„Es fehlt der demokratische Geist“ – mit Dr. Michael Andrick

23. Sep 20224 Kommentare

Der Kanzler warnt Kritiker der Regierungspolitik vor einem harten Durchgreifen des Staates. Und das mit schwammigen Begrifflichkeiten, die jeden verdächtig machen können. „Es fehlt der demokratische Geist“, sagt der Philosoph und Historiker Dr. Michael Andrick und befürchtet , dass unsere Demokratie zunehmend von autoritären Denkmustern geschwächt wird. „Die Menschen vertrauen den falschen Leuten“, sagt der Autor von „Erfolgsleere“ und erklärt die Selektions-Mechanismen in Parteien.

Website Dr. Michael Andrick: https://derandrick.de/

Buch „Erfolgsleere“: https://www.herder.de/leben/shop/p6/76311-erfolgsleere-gebundene-ausgabe/

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Milena Preradovic

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Interview mit Dr. Michael Andrick (deutsch)

Milena Preradovic: Wenn sich ein Bundeskanzler das Recht nimmt, zu bestimmen, wer demonstrieren darf und wer nicht, wenn er seine ungeliebten Kritiker allesamt als Extremisten, Querdenker und Verfassungsfeinde beschimpft, ihnen mit Wehrhaftigkeit droht und das dann auch noch Demokratie nennt. Wo sind wir dann gelandet? Olaf Scholz tritt die Grundrechte mit Füßen. Das ist das, was Verfassungsfeinde normalerweise tun. Und fast noch schlimmer Er kommt damit durch. Der brave Bürger und die treuen Medien haben sich längst an diese neue Demokratie gewöhnt. Die Institutionen spielen mit und die Justiz ist längst an Bord. Was passiert mit einer Gesellschaft, in der Hinterfragen und Nachdenken zum Delikt werden und Gehorsam zur solidarischen Pflicht? Auch darüber sprechen wir jetzt in Punkt Preradovic. Hallo, Dr. Michael Andrick.

Dr. Michael Andrick: Hallo. Ich freue mich, hier zu sein.

Milena Preradovic: Schön, dass Sie da sind. Ich stelle Sie kurz vor. Sie sind Philosoph und Historiker, aber nicht im Elfenbeinturm zu Hause. Denn Sie arbeiten seit 2006 als Führungskraft in Großunternehmen, zeitweise auch in den USA, wo Sie Umstrukturierungen betreut haben. Als roten Faden Ihrer Arbeit nennen Sie Veränderungsprojekte, also etablierte Herangehensweisen grundlegend in Frage zu stellen und neues auszuprobieren. Für Ihr Buch „Erfolgsleere“ mit Doppel E, Philosophie für die Arbeitswelt haben Sie dieses Jahr den Jürgen Moll Preis für verständliche Sprache in der Wissenschaft erhalten. Und Sie schreiben eine philosophische Kolumne in der Berliner Zeitung und machen sich auch dort Sorgen um Grundrechte, Demokratie und Meinungsvielfalt, die seit der sogenannten Corona Zeit schwer angegriffen werden. Tja, und man darf annehmen, dass das auch so weitergeht, vor allem, wenn man sich einen kürzlichen Tweet von Kanzler Scholz anschaut. Er schrieb, friedlich seine Meinung zu äußern. Das ist eines der wichtigsten Rechte unserer Demokratie. Wenn Kundgebungen von Extremisten, Querdenkern und Verfassungsfeinden gekapert werden, nehmen wir das nicht hin. Denn unsere Demokratie ist wehrhaft. Das ist eine eindeutige Drohung in Richtung Kritiker der Regierungspolitik. Was löst dieser Tweet bei Ihnen aus?

Dr. Michael Andrick: Ja, der erscheint mir wie so ein ein Knoten in einem Netz. Wenn man an diesem Knoten zieht, dann bekommt man einen Einblick in die momentane Entwicklung unserer Republik. Also mir fallen da mehr Dinge auf, als wir in einer Stunde besprechen könnten. Aber wir können ja mal ein paar ein paar Aspekte benennen. Also das erste ist, der Bundeskanzler spricht dort bei der Polizei. Das heißt, er spricht dort bei den Mitbürgern, die im Zweifel dafür zuständig sind, staatliche Anordnungen durchzusetzen, etwa bei Demonstrationen. Das muss man sich erst mal klarmachen. Dann verwendet er Sprache, die unterbestimmt ist. Also er verwendet Begriffe, die systematisch vage sind: Extremist, Querdenker, Verfassungsfeind. Das sind alles interpretations bedürftige Begriffe. Und dann stellt sich doch die Frage: Wer interpretiert eigentlich, welcher Demonstrant ein Verfassungsfeind, Querdenker, Extremist ist? Da muss es ja jemanden geben, der das entscheidet. Und diese drei Begriffe sind politische Kampfbegriffe und sie werden am Ende natürlich dann interpretiert werden. So kündigt der Bundeskanzler das ja an, nicht nur von ihm selber als Bundeskanzler, also als Regierungs-Repräsentant, sondern er spricht sogar von „wir“. Er sagt „Wir werden das nicht hinnehmen“. Das heißt, er impliziert mit dem, was er da sagt, eine Kameradschaft mit der Polizei zu einer Art Interessengemeinschaft, mit der Polizei zwischen Regierung und Polizei. Das ist aber nicht im Geiste der Gewaltenteilung. Und was mir besonders auch noch auffällt an der an der Aussage, das Verb, also „kapern“. Demonstrationen zu kapern, auch das ist ein Verb aus der Märchen- und Geschichten-Sprache aus der Literatursprache und ist auch für 1000 Interpretationen offen. Also wenn man das genau betrachtet, was er da sagt und wo er das sagt, ist es besorgniserregend. Zumal es ja auch noch andere Entwicklungen gibt, die so aussehen, als würde der Staat sich wappnen, gegen seine Bürger vorzugehen. Aber darauf kommen wir vielleicht ja auch noch. Das neue Führungskommando bei der Bundeswehr zum Beispiel.

Milena Preradovic: Hm, genau. Die Bundeswehr kann ab Oktober im Heimatschutz eingesetzt werden. Das ist auch neu. Eine neue Qualität. Der Verfassungsschutz hat die Delegitimierung des Staates quasi eingeführt. Das ist auch wieder so schwammig. Das heißt, das sind alles so, so Entwicklungen, die einen, die einem einer Regierung eine sehr große Entscheidungsgewalt geben, weil es Interpretationssache ist.

Dr. Michael Andrick: Sie sprechen das Bundesverfassungsgericht an und letztlich ist ja…

Milena Preradovic: Verfassungsschutz hatte ich kurz…

Dr. Michael Andrick: Sie haben vom Verfassungsschutz gesprochen.

Milena Preradovic: Aber Bundesverfassungsgericht passt da auch.

Dr. Michael Andrick: Das möchte ich noch ins Spiel bringen, weil das Bundesverfassungsgericht ja in unserer Rechtsordnung die obere Klammer bildet. Das Bundesverfassungsgericht hat ja eigentlich eine moralische Aufgabe. Es überprüft nämlich, ob die positiven Gesetze, die beschlossen werden oder auch nur in Erwägung gezogen werden, ob die den Grundwerten entsprechen, die in unserem Grundgesetz ausgedrückt sind. Und da haben wir auch noch eine weitere, ich möchte sagen eine weitere Angst Leitplanke, so würde ich das mal nennen, für den öffentlichen Diskurs bekommen im Moment. Denn jeder aufmerksame Bürger hat ja mitbekommen, dass das Bundesverfassungsgericht heute mehrere Mitglieder hat, die ehemalige Parteipolitiker sind und einen Vorsitzenden hat, der ein man muss. Man kann und muss sagen ein ehemaliger Partei-Karrierist aus der CDU in der Merkel Ära ist. Und unter der Führung von Herrn Harbarth ist es nun so, dass das Bundesverfassungsgericht bei mehreren Gelegenheiten einen bestimmten Schachzug gemacht hat, der sehr bedenklich ist, nämlich der Schachzug, sich überhaupt gar nicht eigenständig von Grund auf ein Urteil über die Sachverhalte zu bilden, über die es urteilen muss. Die Corona Politik der Bundesregierung wurde in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu als legitim bezeichnet, aber indem man zum Beispiel aus Quellen zitiert hat, die eindeutig unter Regierungseinfluss stehen, also in Sprache der Regierungskommunikation während der Krise, also zum Beispiel der Ausdruck „dynamisches Infektionsgeschehen“, also ein ein vager Ausdruck, der beliebig interpretiert werden kann, der wird zitiert aus Quellen der Regierungskommunikation und wird herangezogen, um zu rechtfertigen, warum die Regierungspolitik legitim ist. Also jeder, der mir jetzt hier zuhört und das mitdenkt, sieht, wie sich da ein Zirkelschluss zeigt. Also man ist bestellt als Bundesverfassungsgericht um an oberster Stelle die Normen dieser Republik zu prüfen, und man prüft sie, indem man auf Äußerungen derer verweist, die man prüfen soll. Das ist letztlich eine Kollaboration mit der Regierungspolitik, aber keine wirklich unabhängige Prüfung. Und wenn das die Praxis des Bundesverfassungsgerichtes bleibt, dann ist das für unsere Gewaltenteilung wirklich fatal. Und ich stehe mit dieser Einschätzung überhaupt nicht alleine. Wenn Sie mit Alexander Christ darüber sprechen oder mit anderen mir bekannten Anwälten in meinem Berliner…

Milena Preradovic: Habe ich sogar.

Dr. Michael Andrick: Haben Sie sogar? Okay, gut, habe ich gar nicht gesehen. Wie peinlich. Ja, okay. Dann kriegen Sie da ein ähnliches Argument und das sagt doch schon etwas. Also ich als Begriffs-Handwerker, der nun wahrlich kein Jurist ist, gucke da drauf und sage Moment mal, ein Zirkelschluss. Und der Jurist sagt auch eigentlich eine Art Verlassen der Gewaltenteilung. Und wenn man all diese Dinge wie ein Mosaik zusammennimmt, dann kann man zu Ihrer Einleitung kommen, nämlich dass da eigentlich in der Sache eine Drohung gegen die Bevölkerung ausgesprochen wird, sich besser nicht diesen Unwägbarkeiten auszusetzen, ja besser nicht demonstrieren zu gehen. Denn es könnte ja einer einen dieser vielen vagen Begriffe auf mich anwenden, und dann bekomme ich Ärger. Ich will aber ausdrücklich Herrn Scholz nicht unterstellen, dass er eine solche Drohung aussprechen will. Es reicht aber, wenn das politische Klima dahin gekommen ist und diese Rahmenbedingungen so sind, dass man das so verstehen kann.

Milena Preradovic: Ja, und es liegt ja für mich auch ein Widerspruch in diesem Tweet, weil in aller einer Demokratie dürften ja all diese Leute durchaus demonstrieren, also Querdenker, Extremisten. Ich meine, man weiß ja nicht, was er jetzt meint, aber im Grunde darf ja jeder demonstrieren, den er droht. Und da habe ich so den Eindruck, dass sich möglicherweise vor unseren Augen diese Demokratie in etwas anderes verwandelt, also in eine die neue Demokratie. Oder das ist eine vielleicht eine Demokratie mit totalitären Ansätzen, mit einem strengen Staat.

