. These were already well advanced in 2022.
Jürgen Rose: In March 2022, a paraphased ceasefire agreement was on the table. The main points: The Russians would withdraw to the lines of February 23 – i.e., the pre-war lines – and Ukraine would remain neutral. Everything else would then be negotiated further. The sticking point: Ukraine demanded security guarantees, and the West was not prepared to give them. So the negotiations were largely amicable, but at the expense of third parties. Because Ukraine said: Yes, we will agree to a ceasefire, but someone has to guarantee it. But the West did not want to. On the contrary, it wanted the war to continue—after all, the goal was to ruin Russia.
Jürgen Rose: And then on March 9, the then British Prime Minister Boris Johnson came to Kiev, met with Zelensky and said, in essence: „Listen, have you gone mad? For eight years we have been pumping billions of euros and dollars into your country to train and equip your armed forces. And now, after two weeks of war, you want to surrender? Out of the question. You’re going to keep fighting.“
Milena Preradovic: Cynical.
Jürgen Rose: Yes, of course. And then – what a surprise – the incidents in Bucha happened. This is very striking when you look back at history – for example, at the Yugoslav War. At that time, it was the so-called Racak massacre that served as the trigger for NATO’s attack on Yugoslavia.
Milena Preradovic: That was a staged massacre – as we later learned.
Jürgen Rose: Yes. And that’s exactly what I mean. It is striking that – analogous to the Racak case – a similar event in Ukraine led to the negotiations being abruptly broken off and not resumed to this day.
Jürgen Rose: And today, Zelensky has passed a law in Kiev that makes negotiations with Russia a criminal offense. So he would have to arrest himself if he wanted to negotiate with Putin now. And the Russian government—that is, Putin—says: From our point of view, there is currently no reason to negotiate anything.
Jürgen Rose: We are heading toward a situation that Jürgen Habermas described back in 2022: There is a danger that we will have to choose between two options. Either we continue to escalate militarily—which would mean World War III and a possible nuclear war—or we force Ukraine to accept the new status quo. The latter would be tantamount to surrender. And this is precisely the scenario we seem to be heading toward—if Ukraine fails to mobilize enough personnel and the West does not supply enough weapons. Ukraine will then find itself in a situation similar to that of Germany in 1945: It will be forced to beg for a ceasefire—and sign whatever Moscow demands.
Milena Preradovic: What ultimately ended up on the table after so many thousands of deaths that could have been avoided… But now let’s conclude with a topic that is also very much on your mind. We’ve already said that disarmament is out and rearmament is in. All kinds of new weapons are being developed. One new type of weapon is hypersonic weapons – I believe this is a favorite topic of yours. What exactly are hypersonic weapons? What are their advantages – apart from the fact that, as the name suggests, they are probably very fast?
Jürgen Rose: Yes, they are not only very fast – they are extremely fast. Hypersonic weapons have basically existed since the Cold War. Intercontinental missiles that would have been launched in the event of war between the Soviet Union and the US enter the atmosphere at around 22 times the speed of sound – and were virtually impossible to intercept at the time. Both the Americans and the Russians developed so-called ABM systems at the time – anti-ballistic missile systems. These involved collision speeds of up to 30 times the speed of sound – extremely difficult from a technical point of view.
Jürgen Rose: It has often been described metaphorically as trying to hit a bullet with a bullet. It hardly worked back then – and now this idea is being revisited. In Ukraine, we can currently see how effective modern air and missile defense systems such as Patriot or, on the Russian side, S-300 and S-400 really are. They can defend against not only aircraft and helicopters, but also ballistic missiles.
Jürgen Rose: The Americans have never stopped working on such missile defense systems in recent decades – much to the annoyance of the Russians. Today, these systems are capable of destroying Russian missiles with conventional means, i.e., without nuclear warheads. And then, of course, the question arises in Russia: How do we secure our nuclear deterrent? How do we ensure that our missiles reach their target – despite all the defensive measures?
Jürgen Rose: The answer is hypersonic weapons. Unlike conventional intercontinental missiles, which cross space and then re-enter the atmosphere, hypersonic weapons fly at very low altitudes – so that they are detected as late as possible – and at extremely high speeds. We are talking about 12 times the speed of sound. There are various technologies: for example, so-called gliding missiles, which are fired to the edge of the atmosphere and glide toward their target at high speed. Or cruise missiles—with ramjet propulsion, as used by the German V1 in World War II.
Jürgen Rose: The Russians have developed the “Zircon” system, for example. The Chinese also have the necessary technology. The Americans are still lagging behind in this development, but are working on a system called “Dark Eagle” – officially known as the Long Range Hypersonic Weapon. This is problematic because the reaction times in the event of an attack are virtually zero. This means that the attacker can strike the enemy with a so-called decapitation strike before they can even react.