Dr. Michael Andrick: Es fehlt in diesen Äußerungen der grundlegend demokratische Geist, denn der demokratische Geist muss doch ungefähr so sprechen, also wenn ich jetzt der demokratische Geist wäre, dann würde ich ungefähr so sprechen. Ich würde sagen, meine Güte, wie kommen wir denn zu guten Entscheidungen in der Selbstregierung von gleichen Bürgern? Eigentlich ja ganz einfach. Wir brauchen eine Meinungspalette in der Diskussion, die möglichst breit ist. Am besten ist es, wenn wir mal die Corona Politik als Beispiel nehmen. Am besten ist das, wenn Wolfgang Wodarg mit Herrn Drosten auf einem Podium sitzt und der eine sagt: „Hier ist nichts los, lassen Sie die Leute in Ruhe“. Und der andere sagt: „Die Welt wird untergehen, wenn wir nicht ABC“. Und diese Extrempositionen markieren ein wirklich bedeutungsvolles Meinungsspektrum, wo dann der Bürger sich im Austausch der Argumente eine Meinung bilden kann. Und wenn das sozusagen das Ethos ist, die kleine Moral, die man eigentlich haben muss, als Demokrat, nämlich ein möglichst breites Meinungsspektrum im Rahmen der moralischen Vorgaben der Verfassung zu haben, dann wünscht man sich doch eine öffentliche Debatte, in der es auch mal ordentlich knallt, in der sich manchmal auch Leute auf den Fuß getreten fühlen oder vielleicht sogar beleidigt fühlen. Das gehört alles dazu. Das sind alles Kennzeichen, dass eine lebendige, breite Debatte passiert. Und wenn das der Geist der Demokratie ist? Also, dass man den Streit als den gesunden Normalfall versteht und nicht als einen pathologischen Ausnahmefall, wo die Vernünftigen gegen die Unvernünftigen, die Guten gegen die Bösen stehen…

Dr. Michael Andrick: Wenn man das als den Normalfall versteht, dass der Streit normal ist in der Demokratie, und man hält das mal gegen diese Äußerungen von Herrn Scholz, die laufen darüber hin darauf hinaus, dass er vor einer Polizei-Versammlung sagt, unter welchen Umständen die Polizei unter seiner Führung durchgreifen soll und das atmet nicht demokratischen Geist und es ist sehr bedenklich und verschiebt die Koordinaten der öffentlichen Diskussion hin zu einer autoritären Form der repräsentativen Demokratie, als wir sie bisher kannten.

Milena Preradovic: Sie haben gerade die Meinungsvielfalt angesprochen, dass es im Grunde die extremsten Positionen braucht, weil das dann so breit ist, dass man sich, dass der Bürger sich dann aus all diesen Argumenten, die dazwischen liegen, in diesem Graubereich quasi seine eigene Meinung bilden kann. Das haben wir definitiv nicht mehr. Also weder hat Wolfgang Wodarg mit Christian Drosten irgendwo diskutiert, auch wenn das schon mit einer großen Petition ja auch gefordert wurde, die dem WDR, glaube ich, damals übergeben wurde. Die Medien haben nicht nicht einmal daran gedacht, dass so etwas sein darf, könnte und müsste. Aber was bedeutete das? Also, wenn wir jetzt davon ausgehen, dass wir diese Meinungsvielfalt nicht mehr haben, was bedeutet das im Entschluss für eine Gesellschaft?

Dr. Michael Andrick: Ich würde Ihnen nicht ganz zustimmen, dass wir die Meinungsvielfalt nicht mehr haben. Die Meinungsvielfalt besteht in der Bevölkerung schon. Sie besteht nur nicht an der Medien-Oberfläche, weil auf dem Weg zu der Äußerung in den Medien Einschüchterung-Mechanismen greifen. Der Tweet vom Bundeskanzler ist ja nur einer davon. Ich sehe da eine bestimmte Mechanik am Werk. Sehen Sie, wenn Äußerungen wie dieser Tweet des Bundeskanzlers erfolgen und was wir alles noch genannt haben, also die ideologische Verdächtigung der Gesamtbevölkerung, sie könnten ja den Staat delegitimieren und als solche Angst-Leitplanken für den Diskurs eingezogen werden. Wozu führt denn das? Das führt doch im Ergebnis dazu, dass nur noch diejenigen sich selbstbewusst und markig auch offen äußern in den Zeitungen und in den Fernsehkanälen und im Radio, die wissen, dass sie im Großen und Ganzen auf Regierungslinie sind, dass sie im Großen und Ganzen eigentlich vielleicht eine Fußnote anbringen zu dem, was da verlautbart wird, in den Leitmedien und in der Tagesschau, aber doch keine wirklich grundlegende Hinterfragung davon betreiben. Und das wiederum muss man zu Ende denken. Wozu führt denn das? Das führt dazu, dass normale Menschen, die acht Stunden am Tag arbeiten und deren Geld immer knapper wird und die nicht wie vielleicht Sie und ich hauptberuflich oder den Hauptteil ihrer Zeit mit Lesen und Schreiben und und diskutieren verbringen. Die gucken dann mal auf die Nachrichtensendungen und stellen fest, Ja, die sind eigentlich alle einer Meinung. Dann gucken Sie mal bei RTL und dann gucken Sie mal bei ARD und gucken sich zwei Zeitungen an und sagen Mensch, die sind ja alle einer Meinung. Die Leute, die da auf der Straße sagen, hier passiert gar nichts Dramatisches, macht keinen Unsinn mit den Maßnahmen, die müssen ja verrückt sein. Das ist eine Tendenz, die dann entsteht, weil die Medien-Oberfläche den Eindruck erweckt, alle Vernünftigen denken dasselbe.

Milena Preradovic: Und die Politiker machen das natürlich auch. Ich meine, das waren ja schon sehr übergriffige Zeiten, wenn eine SPD Vorsitzende Menschen als CovIdioten beschimpft, die demonstrieren, ihr Recht auf Demonstrationen ausüben. Das heißt es wird von der Politik den Menschen gesagt: „Hey, das sind die Bösen, wir sind die Guten und die darf man auch schlecht behandeln, die darf man auch diffamieren und diskreditieren“…

Dr. Michael Andrick: Und die Versuchung dazu ist natürlich sehr groß. Wenn Sie Haltungs-Journalist sind, also ein Mensch, der in Journalistenschulen, die von Unternehmen und Verlagen gesponsort sind, zwar das Schreiben gelernt hat und die Technik gelernt hat, aber keine sehr tiefe historische oder sonstige Bildung mitbringt und auch keine sehr tiefe Lebenserfahrung. Also wenn Sie ein solcher Haltungs-Journalist sind, dann ist es extrem attraktiv zu sagen: „Moment mal, diese vernünftige Mehrheit auf der Medien-Oberfläche, die braucht doch bestimmt einen Anwalt, nämlich mich“. Und dann schreibt man also Kommentare, wo man wie Man muss sie jetzt zitieren, damit sie das, damit sie die Konsequenzen ihres Tuns spüren. Nikolaus Blome zum Beispiel, der dann sagt: „die Republik möge mit dem Finger auf die Ungeimpften zeigen“. Oder das ist nur ein Beispiel. Es gibt viele solche wirklich hetzerischen, geradezu volksverhetzenden Aussagen, die dann getätigt wurden, weil es so verführerisch war, für öffentlich sprechende Leute sich als Anwalt dieser angeblichen vernünftigen Mehrheit aufzuführen. Und das Ganze ist durch den ganzen Staat gegangen. Also selbst der Bundespräsident hat ja in mehreren Weihnachtsansprache immer denselben spalterischen Fehler gemacht, nämlich zu sagen: „Zum Glück haben wir eine vernünftige Mehrheit. Und diese vernünftige Mehrheit, die trägt alles mit, was die Regierungen in Deutschland anordnen“. Das bedeutet, dass der Bundespräsident die Deutschen einteilt in vernünftig und unvernünftig und von daher…

Milena Preradovic: War es ein Fehler? Oder wollte er das so?

Dr. Michael Andrick: Sehen Sie, da sind wir an dem Punkt, wollen wir böse Absichten unterstellen oder gute Absichten unterstellen?

Milena Preradovic: Irgendwann nach dem Ausschlussverfahren kommt man irgendwann dann dazu und denkt also mit Blödheit allein ist ja nichts zu erklären am Ende.

Dr. Michael Andrick: Nein, Frau Preradovic, aber es gibt auch die Zivilität. Und die Zivilität gebietet, wenn ich jetzt, was mir nicht passieren wird, aber wenn ich den Bundespräsidenten treffe in meinem Lieblingscafe hier in Berlin, in Wilmersdorf, dann will ich mit ihm respektabel reden können, und ich möchte ihn argumentativ überzeugen können. Und wenn ich mich jetzt hier hinstellte und sagen würde, der Bundespräsident ist der oberste Spalter der Republik, dann wäre die Gesprächsbasis dafür weg. Und ich will ihm einfach zugestehen, dass er sich da in einem Irrtum befunden hat. Also er hat nicht verstanden, dass eine solche Äußerung eigentlich Demagogie ist, also der Versuch, durch rhetorische Mittel die Bevölkerung so zu steuern, dass sie denkt, alle, die vernünftig, gut, mitmenschlich, solidarisch, was alles die Adjektive waren, alle, die so sind wie „wir“, die meinen, das, was ich jetzt sage, auch das ist nicht im Geist der demokratischen Debatte.

Milena Preradovic: „Der Spaziergang hat seine Unschuld verloren“. Auf so einen Satz muss man erst mal kommen.

Dr. Michael Andrick: Also eine besonders lächerliche Verkümmerung von Journalisten, die sich bemühen, bloß ja nicht aus der Fahrrinne des Regierungsdiskurses…

Milena Preradovic: Aber das hat der Bundespräsident selber gesagt, wenn ich mich recht erinnere, diesen Satz.

Dr. Michael Andrick: Das wusste ich nicht.

Milena Preradovic: Ja, wir wollen natürlich respektvoll mit allen umgehen. Aber wir müssen uns doch ein paar Sachen fragen. Viele beschimpfen quasi die Regierung als Übeltäter dessen, was passiert. Aber nur hatten wir vorher in der Regierung und darunter hat es eigentlich angefangen. Also mit der Einengung der Meinungsvielfalt, mit der Bevormundung der Bürger, mit dem es gibt nur das Richtige und das Falsche, also wenig Diskussion. Also es ist nicht auf diese Regierung beschränkt. Also frage ich mich, sind es denn jetzt die Politiker, die das System in dem wir leben bestimmen? Oder ist es vielleicht das System, das die Politiker bestimmt?

Dr. Michael Andrick: Das ist eine sehr gute Frage. Die können wir auf mehreren Ebenen…

Milena Preradovic: Jetzt warte ich auf eine gute Antwort.

Dr. Michael Andrick: Ja. Also, lassen Sie uns erst mal historisch gucken. Ja, ich will mal das an einer Zahl festmachen. Also seit den 70er Jahren fragt das Allensbacher Institut die Deutschen: „sagen Sie unbekümmert und fröhlich frei heraus Ihre politische Meinung? Oder tun sie das nicht?“ In den 70er Jahren gab es da Antworten, die gingen bis zu 80 % „Ja, na klar“. Und das waren nicht unpolarisierte Zeiten. Wir erinnern uns Achtundsechziger Revolte, die nachfolgenden Jahre die Rote Armee Fraktion, der NATO Doppelbeschluss, also Regierungswechsel, die ideologische Themen auch zum Hintergrund hatten und trotzdem sagen 80 % „Ja klar, mache ich, das ist doch selbstverständlich“. Heute sind das noch 45 %. Wir haben über die Einschüchterung-Mechanismen schon gesprochen. Warum ist das so? Ich glaube, dass grob historisch Folgendes passiert ist. Die Käseglocke, die Käseglocke dieser Ost-West-Konfrontation, die wurde gelüftet. Solange es noch eine theoretische und praktische Alternative gab zu dem westlich orientierten Industrie- und Dienstleistungs-Kapitalismus, nennen wir ihn mal so, gab es auch Gründe für die großen Kapitaleigner und die, ich sage mal, den politisch industriell medialen Komplex in der alten Bundesrepublik dafür zu sorgen, dass Produktivitätszuwächse in der Wirtschaft in Lohnerhöhungen umgesetzt werden, so dass eine starke Mittelschicht entsteht, die echten Anteil hat am Wohlstand des Landes und an der wirtschaftlichen Entwicklung und die auch das Gefühl hat, ihr Leben in freier Selbstbestimmung führen zu können. Denn es gab ja zumindest ideologisch und theoretisch eine Alternative, die von sich behauptet hat, man kann eine Gesellschaft auch ganz anders einrichten.

Dr. Michael Andrick: Und ich denke, dass die politisch Interessierten in Westdeutschland nicht vergessen haben, dass nach dem Zweiten Weltkrieg eine ganze Reihe von Manipulationen durch die Besatzungsmächte notwendig waren, um zu verhindern, dass zum Beispiel ganze Industrien kollektiviert wurden. Das wird in der Schule nicht so groß gelehrt. Ich habe Abitur auf dem Land gemacht bei Hannover, da habe ich das nicht erfahren, als es um Nachkriegsgeschichte ging. Aber es gab in mehreren Bundesländern Abstimmungen darüber, Volksentscheide mit 70 % und mehr Stimmen Mehrheit, die gesagt haben, wir müssen bestimmte Industrien aktivieren, damit ein Krieg systematisch unmöglich wird. Ja, also damals gab es durchaus Zeichen, dass ein mehr an KollektivInteressen und mehr an Gemeineigentum orientierte Wirtschaft ein attraktives Modell für die arbeitenden Schichten sein kann. Und weil man das wusste und nicht sozusagen schlechter aussehen wollte als der Kommunismus, hat man eine soziale Marktwirtschaft, die den Namen auch wirklich verdient, implementiert. Jetzt kommt die Käseglocke weg. 89 Mann ist übrig geblieben und hält sich für den Sieger. Deshalb und jetzt kann man Globalisierung machen. Ich weiß nicht, ob das den meisten Menschen auffällt, aber Globalisierung ist schon im Ausdruck ein ein totalitäres Programm. Also hier soll eine Wirtschafts und Lebensweise über die ganze Welt verbreitet werden. Das ist also eine starke Aussage. Das ist die historische Dimension. Frau Radowitz, glaube ich. Warum? Dass das Denken in den wirklichen Alternativen, die wirklich fundamental kontroverse Diskussion, verödet ist.

Dr. Michael Andrick: Und deshalb wird es dann auch so leicht für Politiker zu sagen: „Ja, also was ich als Kanzlerin der Großen Koalition hier verkünde, das ist nicht etwa eine kontrovers zu debattierenden Meinung“. Das ist Tina. There is no alternative, das ist alternativlos. Denn wir haben ja die Globalisierung, wir haben die Digitalisierung und noch ein paar andere Sierungen, die dann angeführt werden, so als wären das einfach Naturgewalten, denen man sich, den man unterstellt ist, denen man sich ausgeliefert sieht. Also die Notwendigkeit zu wirklich fundamentaler Debatte ist in den Augen der politisch Handelnden mit 89 entfallen. Denn wir waren ja und sind ja schon die Guten und das verödet die geistige Landschaft. Und so kann man dann erklären, dass am Anfang einer solchen Krise wie der Corona Pandemie die öffentliche Güterabwägung einfach unterbleibt und einfach das, was die Regierung auf der Medienoberfläche ausgießt, zur einzig vernünftigen Version der Wirklichkeit erklärt wird. Das ist fatal. Also das Verlernen von Pluralität, was wir hinter uns haben, ist fatal und ist ein wesentlicher Grund, warum ich mich so oft äußere jetzt und so viel äußere, weil ich sage: „Der Streit ist normal, fangt endlich wieder an, miteinander zu streiten, und zwar fundamental und habt keine Angst vor diesen Angst-Leitplanken, die da eingezogen werden, die sind schneller weg, als ihr gucken könnt.“ Wenn ihr erst mal anfangt, wieder wirklich kontrovers zu diskutieren.

Milena Preradovic: Sie haben vorhin von der sozialen Marktwirtschaft gesprochen, die im Grunde nach dem Krieg mehr oder weniger eingeführt wurde, damit es eine gewisse Gerechtigkeit herrscht, damit die Menschen auch eine gewisse Zufriedenheit haben. Aber die ist jetzt Makulatur. Also die ist weg, die soziale Marktwirtschaft,oder?

Dr. Michael Andrick: Nein die ist nicht Makulatur. Das, finde ich, ist eine undifferenziertes Urteil. Also schauen wir doch mal: Wir haben eine solidarisch finanzierte Gesundheitsversorgung…

Milena Preradovic: Ja, aber sagen wir mal, es geht abwärts damit.

Dr. Michael Andrick: Na ja, sagen wir es erst mal, was ist und dann können wir ja sagen, ob es aufwärts oder abwärts geht damit. Aber wir haben eine solidarisch finanzierte Gesundheitsversorgung, wir haben ein Rentensystem, was in aller Regel, ich weiß das Ausnahmen gibt, aber in aller Regel würdige Renten garantiert. Wir haben ein Steuersystem, was progressiv ist, wenn auch der Trend ganz klar war, die Spitzensteuersätze immer weiter zu senken, Einkommensarten aus der progressiven Besteuerung auszunehmen zum Beispiel die Kapitalertragssteuer ist ja auf 25 % von einem Sozialdemokraten gesetzt worden, die vorher progressiv war. Es gibt dagegen Tendenzen, aber wir haben auch ein Verwaltungshandeln in Deutschland, was abseits politisch vergifteter Themen eine ganz hohe Rechtssicherheit gewährleistet. Und ich sage das als jemand, der beruflich auch in der Welt herumgekommen ist, nach China und nach Lateinamerika und in die USA und anderswo. Und all das, was ich eben aufgeführt habe, erscheint manchen Menschen, sogar vielen Menschen auf der Welt erstmal als ein ziemlich paradiesischer Zustand. Auch dass wir das Grundprinzip haben in unserer Sozialpolitik, dass, wie der Kanzler neulich mal gesagt hat: „ja, keiner wird zurückgelassen“, dass es eine Grundsicherung gibt, die unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Einzelnen gewährt wird, auch wenn man sie jetzt umbenennt und anders ideologisch etwas anders begründet.

Dr. Michael Andrick: Aber das haben wir alles. Das heißt, wir leben noch nicht in den Ruinen eines Sozialstaats, aber es gibt Verschlechterungs-Tendenzen. Das wäre da also meine Einschätzung. Auch deswegen ergibt es viel Sinn, sich jetzt zu äußern und für ein offenes Meinungsklima zu streiten. Weil wenn wir das jetzt nicht machen, dann wird unter Umständen sich das weiter verschlechtern. Und am Ende können wir auf der Medien-Oberfläche gar nicht mehr sehen, was in der Politik passiert, weil es so eng eingenordet ist. Es ist nämlich so die Freiheiten, die wir nicht benutzen, die werden wir verlieren, weil wir selber ihren Wert nicht mehr verstehen, ihren Wert nicht mehr kennen und weil politische Machthaber dann auch keinen Grund sehen, sie zu gewähren. Das heißt, wir können einen freien und einen freien öffentlichen Debatten-Raum nur verteidigen, indem wir selber reden und indem wir selber die Position vertreten, furchtlos, die wir für richtig halten und alle Alternativen, die sich gedanklich anbieten, auf den Tisch legen. Das ist mein Anliegen. Deswegen verwende ich so viel Zeit darauf, mich öffentlich zu äußern.

Milena Preradovic: Aber ich habe schon den Eindruck, dass die letzten Jahre schon etwas bewirkt haben bei vielen Bürgern. Das heißt, sie gehen jetzt selber schon nicht mehr von einem wirklich demokratischen Diskurs aus. Sie sagen: „wir sind die Mehrheit und ihr haltet gefälligst die Klappe“. Das heißt, ich frage mich natürlich, wie groß ist die demokratische Lust der normalen Menschen jetzt noch? Es hat schon so was wie Brainwash stattgefunden. „Ihr macht das. Die Wissenschaft hat immer recht. Wir sagen euch, was ihr zu tun habt“. Und sagen wir mal so, es gab natürlich eine große Minderheit, die ein bisschen dagegen aufbegehrt hat, aber die anderen, ob trotz aller Widersprüche, machen einfach mit.

Dr. Michael Andrick: Wir haben dennoch ein gemeinsames Problem und deswegen will ich nicht in den Schützengraben springen und meine Mitbürger an der Stelle verurteilen.

Milena Preradovic: Es geht aber nicht um verurteilen. Es ist nicht verurteilen, sondern es ist festzustellen.

Dr. Michael Andrick: Ja, ja, ich gebe Ihnen recht. Also, wir haben nach wie vor eine große…Also, ich betrachte das eigentlich als ein Vertrauensproblem. Die Leute haben Vertrauen zu den falschen Quellen und Personen. Und das ist mir als jemand, der aus der politischen Philosophie auch kommt, ist das für mich sehr befremdlich, das an meinen Mitmenschen so zu beobachten, weil es für mich völlig selbstverständlich ist, dass die Wahrheit die Tatsachen anzuführen, das ist in der Politik eine Möglichkeit unter anderen. Wir haben ja einen Gesundheitsminister, der selber öffentlich die erstaunlichsten Erklärungen abgegeben hat.

Dr. Michael Andrick: Er hat erklärt, dass das die Wahrheit politisch tödlich sei, der Herr Lauterbach. Bei anderer Gelegenheit hat er öffentlich völlig frei erläutert, wie er erst einer Universität die Einführung eines bestimmten Lehrstuhls empfohlen hat mit einer bestimmten Qualifikationserfordernis und dann, weil er ja selber genau diese Qualifikationen hat, sich beworben hat und genau deshalb auch den Lehrstuhl bekommen hat. Das sind ja ganz erstaunliche, wie soll man sagen Leaks von Ehrlichkeit. Und wir erkennen die auch sofort als momentane Aussetzer, weil wir wissen, dass in der Politik die Wahrheit taktisch eingesetzt wird. Das dürfte, denke ich jedem klar sein, nach meiner Denk-Erfahrung und Lebenserfahrung. Aber dem steht ganz offensichtlich ein Bedürfnis gegenüber, bei weiten Teilen der Bevölkerung, denen, die die Macht über sie haben, zu vertrauen und anzunehmen, dass die, die die Macht über sie haben, je mehr Macht sie haben, je besser, je verlässlicher, je verantwortungsbewusster sind. Aber dabei wird etwas ganz Wichtiges vergessen. Und darüber habe ich, habe ich in meinem letzten Buch auch versucht, mal systematischer nachzudenken. Nämlich Dabei wird vergessen, welche Mechanismen eigentlich das Führungspersonal selektieren. Also wer kommt in einer solchen Parteiendemokratie eigentlich nach oben und nach welchen Prinzipien? Und ich denke, wenn die Leute darüber noch mal näher nachdenken würden, dann würden sie vielleicht weniger deplatziertes Vertrauen in Parteifunktionäre haben. Ich bin selber in mehreren Parteien gewesen, immer wieder ausgetreten.

Dr. Michael Andrick: Zuletzt bin ich übrigens aus der SPD ausgetreten, nachdem Frau Esken öffentlich folgendes geäußert hat: „Masken für Grundschüler, das ist handhabbar für die Grundschüler“. Ich will das nicht weiter kommentieren. Ich habe mich bei zu vielen Gelegenheiten über die verbrecherische Mißhandlung unserer Kinder erregt, und das bringt mich auch immer emotional in Bedrängnis. Aber das war für mich der Punkt, wo ich gesagt habe „Nicht meine Partei“. Und bin dann ausgetreten. Aber was sind diese Selektions-Mechanismen in Parteien? Ich würde das mal als eine Mittelmaß-Anfertigung bezeichnen. So wie man eine Maßanfertigung haben kann bei Anzügen und anderen Dingen kann man auch eine Mittelmaß Anfertigung haben. Und in den Parteien läuft es so: Sie müssen erstens mit jedem gut Freund sein, den sie treffen, denn Sie wissen nicht wer mit wem verhangen ist hinter den Kulissen. Und zweitens müssen Sie aufpassen, dass Sie keine konkreten Meinungen zu konkreten Sachfragen äußern. Denn eine konkrete Meinung zu einer konkreten Sachfrage zu haben, spaltet ihr Netzwerk. Denn nur weil die Partei zum Beispiel FDP heißt, heißt das nicht, dass alle da John Stuart Mill gelesen haben und die Verfassung auswendig gelernt haben und jetzt Bürgerrechte verteidigen. Solche ideologische Einheitlichkeit gibt es in den Parteien nicht. Hans Eichel führt die Kapitalertragssteuer auf 25 % zurück als sozialdemokratischer Finanzminister und schafft Veräußerungsgewinne ab für Unternehmensanteile.