Jürgen Rose: Incidentally, this was also one of the main reasons why Russia invaded Ukraine: Ukraine’s accession to NATO would have enabled the US to station hypersonic weapons right on Moscow’s doorstep, similar to other systems already installed in Poland and Romania. Kharkiv is only about 500 kilometers from Moscow – a hypersonic missile would be there in two to three minutes.
Milena Preradovic: Such US systems are also to be stationed in Germany as soon as they are operational. That would be ten minutes to Moscow. That would make Germany a target, wouldn’t it?
Jürgen Rose: Yes, that would be an extremely short warning time – and therefore a highly risky situation. In my view, such a deployment should be avoided at all costs. The German government could prevent this by refusing to give its consent.
These systems are not yet fully operational. There have been test runs – some successful, some not. But it looks like the US really wants to station them in Germany – near Grafenwöhr.
Jürgen Rose: The 56th Artillery Command has already been reactivated in Wiesbaden – it was responsible for the Pershing II missiles and cruise missiles during the Cold War. The fact that this command is being reactivated now is revealing. The aim is to establish so-called “multi-domain task forces,” i.e., combat units equipped with various systems, including the well-known HIMARS system used in Ukraine, the new Dark Eagle weapons, and another, as yet unnamed, medium-range system.
Jürgen Rose: All of this will be extremely destabilizing for Europe militarily. The deployment of such systems will sooner or later force Moscow to consider preventive measures, along the lines of: We must strike first to eliminate the threat before the Americans can strike from German soil. In my opinion, this is an existential threat to Germany.
Milena Preradovic: Yes, I think we really need to think about this again. Thank you very much, Jürgen Rose, for this extremely enlightening conversation. I have rarely learned so much. Thank you for being here.
Jürgen Rose: My pleasure. It was a pleasure – I enjoyed it. All the best for the future!
Milena Preradovic: Thank you – you too. Well, folks, playing with war is dangerous. It is certainly not helpful for the country and its people when more and more tax money is spent on weapons. After such a long period of peace in our country, we can hardly imagine war anymore – but neither could most people in July 1914. And then it happened anyway. I don’t want to be a prophet of doom – but if you want peace, you should say so now. If everyone remains silent, those who stand to profit will always have an easy time of it. Have a good time – see you soon.
da keiner auf ihre liebevoll Anmerkung reagiert, wünsche ich Ihnen alles Gute. Offensichtlich liest die liebe Milena das nicht
Schade
Von wegen die USA wollen keinen langen Krieg… Warum erwähnen Sie nicht das jüngste Paper des Council ln Foreign Relations, worin es heißt, die USA oder die Nato sollen da nicht kämpfen, aber europäische Soldaten unbedingt?!
So etwas wie eine Wehrpflicht ist doch auch nur wieder ein Mittel der Macht, sich ihre Kriege führen zu lassen.
Auf keinen Fall bestimmt irgendjemand über mein Leben.. Natürlich stimmt das nur bedingt, aber eben nicht auf Befehl.
Ok, mein 18 Jahre liegen weit mehr als doppelt so weit weg, aber selbstverständlich bin ich gegen eine sogenannte Wehrpflicht oder irgend eine andere Kriegsvorbereitung, was man ja wieder als Verteidigung genau ins Gegenteil verkehrt.
Vor wem müssen wir uns den verteidigen?
In so gut wie allen Ländern, wenn nicht gar allen, wahrscheinlich ist das so, wollen die 99% keine Gewalt, sondern wie eh und je ihre Freheit, Ruhe, vernünftige Lebensgrundlagen.
Und das geht natürlich alles längst, wenn nicht wie eh und je das eine Problem der Machtpyramide bestehen würde. Gerade heute durch die Vernetzung sind Verhandlungen/Diplomatie und miteinander Handel betreiben usw., doch keine Traumvorstellungen. Es geschieht zwar, aber natürlich nach den Regeln der besitzenden Schicht und daher ist es mehr als unfair und teils brutale Ausbeutung.
Die Frage ist wie immer, warum brauchen die Machtkreise ihre Kriege? Was läuft falsch und warum läuft es falsch?
Liebe Milena Preradovic,
mit diesem ersten Teil eines Gedichts von Bertold Brecht verabschiede ich mich. Die ersten dreieinhalb Jahre habe ich sehr gerne gehört!
Jetzt geht es nicht mehr. Egal, wie schön eine Insel auch sein mag, so sehr kann ich meine Stirn dann doch nicht mehr glätten!
Alles Gute aus Spanien
AN DIE NACHGEBORENEN
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.
Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Der dort ruhig über die Straße geht
Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde
Die in Not sind?
Es ist wahr: ich verdiene noch meinen Unterhalt (…)