Dr. Michael Andrick: Das heißt, die Deutschland AG konnte gegenseitig ihre Anteile verkaufen und Milliarden steuerfrei einstreichen. Da sieht man doch gleich das hat mit dem kleinen Gewerkschaftsmitglied in der SPD Basis gar nichts zu tun. Also zwei Lektionen, die erste mit jedem gut Freund sein und die andere bloß keine konkrete Meinung äußern, denn dann funktioniert ihr Netzwerk. Und wenn sie dann lange genug investiert haben, ins „nett sein“ und „meinungslos“ sein, dann können Sie in einen aussichtsreichen Wahlkreis oder auf einen aussichtsreichen Listenplatz kommen und dann werden Sie eingezogen. Und deshalb, im Großen und Ganzen, haben wir deshalb so unbemerkenswerte Personen in unseren politischen höheren Schichten, die überdurchschnittlich häufig ja auch plagiierte Bücher in die Welt setzen, die lügen über ihre Qualifikationen, die versuchen, ihren Lebenslauf zu frisieren, um in bestimmte Diskurse hineinzupassen, wie das jetzt jüngst in unserem im Außenamt her der Fall war. Und das erklärt das ganze parteipolitische Milieu, in dem unsere Politiker groß werden, ist ein Mittelmaß-Milieu. Laden Sie sich mal Unternehmer ein. Also jemand, der wirklich Verantwortung trägt für eigenes Geld, eigene Leute, eigene Standorte und Produkte und unterhalten sich mal mit dem unterhalten sich mal mit Herrn Rupp über die strategische und taktische Qualität des Denkens und der Diskussionen und der Vorschläge unserer parteipolitisch selektierten Handlungselite. Da werden Sie nicht viel fröhliches von ihm hören.

Milena Preradovic: Da bin ich ganz sicher. Der haut ja immer ganz gut rein. Also diese Politiker sind nach ihrer Definition strenge Konformisten. Das ist nämlich ganz interessant. Ich habe ja Ihr Buch gelesen und Sie teilen die Menschen mal grob in zwei Gruppen ein in den moralischen Menschen, in den Nachdenkenden und Hinterfragenden und in den Konformisten.

Dr. Michael Andrick: Richtig, richtig ist, dass wir beide die in uns haben. Aber das sind sozusagen die beiden Pole, zwischen denen wir uns aufspannen müssen im Leben. Also einerseits müssen wir Konformisten sein zu einem gewissen Grad, denn wir können nicht täglich das Rad neu erfinden und nicht täglich alles neu verhandeln. Also Ihr Techniker hat mir vorhin eine Einweisung gegeben, wie ich den Bildschirm hier hinstelle. Das weiß der aus Erfahrung, wie man das macht. Und das wird man nicht jeden Tag revidieren und frei diskutieren. Da ist er einfach konform mit einer Regel und ich bin auch konform. Was aber wichtig ist, moralisch zu sein, also einen eigenen Bewertungs-Standpunkt zu haben, das das besteht für mich im Kern darin, dass ich mir einen Einspruch vorbehalte. Also wenn ich dem Bundeskanzler bei der Polizeigewerkschaft sagen höre: „Passt auf, Ihr Querdenker, wir kommen“, dann gleiche ich das ab mit meinem Wertegerüst, mit dem was, was ich für richtig halte und sage „Nein, Herr Bundeskanzler, lesen Sie noch mal nach über Gewaltenteilung“. Also ich behalte mir einen eigenen Standpunkt vor und ein eigenes Urteil. Und ich agiere nicht einfach als, wie soll man sagen, als Resultat meiner Umgebungs-Einflüsse.

Dr. Michael Andrick: Ja, und es gibt diese beiden Extreme. Also wenn ich bloß noch Funktionär bin, also wenn ich den Konformismus mit sportlichem Eifer so weit getrieben habe, dass ich mich die ganze Zeit nur frage: „Was sind wohl die Erwartungen der anderen? Was sind wohl die Erfordernisse der Situation? Was muss ich wohl tun, um beliebt zu sein oder das zu bekommen, was die anderen zu verteilen haben?“ Ob es jetzt eine Beförderung ist oder ein Listenplatz oder was auch immer. Wenn ich nur noch so operiere, dann bin ich nach meinem Begriffen in dem Buch Erfolgsleere bin ich dann ein Funktionär und der Funktionär ist der, der gerade nicht mehr den eigenen Standpunkt pflegt und geltend macht, wenn das nötig ist, sondern jemand, der sich einfach nach äußeren Vorgaben richtet. Mein Bild dafür ist das einer Fledermaus. Die Fledermaus schickt ja Sonarwellen in die Welt. Und je nachdem, was da zurückkommt, bewegt sie sich dann, um nicht gegen die Wand zu fliegen oder gegen den Stuhl.

Milena Preradovic: Die Fledermaus. Der endgültige Konformist ist die Fledermaus.

Dr. Michael Andrick: Und ein wirklich ausgefuchster Konformist, der das also mit Ehrgeiz betreibt. Ein Karrierist zum Beispiel, den kann man vielleicht schon so vom Bewegungsmodus her damit vergleichen. Also der guckt halt, wie ist das Umgebungs-Wetter? Und wenn ich jetzt das mache, was dürfte dann passieren? Und diese Art von Funktionärstum, die wird halt in den Parteien ganz, ganz groß geschrieben und ist ausgesprochen erfolgversprechend für einen Aufstieg dort und gerade das geltend machen des eigenen Standpunkts, das selber nachdenken von Grund auf und das ist gerade nicht so beliebt und führt einen auch nicht weiter, wenn man in einer Partei Karriere machen will.

Milena Preradovic: Aber nicht nur in Parteien. Ich habe den Eindruck, das ist generell nicht beliebt. Das Hinterfragen, das Nachdenken. Das ist in großen Betrieben meistens nicht beliebt, das ist in Institutionen nicht beliebt, das ist in Behörden eigentlich nicht beliebt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man schon eigentlich diesen Mitarbeiter haben möchte, dem man sagt, was er zu tun hat und der losrennt.

Dr. Michael Andrick: Da würde ich teilweise widersprechen. Und zwar gibt es ja in Wirtschaftsunternehmen noch ein anderes Kriterium. Da muss ja am Ende ein Produkt da sein oder eine Dienstleistung, zu vertretbaren Kosten, für das die Menschen bereit sind zu bezahlen. Und das wird sehr, sehr objektiv. Also wenn Ihre Verkaufszahlen runtergehen, ja dann scheint wohl mit der bisher etablierten Arbeitsweise im Unternehmen etwas nicht zu stimmen. Und da gibt es dann ein Regulativ und deswegen können auch Menschen, die gerade sozusagen als persönliche in Anführungsstrichen „Marke“ haben, wirklich schräg und kreuz und quer zu den etablierten Vorgehensweisen und Credos nachzudenken, die sind in Wirtschaftsunternehmen durchaus willkommen und beliebt. Deswegen werden ja auch Beratungsleistungen so gut verkauft, Frau Preradovic. Also immer wieder kommen Beratungsunternehmen also in den Mittelstand oder in größere Unternehmen, die von Leuten besetzt sind, personell, die sind noch gar nicht so alt, die sind kommen grad aus der Uni, aber die kommen halt von außen in die Struktur und werden eingekauft, weil sie gerade diesen Blick von außen haben. Also kreatives Verstören dessen, was man so gewohnt ist, ist in der Wirtschaft eine etablierte Praxis. Also die Innovation ist längst eine der STANDARD-Abteilungen in den größeren Unternehmen, weil man genau weiß, unsere alten Gewohnheiten werden uns nicht zu den neuen Kunden bringen und die werden uns nicht den neuen Geschäftserfolg bringen. Deswegen ist das da immer mit eingepreist. Aber in allen Institutionen, die eine Bestandsgarantie haben, gebe ich Ihnen völlig recht. Verwaltungen, Universitäts-Personal, was also auch fest angestellt ist und nicht entfernt werden kann. Polizei. In all solchen Strukturen, die eine Bestandsgarantie haben, da gibt es dieses Eigeninteresse an kreativer Störung, das gibt es da nicht. Und deswegen greifen dann diese Mechanismen, über die wir gerade gesprochen haben, voll durch.

Milena Preradovic: Aber ich glaube, Ihr moralischer nachdenkender, hinterfragender Mensch ist aber auch schon fast in der Nähe des Verfassungsfeindes inzwischen gerückt. Das heißt er kann sogar dahin gerückt werden, wenn er sich einfach nur Gedanken macht. Also man hat schon den Eindruck, dass Nachdenken und Hinterfragen vor allem laut und öffentlich, ist ein Delikt und Gehorsam ist die Pflicht, die Solidarische geworden, dass das so der Weg ist gerade.

Dr. Michael Andrick: Also da kann ich jetzt mal was zu meinem Handwerk sagen. Und so wie ein Tischler darüber sprechen kann, wie man Stühle macht, kann ich mal was über Argumentieren sagen, ich bin ja Philosoph. Und es geht überhaupt nicht, es ist logisch unmöglich, dass Sie als Philosoph unkritisch umgehen mit den Machthabern und dem, was sie sagen. Das geht gar nicht. Und das hat einen ganz einfachen technischen Grund. Die größte Machtausübung passiert, nämlich in einer offenen Gesellschaft. In dem Moment, wo jemand sagt, worüber wir jetzt sprechen und in welchen Begriffen wir darüber sprechen. Im Frühjahr 2020 hat sich eine Fraktion durchgesetzt rund um die Regierung und wie wir jetzt aus Recherchen aus der „Welt“ erfahren haben, also nachdem es zwei Jahre vorher anderswo schon aufgeschrieben war, erfahren wir es jetzt auch aus Recherchen der „Welt“, dass Netzwerke von Philanthropen, Stiftungen rund um die WHO auch einen großen Einfluss darauf hatten, was damals als Anfangs-Diagnose gestellt wurde. Der machtpolitisch wichtigste Moment ist der, wo jemand sagt: „Wir haben jetzt zum Beispiel eine globale Pandemie mit einem tödlichen Virus. Und der Weg heraus ist nur die Impfung mit dieser neuen Technologie“. Also ich habe das jetzt mal eben improvisiert, aber egal, das wäre so ein Statement. In dem Moment muss ein Philosoph folgendes machen: Moment mal, was ist noch gleich die Definition von Pandemie? Was genau heißt tödlich in diesem Zusammenhang? Wo sind denn die Zahlen dazu? Wie vergleichen sich diese Zahlen zu anderen vergleichbaren Erkrankungen? Moment mal, wer hat das gesagt und mit wem hat der vorher gefrühstückt? Wer ist das? Woher hat er sein Geld bekommen für seine Forschungsprojekte, dass er jetzt sagt, der Ausweg ist X? Ja, das ist einfach Handwerk. Der machtpolitisch entscheidende Moment ist, wenn der Diskurs geordnet wird mit Begriffen.

Dr. Michael Andrick: Und deshalb ist die die Aufgabe von Philosophen und von jedem eigenständig denkenden Menschen ist zu sagen: „Moment mal, sind das eigentlich die richtigen Begriffe, um das zu beschreiben, was hier vor sich geht?“ Und wenn Sie das tun, dann stellen Sie den wichtigsten machtpolitischen Schachzug der Regierung jeder Regierung auf der Welt in Frage, nämlich die Diskurshoheit. Und deswegen kann ich allen Zuhörern ein Navigations-Kriterium mitgeben, ein Unterscheidungskriterium: „Wenn Sie irgendwo jemanden sehen, im Fernsehen oder hier, bei Punkt Preradovic oder sonst wo. Und der ist Philosoph irgendwo von der Uni oder so oder steht unter seinem Namen er ist Philosoph und er benutzt unkritisch die Sprache der Regierung. Er ironisiert sie nicht, er hinterfragt sie nicht. Er bietet keine Alternativen an und benutzt sie einfach unkritisch. Dann wissen Sie, es ist kein Philosoph, das ist kein Philosoph.“ Deswegen darf man solche Äußerungen trotzdem tun. Manchmal bin ich ja auch der Meinung der Regierung. Ich bin nicht immer einer gegenteiligen Meinung. Aber ich würde niemals hingehen und einfach sagen: „Ach ja, das heißt jetzt Bürgergeld, dann reden wir doch mal übers Bürgergeld.“ Sondern ich würde immer erst mal fragen: „Ach, Bürgergeld, ach der Bürger kriegt jetzt Geld, ist ja sehr interessant. Als Bürger kriegt er jetzt Geld, wie viel kriegt er denn und unter welchen Bedingungen?“ Und erst wenn ich all diese Fragen beantwortet habe, werde ich mir das unter Umständen zu eigen machen. Und das ist nie irgendwo beliebt. Diese Haltung ist prinzipiell nie irgendwo beliebt bei jemandem, der Macht über jemand anderen ausüben will. Aber es ist die Grundlage der Demokratie. Nur wenn wir Bürger sind, die so agieren, dann können wir Machtmissbrauch auf die Dauer kleinhalten und frei miteinander leben. Nur wenn wir das machen.

Milena Preradovic: Ja, und da bin ich dann ein bisschen pessimistisch. Wenn man sich anschaut, wie in den letzten zwei Jahren gerade auch sogenannte Intellektuelle, also Menschen, die im Grunde auch von ihrem Geist leben, natürlich auch andere Menschen, aber auch die Intellektuellen, die schnell bereit waren, diejenigen, die nicht auf Linie waren, offen zu diskreditieren, zu diffamieren, auszugrenzen, mit schlimmen Vorschlägen um die Ecke zu kommen, was man mit denen zu tun hat, den Tod zu wünschen, weil ihnen ja auch die Herrschenden, so habe ich das empfunden, klar gemacht haben, dass das okay ist, weil die Politik vorangeschritten ist. Und da war dieser Gehorsam gerade der denkenden Klasse hat mich doch schwer erschüttert. Also da habe ich überhaupt keine innere Moral erkannt.

Dr. Michael Andrick: Zwei Faktoren würde ich da sehen. Das eine ist, wir haben es vorhin schon mal angesprochen, es ist ein großes Wort, aber wenn man anfängt, mit bewertend aufgeladenen Begriffen aus einer öffentlichen Position heraus die Bevölkerung einzuteilen in die Guten und die Schlechten, die Vernünftigen und die Unvernünftigen, die Solidarischen und die Unsolidarischen. Wenn man also das wirklich fundamental unterschiedliche Urteil, den Bürgern nicht mehr zugesteht, da betreibt man Demagogie, und diese Demagogie kommt an in der Bevölkerung als eine Legitimation zur Ausgrenzung. Eine Legitimation zur Ausgrenzung, die kann hingehen bis zur Entmenschlichung.

Dr. Michael Andrick: Also ich erinnere mich an einen, ich glaube auch einen Fernsehkomiker ohne Schulabschluss, wie heißt der Baumann?

Milena Preradovic: Böhmermann. Der hat keinen Schulabschluss?

Dr. Michael Andrick: Ich meine, das mal gelesen zu haben aber ich will das nicht behaupten. Aber Herr Böhmermann hat ja von Kindern gesprochen als Ratten, weil sie das Virus verbreiten. Ja, so etwas. Solche Äußerungen sind erst in dem Moment möglich, wo der öffentliche Diskurs diese Unterscheidung bekommen hat zwischen den Guten und den Schlechten, zwischen dem eindeutig Richtigen und dem idiotischen querdenkerischen, covidiotischen, was immer das ist, dem Bösen eben. Und dieses eingeführt zu haben, aus der Kanzel sozusagen das gepredigt zu haben, das ist die ursprüngliche Sünde, die in diesem Staat passiert ist. Der Bundeskanzler, der Bundespräsident hätten sagen müssen: „Wir sind in einer unübersichtlichen Situation. Wir tun nach bestem Wissen und Gewissen das, was wir für richtig halten im Rahmen unserer demokratischen Legitimation. Aber reden Sie mit Ihrem Nachbarn, der kann das auch ganz anders sehen. Ja, und wir müssen den gegenseitigen Respekt bewahren.“ Das ist aber nicht passiert. Wir haben eine demagogische Aufhetzung der Bevölkerung bekommen. Ich habe das in einem Artikel im Januar diesen Jahres habe ich das in der „Welt“ mal genannt: „die Aufkündigung der Republik“. Denn wenn der andere erst mal etikettiert ist als der Böse, der Schwurbler, der Idiot, dann muss ich ihn nicht mehr ernst nehmen. Dann muss ich mit ihm nicht reden. Das verstehen die Leute sofort.

Milena Preradovic: Und was ist mit den Intellektuellen? Darauf wollte ich auch noch mal hinaus. Also Leute, die von ihrem Kopf, die eigentlich vom Nachdenken und Hinterfragen leben sollten.

Dr. Michael Andrick: Also das ist aber eine falsche Prämisse. Die meisten Intellektuellen leben nicht vom Hinterfragen und Nachdenken, sondern die meisten Intellektuellen leben davon, dass sie im Rahmen eines ideologisch abgesteckten Bereiches bestimmte Funktionen erfüllen. Also, wenn Sie ein Lehrer sind an einer deutschen öffentlichen Schule, dann werden Sie über die Luftbrücke nach Berlin eine Heldengeschichte erzählen. Sie werden eine Heldengeschichte über die Luftbrücke nach Westberlin erzählen, die ja auch ihre Berechtigung hat. Aber Sie werden die Stalin-Note und die unterschiedlichen vorhergehenden Neutralitätsangebote an Deutschland in diesem Kontext wahrscheinlich nicht groß verhandelt sehen. Und wenn Sie das dann doch tun, dann kann es Ihnen passieren, dass Sie Probleme bekommen. Oder wenn Sie oder wenn Sie als Deutschlehrer Bücher auswählen, die allzu kontra Zeitgeist sind und um die mit Ihren Schülern zu lesen, habe ich in meinem Bekanntenkreis erlebt, dann können Sie dann plötzlich Probleme bekommen von der Schule, aber auch von anderswo. Also wenn Sie bei Springer oder bei anderen Verlagen sind, dann haben Sie faktisch eine inhaltliche Festlegung auf bestimmte Positionen. Manchmal wird das sogar im Arbeitsvertrag mit unterschrieben. Sie haben, wenn Sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Kiel arbeiten, dann müssen Sie gucken, was der Heiner und der Daniel sich wohl denken.

Dr. Michael Andrick: Also der Vize und der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein haben wir aus der Presse entnehmen können, dass es da durchaus üblich war, sich zu fragen, was der Daniel und der Heiner wohl denken, wenn man so oder so berichten würde. Das heißt, die meisten Intellektuellen sind nicht fürs rückhaltlose Hinterfragen und für das neukonstruieren von Diskussionsthemen bezahlt. Die meisten sind dafür bezahlt, im Rahmen eines bestimmten ideologischen Rahmens eine Funktion zu erfüllen. Die sind nicht unabhängig. Also intellektuell sein ist ein Handwerk. Wenn man aber wirklich auf Wahrheit und Gerechtigkeit hinauswill, also auf das Gute, Schöne, Rechte, wie es im Idealismus immer hieß, in einer Romantik, das ist dann für mich der Schritt von intellektuellem Handwerk zur Philosophie oder zur Kunst. Die Kunst kann ja auch Wahrheit ausdrücken oder zur Musik, da kann man auch Wahrheit ausdrücken. Aber ich würde schon, auch wenn es vielleicht ein bisschen selbstherrlich ist, ich würde schon sagen, dass das der Schritt vom Intellektuellen zum Philosophen besteht schon darin, dass man sich sagt: „Nee, egal, wie unbeliebt das jetzt ist, ich will jetzt wissen, was hier eigentlich der Sachverhalt ist. Ich will wissen, was hier eigentlich zu diskutieren ist und nicht, was irgendeiner mir sagt, was jetzt angesagt ist.“

Milena Preradovic: Also ich mag Philosophen nach Ihrer Definition. Letzte Frage, die mich noch interessiert: Leben Sie noch gerne in Deutschland?

Dr. Michael Andrick: Ach, ich habe drei Kinder. Zwei von denen sind in einer zweisprachigen Schule. Und die dritte kommt demnächst in die Schule. Ich bin gern in Berlin. Ich mag meine Freunde hier und ich mag all diese Dinge, die ich ihnen vorher aufgeführt habe, die am deutschen Staat immer noch sozial und ausgleichend sind, das mag ich alles. Was mich allerdings bekümmert und deswegen kann ich die Frage noch nicht abschließend beantworten, was mich bekümmert ist, wie einfach es war und wie schnell es ging, einen Großteil der Bevölkerung zur kleinlichen Verfolgung ihrer Mitmenschen anzuhalten, anzustacheln und das auch wirklich durchzuziehen. Auch gegen jede, wie man immer sagte, jede wissenschaftliche Evidenz. Es hat zweieinhalb Jahre gebraucht, bevor in einem sachverständigen Bericht der Bundesregierung nachzulesen ist, dass alle und ich betone alle auf die Gesamtbevölkerung angewendeten Maßnahmen keinen nachweisbaren Effekt erbracht haben. Das muss man sich mal klarmachen! Wie wie vielen Menschen ist das Leben verleidet worden? Wie vielen Kindern ist die Depression gebracht worden und häusliche Gewalt? Wie vielen Musikern ist die Lebensgrundlage entzogen worden? Wie vielen, wie vielen Menschen mit zu vielen negativen Emotionen ist ermöglicht worden, sie an ihren Mitmenschen auszuleben? Wie viel Hass und kleinliche Rachsucht haben wir in die Welt gesetzt? Vollkommen, vollkommen sinnlos!

Dr. Michael Andrick: Dass so wenig kritische Intelligenz in der Breite der Bevölkerung vorhanden war, um das nach wenigstens einem halben Jahr zu erkennen, na vielleicht darf man auch ein Jahr mitmachen. Das ist für mich der eigentliche Stolperstein, an dem ich immer noch kranke und wo ich manchmal damit ringe, nicht an manchen Stellen auch eine tiefe Verachtung zu empfinden. Aber das wehre ich dann ab, weil Verachtung zu empfinden, das ist das Ende, weil dann, wenn Sie jemanden verachten, dann können Sie mit ihm nicht mehr konstruktiv an einer besseren Zukunft arbeiten. Und das müssen wir letztlich. Ich will hier nicht weg, ich will, dass hier wieder ein Wind weht von Freiheit, von Selbstbestimmung, von offenem Streit. Und nicht dieser kleinliche Geist, dass nur die ein Recht haben, sich zu äußern, die die Wahrheit ausdrücken. Denn dazu braucht man immer ein Wahrheitsministerium, was entscheidet, was die Wahrheit ist. Meine Eltern sind aus der DDR geflohen. Ich will nicht in einem Staat leben, wo offiziell entschieden wird, was die Wahrheit ist und wo ich kriminalisiert werde, wenn ich damit nicht konform gehen kann. Also offene Frage.

Milena Preradovic: Schönes Schlusswort. Vielen Dank, Dr. Andrick, für diesen Einblick in die Philosophie der Stunde und ich hoffe, wir sprechen uns bald wieder.

Dr. Michael Andrick: Herzlichen Dank.

Milena Preradovic: Tja, Leute, mein Nachbar hat mir gestern erzählt, er stand mit seinen paar Leuten an der Theke einer Gaststätte und da kam einer rein, blickte sich etwas misstrauisch um und raunt: „Kann ich hier offen reden?“ Es ist eine unfassbare Geschichte, aber so weit sind wir schon gekommen. Ich finde, daran dürfen wir uns nicht gewöhnen. Und auch wenn der Kanzler glaubt, den Bürgern drohen zu müssen, das Recht auf die Straße zu gehen, sollte jeder nutzen, der das möchte. Auch um dem Kanzler zu zeigen, wer hier der Souverän ist. Demokratie-Kunde für Politiker. Ich wünsche euch eine gute Zeit. Bis bald.

Interview with Dr. Michael Andrick (english)

Milena Preradovic: When a German chancellor takes the right to determine who may demonstrate and who may not, when he insults his unloved critics all together as extremists, lateral thinkers and enemies of the constitution, threatens them with militancy and then calls that democracy. Where have we landed then? Olaf Scholz is trampling on fundamental rights. That is what enemies of the constitution usually do. And almost worse, he gets away with it. The well-behaved citizen and the loyal media have long since gotten used to this new democracy. The institutions are playing along and the judiciary has long been on board. What happens to a society in which questioning and reflection become an offense and obedience a duty of solidarity? We’ll talk about that now, too, in Point Preradovic. Hello, Dr. Michael Andrick.

Dr. Michael Andrick: Hello, I’m glad to be here.

Milena Preradovic: Nice to have you here. Let me introduce you briefly. You are a philosopher and historian, but not at home in the ivory tower. That’s because you’ve been working as a manager in large companies since 2006, at times also in the U.S., where you oversaw restructuring. You cite change projects as the common thread of your work, i.e. fundamentally questioning established approaches and trying out new ones. This year, you received the Jürgen Moll Prize for Comprehensible Language in Science for your book „Success Emptiness“ with Double E, Philosophy for the Working World. And you write a philosophical column in the Berliner Zeitung, where you also worry about fundamental rights, democracy and diversity of opinion, which have been under severe attack since the so-called Corona era. Well, and one may assume that this will continue, especially if one looks at a recent tweet by Chancellor Scholz. He wrote to peacefully express his opinion. That is one of the most important rights of our democracy. When rallies are hijacked by extremists, contrarians and enemies of the constitution, we don’t accept it. Because our democracy is defensible. That is a clear threat in the direction of critics of government policy. What does this tweet trigger in you?

Dr. Michael Andrick: Yes, it seems to me like a knot in a net. If you pull on this knot, you get an insight into the current development of our republic. I can think of more things than we could discuss in an hour. But we can name a few aspects. The first is that the Chancellor is speaking to the police there. In other words, he is speaking to the citizens who, in case of doubt, are responsible for enforcing state orders, for example at demonstrations. You have to realize that first. Then he uses language that is underdetermined. So he uses terms that are systematically vague: Extremist, contrarian, enemy of the constitution. These are all terms that require interpretation. And then the question arises: Who actually interprets which demonstrator is an enemy of the constitution, a lateral thinker, an extremist? There must be someone who decides that. And these three terms are political fighting words, and in the end, of course, they will be interpreted. That’s how the chancellor announces it, not only by himself as chancellor, i.e. as the representative of the government, but he even talks about „we“. He says „we will not accept this“. That is, he implies with what he says there a comradeship with the police to a kind of community of interests, with the police between the government and the police. But that is not in the spirit of separation of powers. And what strikes me particularly also still at the at the statement, the verb, so „hijack“. To hijack demonstrations, that is also a verb from the fairy tale and story language from the literary language and is also open to 1000 interpretations. So if you look closely at what he’s saying there and where he’s saying it, it’s worrisome. Especially since there are other developments that look like the state is arming itself to take action against its citizens. But maybe we’ll get to that. The new command of the Bundeswehr, for example.

Milena Preradovic: That’s right. The Bundeswehr can be deployed in homeland security starting in October. That’s also new. A new quality. The constitutional protection has introduced the delegitimization of the state, so to speak. Again, that’s so squishy. That is, these are all so, so developments that give one, that give one a government a very large decision-making power, because it’s a matter of interpretation.

Dr. Michael Andrick: You are referring to the Federal Constitutional Court and ultimately yes….

Milena Preradovic: Constitutional Court I had briefly….

Dr. Michael Andrick: You were talking about the constitutional protection.

Milena Preradovic: But Federal Constitutional Court fits there as well.

Dr. Michael Andrick: I would like to bring that into play, because the Federal Constitutional Court is the upper bracket in our legal system. The Federal Constitutional Court actually has a moral task. It checks whether the positive laws that are passed or even considered correspond to the basic values that are expressed in our Basic Law. And that’s where we have gained another, I would say another, fearful guardrail, I would call it, for public discourse at the moment. Because every attentive citizen has noticed that the Federal Constitutional Court today has several members who are former party politicians and has a chairman who is a one must. One can and must say a former party careerist from the CDU in the Merkel era is. And under the leadership of Mr. Harbarth, it is now the case that the Federal Constitutional Court has made a certain move on several occasions that is very questionable, namely the move of not forming an independent judgment at all from the bottom up on the facts that it has to judge. The Corona policy of the Federal Government was described as legitimate in the judgment of the Federal Constitutional Court on this, but by quoting, for example, from sources that are clearly under government influence, that is, in language of government communication during the crisis, so for example, the expression „dynamic infection event,“ that is, a vague expression that can be interpreted in any way, that is quoted from sources of government communication and is used to justify why the government policy is legitimate. So anyone who is listening to me here now and thinking this through can see how there is a circular argument. So you are appointed as the Federal Constitutional Court to examine the norms of this republic at the highest level, and you examine them by referring to statements made by those you are supposed to examine. That is ultimately a collaboration with government policy, but not a truly independent examination. And if that remains the practice of the Federal Constitutional Court, then that is really fatal for our separation of powers. And I am not at all alone in this assessment. If you talk to Alexander Christ about this or to other lawyers I know in my Berlin…

Milena Preradovic: I have, actually.

Dr. Michael Andrick: Did you even? Okay, well, I didn’t see it at all. How embarrassing. Yes, okay. Then you get a similar argument there and that’s saying something. So I as a term craftsman, who is really not a lawyer, look at it and say, wait a minute, a circular argument. And the lawyer also says actually a kind of abandonment of the separation of powers. And if you take all these things together like a mosaic, then you can come to your introduction, namely that there is actually a threat against the population, better not to expose themselves to these imponderables, better not to demonstrate. Because someone could apply one of these many vague terms to me, and then I would get into trouble. However, I expressly do not want to imply that Mr. Scholz wants to make such a threat. But it is enough if the political climate has come to that point and these framework conditions are such that one can understand it that way.

Milena Preradovic: Yes, and for me there is also a contradiction in this tweet, because in a democracy all these people are allowed to demonstrate, i.e. lateral thinkers, extremists. I mean, you don’t know what he means now, but basically anyone he threatens is allowed to demonstrate. And I have the impression that this democracy is possibly turning into something else before our eyes, into a new democracy. Or maybe it’s a democracy with totalitarian approaches, with a strict state.

Dr. Michael Andrick: What is missing in these statements is the fundamental democratic spirit, because the democratic spirit has to speak roughly like this, so if I were the democratic spirit now, I would speak roughly like this. I would say, my goodness, how do we come to good decisions in the self-government of equal citizens? Quite simple, actually. We need a range of opinion in the discussion that is as broad as possible. It’s best if we take Corona politics as an example. The best thing is when Wolfgang Wodarg sits on a podium with Mr. Drosten and one says, „There’s nothing going on here, leave people alone.“ And the other says, „The world will end if we don’t ABC.“ And these extreme positions mark a really meaningful spectrum of opinion, where then the citizen can form an opinion in the exchange of arguments. And if that’s the ethos, so to speak, the little moral that you actually have to have as a democrat, namely to have as broad a spectrum of opinion as possible within the framework of the moral guidelines of the constitution, then you do want a public debate in which there’s sometimes a good bang, in which sometimes people also feel they’ve been stepped on, or perhaps even feel insulted. That’s all part of it. These are all signs that a lively, broad debate is taking place. And if that’s the spirit of democracy? So, that debate is understood as the healthy normal case, and not a pathological exceptional case where the reasonable are pitted against the unreasonable, the good against the bad?

Dr. Michael Andrick: If you understand that as the normal case, that the dispute is normal in democracy, and you hold that up against these statements by Mr. Scholz, which amount to him saying in front of a police meeting under what circumstances the police should take action under his leadership, and that does not breathe democratic spirit and it is very questionable and shifts the coordinates of the public discussion towards an authoritarian form of representative democracy than we have known so far.

Milena Preradovic: You just mentioned the diversity of opinion, that it basically needs the most extreme positions, because that is then so broad that you can, that the citizen can then form his own opinion, so to speak, from all these arguments that lie in between, in this gray area. We definitely don’t have that anymore. So neither did Wolfgang Wodarg discuss with Christian Drosten anywhere, even though that was already demanded with a large petition yes, which was handed over to the WDR, I think, at the time. The media didn’t even think that something like that could, might or should happen. But what did that mean? So, if we now assume that we no longer have this diversity of opinion, what does that mean in the resolution for a society?

Dr. Michael Andrick: I wouldn’t quite agree with you that we no longer have diversity of opinion. Diversity of opinion does exist in the population. It just doesn’t exist on the media surface, because intimidation mechanisms take hold on the way to the expression in the media. The tweet from the chancellor is just one of them. I see a certain mechanism at work there. You see, when statements like this tweet by the chancellor are made and everything else we mentioned, that is, the ideological suspicion of the entire population that they could delegitimize the state, and as such fear guard rails are drawn in for the discourse. What does that lead to? The result is that only those who know that they are on the whole in line with the government, that on the whole they may perhaps add a footnote to what is being announced in the leading media and in the news, but that they do not really engage in any fundamental questioning of it, express themselves confidently and openly in the newspapers and on the television channels and on the radio. And that, in turn, must be thought through to the end. What does that lead to? It leads to the fact that normal people who work eight hours a day and whose money is getting tighter and tighter and who don’t spend their full time or the main part of their time reading and writing and and discussing like maybe you and I do. They look at the news broadcasts and realize that, yes, they are actually all of one mind. Then you look at RTL and then you look at ARD and look at two newspapers and say, man, they are all of one opinion. The people who say on the street that nothing dramatic is happening here, don’t make nonsense of the measures, they must be crazy. This is a tendency that then arises because the media surface gives the impression that all sensible people think the same.

Milena Preradovic: And, of course, the politicians do the same. I mean, those were already very encroaching times, when an SPD chairwoman called people covIdiots who were demonstrating, exercising their right to demonstrate. In other words, politicians were telling people: „Hey, they’re the bad guys, we’re the good guys, and you’re allowed to treat them badly, you’re allowed to defame and discredit them…“.

Dr. Michael Andrick: And the temptation to do that is of course very great. If you’re an attitude journalist, that is, a person who has learned to write in journalism schools that are sponsored by corporations and publishers, and has learned the technique, but doesn’t have a very deep historical or other education, and doesn’t have a very deep life experience. So if you’re such an attitude journalist, then it’s extremely attractive to say, „Wait a minute, this reasonable majority on the media surface, surely they need a lawyer, namely me.“ And so then you write comments where you’re like You have to quote them now, so that they feel that, so that they feel the consequences of what they’re doing. Nikolaus Blome, for example, who then says: „let the republic point its finger at the unvaccinated.“ Or that’s just one example. There are many such really inflammatory, downright inciting statements that were then made because it was so tempting for public speaking people to act as the advocate of this supposedly reasonable majority. And the whole thing went through the whole state. Even the Federal President made the same divisive mistake in several Christmas speeches, namely to say: „Fortunately, we have a reasonable majority. And this reasonable majority supports everything that the governments in Germany decree. This means that the Federal President divides the Germans into reasonable and unreasonable and from there…

Milena Preradovic: Was it a mistake? Or did he want it that way?

Dr. Michael Andrick: You see, there we are at the point, do we want to impute bad intentions or impute good intentions?

Milena Preradovic: At some point after the exclusion procedure, you come to it and think that stupidity alone can’t explain anything in the end.

Dr. Michael Andrick: No, Mrs. Preradovic, but there is also civility. And civility dictates that if I now, which will not happen to me, but if I meet the Federal President in my favorite cafe here in Berlin, in Wilmersdorf, then I want to be able to talk to him respectably, and I want to be able to convince him argumentatively. And if I were to stand here now and say that the Federal President is the supreme divider of the republic, then the basis for the conversation would be gone. And I will simply concede that he was mistaken. So he didn’t understand that such a statement is actually demagogy, that is, the attempt to steer the population through rhetorical means in such a way that they think that all those who are reasonable, good, compassionate, solidary, what all the adjectives were, all those who are like „us,“ who think that what I’m saying now, that too, is not in the spirit of democratic debate.

Milena Preradovic: „The walk has lost its innocence“. You have to come up with a sentence like that.

Dr. Michael Andrick: So it’s a particularly ridiculous atrophy of journalists who are trying hard not to get out of the fairway of government discourse….

Milena Preradovic: But the Federal President himself said that, if I remember correctly, that sentence.

Dr. Michael Andrick: I didn’t know that.

Milena Preradovic: Yes, of course we want to treat everyone respectfully. But we do have to ask ourselves a few things. A lot of people are sort of bashing the government as the culprit of what’s happening. But that’s all we had before in the government, and that’s where it really started. So with the narrowing of the diversity of opinion, with the paternalism of the citizens, with there is only the right and the wrong, so little discussion. So it’s not limited to this government. So I ask myself, is it now the politicians who determine the system in which we live? Or is it maybe the system that determines the politicians?

Dr. Michael Andrick: That’s a very good question. We can ask that one on several levels….

Milena Preradovic: Now I’m waiting for a good answer.

Dr. Michael Andrick: Yes. So, let’s look historically first. Yes, I want to tie this to a number. So since the 1970s, the Allensbach Institute has been asking Germans, „Do you blithely and cheerfully speak your political mind freely? Or don’t they?“ In the 70s, there were answers that went up to 80% „Yes, of course.“ And those were not unpolarized times. We remember the sixty-eight revolt, the following years the Red Army Faction, the NATO double decision, i.e. changes of government, which also had ideological issues as a background, and still 80 % say „Yes, of course, I do, that’s a matter of course“. Today, that’s still 45%. We have already talked about the intimidation mechanisms. Why is that? I think that roughly what has happened historically is this. The cheese cover, the cheese cover of this East-West confrontation, it was lifted. As long as there was still a theoretical and practical alternative to the Western-oriented industrial and service capitalism, let’s call it that, there were also reasons for the big capital owners and the, let’s say, the political-industrial-media complex in the old Federal Republic to make sure that productivity gains in the economy were translated into wage increases, so that a strong middle class would emerge that would have a real share in the prosperity of the country and in the economic development, and that would also have the feeling that they could lead their lives in free self-determination. For there was, at least ideologically and theoretically, an alternative that claimed that a society could be set up in a completely different way.

Dr. Michael Andrick: And I think that those in West Germany who are interested in politics have not forgotten that after the Second World War a whole series of manipulations by the occupying powers were necessary to prevent, for example, entire industries from being collectivized. That’s not taught in school in such a big way. I did my Abitur in the countryside near Hanover, so I didn’t learn about that when it came to postwar history. But there were referendums in several German states, referendums with a majority of 70% or more, which said that we had to activate certain industries so that war would become systematically impossible. Yes, at that time there were signs that an economy oriented more to collective interests and more to common property could be an attractive model for the working classes. And because they knew that and didn’t want to look worse than communism, so to speak, they implemented a social market economy that really deserved the name. Now the cheese bell is coming off. 89 man is left and considers himself the winner. Therefore, and now you can do globalization. I do not know whether most people notice this, but globalization is already in the expression one a totalitarian program. So here is to spread an economy and a way of life over the whole world. So that’s a strong statement. That is the historical dimension. Ms. Radowitz, I think. Why? That the thinking in the real alternatives, the really fundamentally controversial discussion, is deserted.

Dr. Michael Andrick: And that’s why it then becomes so easy for politicians to say, „Yes, so what I’m announcing here as the chancellor of the grand coalition is not, for example, an opinion to be debated controversially.“ That’s Tina. There is no alternative, there is no alternative. Because we have globalization, we have digitization and a few other sings that are then cited as if they were simply forces of nature to which one is subordinate, to which one sees oneself at the mercy. In other words, the need for a truly fundamental debate has disappeared in the eyes of the political actors at the age of 89. After all, we were and are already the good guys, and that is destroying the intellectual landscape. And so one can then explain that at the beginning of such a crisis as the Corona pandemic, the public weighing of goods is simply omitted and simply what the government pours out on the media surface is declared to be the only reasonable version of reality. This is fatal. So unlearning plurality, which is what we’re past, is fatal and is a major reason why I speak out so often now and speak out so much, because I say, „Controversy is normal, finally start arguing with each other again, and fundamentally, and don’t be afraid of these fear guardrails that are being drawn in, they’ll be gone faster than you can look.“ Once you start having real controversial discussions again.

Milena Preradovic: You talked earlier about the social market economy, which was basically introduced after the war more or less so that there would be some justice, so that people would also have some satisfaction. But that is now wastepaper. So the social market economy is gone, isn’t it?

Dr. Michael Andrick: No, it is not obsolete. I think that’s an undifferentiated judgment. So let’s take a look: We have a solidary financed health care…

Milena Preradovic: Yes, but let’s say it’s going downhill.

Dr. Michael Andrick: Well, let’s first say what it is and then we can say whether it’s going up or down. But we have a solidly financed health care system, we have a pension system, which as a rule, I know there are exceptions, but as a rule guarantees worthy pensions. We have a progressive tax system, even if the trend has clearly been to lower the top tax rates further and further, to exclude types of income from progressive taxation – for example, the capital gains tax, which was previously progressive, has been set at 25% by a Social Democrat. There are tendencies against this, but we also have an administrative system in Germany that guarantees a very high level of legal certainty beyond politically poisoned issues. And I say this as someone who has traveled the world professionally, to China and Latin America and the United States and elsewhere. And all the things I have just mentioned seem to some people, even to many people in the world, to be a pretty paradisiacal state of affairs at first. Also that we have the basic principle in our social policy that, as the chancellor said the other day, „yes, no one is left behind,“ that there is a basic security that is granted regardless of the individual’s ability to pay, even if you now rename it and justify it in a slightly different ideological way.

Dr. Michael Andrick: But we have all that. That means that we are not yet living in the ruins of a welfare state, but there are tendencies toward deterioration. So that would be my assessment. That’s another reason why it makes a lot of sense to speak out now and to fight for an open climate of opinion. Because if we don’t do that now, then under certain circumstances things will continue to deteriorate. And in the end, we won’t be able to see what’s happening in politics on the media surface, because it’s so narrowly defined. The fact is that we will lose the freedoms we don’t use because we ourselves no longer understand their value, no longer know their value, and because those in political power then see no reason to grant them. In other words, we can only defend a free and open space for public debate by speaking up ourselves and by fearlessly defending the position we believe to be right and by putting all the alternatives on the table. That is my concern. That’s why I spend so much time speaking out publicly.

Milena Preradovic: But I already have the impression that the last few years have had an effect on many citizens. That is to say, they themselves no longer assume a truly democratic discourse. They say: „We are the majority and you should shut up. That means, of course, that I ask myself how great the democratic appetite of ordinary people still is. Something like brainwash has already taken place. „You guys do this. Science is always right. We’ll tell you what to do.“ And let’s put it this way, of course there was a large minority that rebelled a little bit against it, but the others, whether despite all the contradictions, just go along with it.

Dr. Michael Andrick: Nevertheless, we have a common problem and that’s why I don’t want to jump into the trenches and condemn my fellow citizens at this point.

Milena Preradovic: But it is not about condemning. It’s not condemning, it’s stating.

Dr. Michael Andrick: Yes, yes, I agree with you. So, we still have a big…So, I actually see this as a trust issue. People have trust in the wrong sources and people. And that’s very disconcerting to me as someone who comes from political philosophy as well, to observe that in my peers like that, because it’s completely self-evident to me that citing the truth the facts, that’s one way among others in politics. After all, we have a Minister of Health who himself has publicly made the most astonishing statements.

Dr. Michael Andrick: He has declared that the truth is politically deadly, the Mr. Lauterbach. On another occasion, he has publicly explained completely freely how he first recommended to a university the introduction of a certain chair with a certain qualification requirement and then, because he himself has exactly these qualifications, he applied and that is exactly why he got the chair. These are quite astonishing, how shall we say, leaks of honesty. And we immediately recognize them as momentary lapses, because we know that in politics the truth is used tactically. That should be clear, I think, to everyone, according to my thinking experience and life experience. But this is quite obviously countered by a need, among large sections of the population, to trust those who have power over them and to assume that the more power they have, the better, the more reliable, the more responsible they are. But that forgets something very important. And I tried to think about this more systematically in my last book. Namely, it is forgotten which mechanisms actually select the leadership personnel. So who actually gets to the top in such a party democracy and according to what principles? And I think that if people would think about this more carefully, they would perhaps have less misplaced trust in party officials. I have been in several parties myself, always leaving.

Dr. Michael Andrick: Incidentally, I most recently left the SPD after Mrs. Esken publicly said the following: „Masks for elementary school students, that’s manageable for elementary school students.“ I don’t want to comment further on that. I have been upset on too many occasions about the criminal mistreatment of our children, and it always gets me emotionally distressed as well. But that was the point for me where I said „Not my party.“ And then resigned. But what are these selection mechanisms in parties? I would describe it as a „made-to-measure“ approach. Just as you can have a made-to-measure suit and other things, you can also have a made-to-measure production. And in the parties it goes like this: First, you have to be good friends with everyone you meet, because you don’t know who is involved with whom behind the scenes. And secondly, you have to be careful not to express concrete opinions on concrete factual issues. Because having a concrete opinion on a concrete factual issue divides their network. Because just because the party is called the FDP, for example, doesn’t mean that everyone there has read John Stuart Mill and memorized the Constitution and now defends civil rights. There is no such ideological uniformity in the parties. Hans Eichel reduced the capital gains tax to 25% as a Social Democratic finance minister and abolished capital gains tax for company shares.

Dr. Michael Andrick: That means that Deutschland AG was able to sell each other’s shares and pocket billions tax-free. You can see right away that has nothing to do with the small trade union member in the SPD base. So two lessons, the first is to be good friends with everyone and the other is not to express any concrete opinion, because then their network works. And then, if they have invested long enough, in „being nice“ and being „opinionless“, then you can get into a promising constituency or a promising list position and then you will be drafted. And that’s why, by and large, we have such unremarkable people in our political higher strata, who more often than average also plagiarize books, who lie about their qualifications, who try to fudge their résumés to fit into certain discourses, as was the case recently in our foreign office. And that explains the whole partisan political milieu in which our politicians grow up is a mediocrity milieu. Invite yourself entrepreneurs sometime. In other words, someone who is really responsible for his own money, his own people, his own locations and products, and talk to Mr. Rupp about the strategic and tactical quality of the thinking, discussions and proposals of our party-politically selected elite. You will not hear much cheerful from him.

Milena Preradovic: I am quite sure about that. He always hits the mark. So these politicians, by their definition, are strict conformists. That’s quite interesting. I have read your book and you divide people roughly into two groups: moral people, those who think and question, and conformists.

Dr. Michael Andrick: Right, it’s true that we both have those in us. But those are the two poles, so to speak, that we have to straddle in life. So on the one hand, we have to be conformists to a certain degree, because we can’t reinvent the wheel every day and we can’t renegotiate everything every day. So your technician gave me a briefing earlier on how to put the screen here. He knows from experience how to do that. And you’re not going to revise that every day and discuss it freely. There he is simply conforming to a rule and I am also conforming. But what is important is to be moral, that is, to have one’s own point of view on evaluation, which for me essentially means that I reserve the right to object. So when I hear the chancellor say to the police union: „Watch out, you lateral thinkers, we’re coming,“ then I compare that with my set of values, with what I consider to be right, and say: „No, Mr. Chancellor, read up again on the separation of powers. So I reserve my own point of view and my own judgment. And I don’t just act as, how shall I say, as a result of my environmental influences.

Dr. Michael Andrick: Yes, and there are these two extremes. So when I’m merely a functionary, that is, when I’ve pushed conformism with sporting zeal to the point where I’m just wondering all the time, „What do you think the expectations of others are? What do I think are the requirements of the situation? What do you think I have to do to be popular or to get what the others have to hand out?“ Whether it’s a promotion or a list position or whatever. If I operate only in this way, then in my terms in the book Success Emptiness I am then a functionary and the functionary is the one who just no longer cultivates and asserts his own point of view when that is necessary, but someone who simply follows external guidelines. My image for this is that of a bat. The bat sends sonar waves into the world. And depending on what comes back, it then moves so as not to fly into the wall or into the chair.

Milena Preradovic: The bat. The final conformist is the bat.

Dr. Michael Andrick: And a really sophisticated conformist, so they do it with ambition. A careerist, for example, can perhaps be compared to this in terms of his mode of movement. So he just looks at what the surrounding weather is like? And if I do that now, what might happen? And this kind of functionaryism is very, very important in the parties and is extremely promising for advancement there, and it is precisely the assertion of one’s own point of view, thinking for oneself from the ground up, that is not so popular and does not lead one further if one wants to make a career in a party.

Milena Preradovic: But not only in parties. I have the impression that this is not popular in general. Questioning, reflecting. That’s usually not popular in large companies, that’s not popular in institutions, that’s actually not popular in authorities. My experience is that you actually want to have this employee who is told what to do and then runs off.

Dr. Michael Andrick: I would partly disagree with that. In fact, there is another criterion in commercial enterprises. In the end, there has to be a product or a service at a reasonable cost that people are willing to pay for. And that becomes very, very objective. So if your sales figures go down, then something seems to be wrong with the way the company has been working up to now. And there is then a regulator and that’s why also people who have just as it were as a personal in quotation marks „brand“ to think really obliquely and crosswise to the established procedures and credos, they are quite welcome and popular in business enterprises. That’s why consulting services sell so well, Ms. Preradovic. Time and again, consulting firms come into small and medium-sized businesses or into larger companies that are staffed by people who are not that old, who have just come out of university, but who come into the structure from the outside and are bought in because they have this view from the outside. So creatively disrupting what you’re used to is an established practice in business. Innovation has long been one of the STANDARD departments in larger companies, because we know that our old habits will not bring us new customers, and they will not bring us new business success. That’s why it’s always priced in. But in all the institutions that have a guaranteed existence, I completely agree with you. Administrations, university personnel, so what is also permanent and cannot be removed. Police. In all such structures that have a guarantee of existence, there is this self-interest in creative disruption, that doesn’t exist there. And that’s why these mechanisms that we’ve just been talking about take full effect.

Milena Preradovic: But I think that your moral, reflective, questioning person has almost become an enemy of the constitution. That is, he can even be moved there, if he simply thinks about it. So one has already the impression that thinking and questioning above all loudly and publicly, is an offense and obedience is the duty, the solidary become that that is so the way straight.

Dr. Michael Andrick: So I can now say something about my craft. And just as a carpenter can talk about how to make chairs, I can say something about argumentation, I am a philosopher. And it’s not possible at all, it’s logically impossible, that you as a philosopher deal uncritically with those in power and what they say. That’s not possible at all. And that has a very simple technical reason. The greatest exercise of power happens, namely in an open society. The moment someone says what we’re talking about now and in what terms we’re talking about it. In the spring of 2020, a faction has asserted itself around the government and as we have now learned from research from the „Welt“, so after it was written down elsewhere two years before, we now also learn it from research from the „Welt“, that networks of philanthropists, foundations around the WHO also had a great influence on what was made as the initial diagnosis at that time. The most important moment in terms of power politics is when someone says: „For example, we now have a global pandemic with a deadly virus. And the only way out is vaccination with this new technology.“ So I just improvised that now, but anyway, that would be such a statement. At that moment, a philosopher has to do the following: Wait a minute, what’s the definition of pandemic again? What exactly does deadly mean in this context? Where are the numbers on that? How do those numbers compare to other comparable diseases? Wait a minute, who said that and who did he have breakfast with beforehand? Who is he? Where did he get his money for his research projects that he now says the way out is X? Yes, that is simply craftsmanship. The decisive moment in terms of power politics is when the discourse is ordered with terms.

Dr. Michael Andrick: And that’s why the job of philosophers and of any independently thinking person is to say, „Wait a minute, are these actually the right terms to describe what’s going on here?“ And when you do that, you challenge the most important power move of the government of any government in the world, which is the sovereignty of discourse. And that’s why I can give all the listeners a navigation criterion, a distinguishing criterion: „If you see somebody somewhere, on TV or here, at point Preradovic or somewhere else. And he is a philosopher somewhere from the university or something or stands under his name he is a philosopher and he uses uncritically the language of the government. He doesn’t ironize it, he doesn’t question it. He doesn’t offer any alternatives and he just uses it uncritically. Then you know, it’s not a philosopher, it’s not a philosopher.“ That’s why you’re allowed to make such statements anyway. After all, sometimes I agree with the government. I don’t always have a contrary opinion. But I would never go and just say, „Oh, yes, that’s called a citizen’s income now, let’s talk about a citizen’s income.“ Instead, I would always first ask: „Oh, citizen’s income, oh, the citizen gets money now, that’s very interesting. As a citizen, he gets money now, how much does he get and under what conditions?“ And only when I have answered all these questions will I possibly embrace that. And that is never popular anywhere. That attitude, in principle, is never popular anywhere with someone who wants to exercise power over someone else. But it is the basis of democracy. Only if we are citizens who act that way, then we can keep abuse of power down in the long run and live freely with each other. Only if we do that.

Milena Preradovic: Yes, and there I am a bit pessimistic. If you look at how in the last two years, especially so-called intellectuals, that is, people who basically also live from their spirit, of course, other people, but also the intellectuals, who were quick to openly discredit, to diffuse those who were not in line, to discredit openly, to defame, to exclude, to come around the corner with terrible suggestions about what to do with them, to wish them dead, because the rulers, that’s how I felt, made it clear to them that this was okay, because politics had advanced. And this obedience, especially of the thinking class, really shook me up. So there I didn’t recognize any inner morality at all.

Dr. Michael Andrick: I would see two factors there. One is, we mentioned it earlier, it’s a big word, but when you start to divide the population into the good and the bad, the reasonable and the unreasonable, the solidary and the unsolidary, with evaluatively charged terms from a public position. So if you no longer grant citizens the right to make truly fundamentally different judgments, you are engaging in demagoguery, and this demagoguery is perceived by the population as a legitimation for exclusion. A legitimization of exclusion, which can go as far as dehumanization.

Dr. Michael Andrick: So I remember a, I think also a TV comedian without a high school diploma, what’s his name Baumann?

Milena Preradovic: Böhmermann. He doesn’t have a high school diploma?

Dr. Michael Andrick: I think I read that once, but I don’t want to claim that. But Mr. Böhmermann did talk about children as rats, because they spread the virus. Yes, something like that. Such statements are only possible at the moment when public discourse has acquired this distinction between the good and the bad, between what is clearly right and what is idiotic, cross-thinking, covidiotic, whatever that is, evil. And to have introduced this, to have preached this from the pulpit, so to speak, that is the original sin that happened in this state. The Federal Chancellor, the Federal President should have said: „We are in a confused situation. To the best of our knowledge and conscience, we are doing what we think is right within the framework of our democratic legitimacy. But talk to your neighbor, he may see it quite differently. Yes, and we must maintain mutual respect.“ But that did not happen. We got a demagogic incitement of the population. I once called this in an article in January of this year in the „Welt“: „the denunciation of the republic“. Because once the other person has been labeled as the bad guy, the jerk, the idiot, then I don’t have to take him seriously anymore. Then I don’t have to talk to him. People understand that immediately.

Milena Preradovic: And what about the intellectuals? That’s what I wanted to get at again. So people who should live from their head, who should actually live from thinking and questioning.

Dr. Michael Andrick: Well, that’s a false premise. Most intellectuals don’t make a living from questioning and reflecting, most intellectuals make a living from performing certain functions within an ideologically delineated field. So, if you are a teacher in a German public school, you will tell a hero story about the airlift to Berlin. You will tell a heroic story about the airlift to West Berlin, which has its justification. But you will probably not see the Stalin note and the various preceding offers of neutrality to Germany negotiated in a big way in this context. And if you do, then you may run into problems. Or if you or if you as a German teacher choose books that are all too contra Zeitgeist and to read those with your students, I have experienced in my circle of acquaintances, then you can then suddenly get problems from the school, but also from elsewhere. So if you are at Springer or at other publishing houses, then you have a de facto commitment to certain positions in terms of content. Sometimes this is even signed in the employment contract. If you work for the public broadcaster in Kiel, you have to see what Heiner and Daniel are thinking.

Dr. Michael Andrick: Well, the Vice President and the Minister President of Schleswig-Holstein, we have been able to gather from the press that it was quite common there to ask what Daniel and Heiner might be thinking if one were to report this way or that. That is, most intellectuals are not paid to question without reserve and to reconstruct topics for discussion. Most are paid to fulfill a function within a certain ideological framework. They are not independent. So being intellectual is a craft. But if one really wants to aim at truth and justice, that is, at the good, the beautiful, the right, as it was always called in idealism, in a romanticism, that is then for me the step from intellectual craft to philosophy or to art. Art can also express truth, or to music, there you can also express truth. But I would say, even if it is perhaps a bit self-important, that the step from the intellectual to the philosopher consists in saying to oneself: „No matter how unpopular this is now, I want to know what the facts actually are here. I want to know what is actually to be discussed here, and not what some guy tells me is now the order of the day.“

Milena Preradovic: So I like philosophers by your definition. Last question I’m still interested in: Do you still like living in Germany?

Dr. Michael Andrick: Oh, I have three children. Two of them are in a bilingual school. And the third one will start school soon. I like being in Berlin. I like my friends here and I like all these things that I listed to them before that are still social and balancing about the German state, I like all that. What grieves me, though, and that’s why I can’t answer the question conclusively yet, what grieves me is how easy it was and how fast it was to incite, to incite a large part of the population to the petty persecution of their fellow human beings and to really pull it off. Even against any, as they used to say, any scientific evidence. It took two and a half years before an expert report by the federal government showed that all measures, and I emphasize all measures applied to the population as a whole, had no demonstrable effect. You have to realize that! How many people’s lives have been spoiled? How many children have been brought depression and domestic violence? How many musicians have been deprived of their livelihood? How many, how many people with too many negative emotions have been enabled to act them out on their fellow human beings? How much hatred and petty vindictiveness have we brought into the world? Completely, completely senseless!

Dr. Michael Andrick: The fact that there was so little critical intelligence in the breadth of the population to recognize that after at least half a year, well, maybe you’re allowed to go along for a year. That’s the real stumbling block for me, where I still struggle and where I sometimes struggle not to also feel a deep contempt in some places. But then I fight that off, because to feel contempt, that’s the end, because then if you despise someone, then you can’t work with them constructively on a better future. And that’s what we have to do in the end. I don’t want to leave here, I want a wind to blow here again of freedom, of self-determination, of open dispute. And not this petty spirit that only those have a right to express themselves who express the truth. Because for that you always need a Ministry of Truth, which decides what the truth is. My parents fled the GDR. I don’t want to live in a state where it is officially decided what the truth is and where I am criminalized if I don’t conform to it. So open question.

Milena Preradovic: Nice closing. Thank you very much, Dr. Andrick, for this insight into the philosophy of the hour and I hope we talk again soon.

Dr. Michael Andrick: Thank you very much.

Milena Preradovic: Well, guys, my neighbor told me yesterday, he was standing at the counter of a pub with his couple of people and someone came in, looked around a little suspiciously, and murmured, „Can I speak frankly here?“ It’s an unbelievable story, but that’s how far we’ve come. I don’t think we should get used to that. And even if the chancellor thinks he has to threaten the citizens, the right to take to the streets should be used by anyone who wants to. Also to show the chancellor who is the sovereign here. Democracy lesson for politicians. I wish you a good time. See you soon.

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4 Kommentare

  1. Stephan

    ich schließe mich an: Vielen Dank für dieses großartige Gespräch!

    Antworten
  2. Martin Feldmann

    Tatsächlich großartig! Klar, nachvollziehbar, auf den Punkt. Eine echte Bereicherung. Vielen Dank für dieses Gespräch!

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  3. Sebastian Moll

    Vielen Dank für die Erwähnung des Jürgen-Moll-Preises!

    Antworten
  4. Arturo

    Großartig!

    Das Regime führt die RegierungsGEWALT direkt und ohne demokratische Reibungsverluste gegen die Bürger aus …
    … derweil wir Bürger immer noch glauben, die ‚liebe‘ Polizei seien Bürger in Uniform, Freund und Helfer. Und da wir auf eigene Gewaltfreiheit geeicht sind (sonst wären wir ja nicht demokratisch) erdulden wir brav und ‚wie es sich gehört‘ der Obrigkeit. Jeglicher Obrigkeit.

    Da tun solche Interviews gut! Danke, Milena Preradovic! Und danke an den Gast dafür, dass er so nebenbei erwähnt hat, dass schon der Begriff ‚global, -istisch‘ an sich faschistisch ist.

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