Seit Trump US-Präsident ist, ist ein Frieden im russisch-ukrainischen Krieg möglich geworden. Und was dann? In Europa kursiert die Vorstellung von „Nürnberger Prozessen“ gegen Russland. Richterin Dr. Clivia von Dewitz hält das für den falschen Weg. Sie plädiert für eine Friedenskommission nach Vorbild der südafrikanischen Wahrheitskommission nach Ende der Apartheid. Dort konnten die Verantwortlichen Amnestieanträge stellen, mussten allerdings die volle Wahrheit über ihre Taten bekennen. Das führe zu gesellschaftlicher Heilung, so die Autorin von „Gerechtigkeit durch Wiedergutmachung“. „Wer einen dauerhaften Frieden will, der braucht Versöhnung“.
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Interview mit Dr. Clivia von Dewitz (deutsch)
Milena Preradovic: Mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten geht es im Ukrainekrieg zum ersten Mal nicht nur um Waffenlieferungen, sondern auch um eine mögliche Friedenslösung – sehr zum Ärger vieler europäischer Akteure. Auch Deutschland tut sich schwer mit dem eigentlich Wünschenswerten. Politik und Presse reagieren mit Häme und Ablehnung auf erste diplomatische Versuche. Warum? Weil es offenbar einen „guten“ und einen „bösen“ Frieden geben soll. Einen Feind und einen Freund. Jede Menge Interessen. Aber ist das wirklich hilfreich, um das Töten zu beenden? Und was kommt danach? Rache?
Mein heutiger Gast verfolgt einen ganz anderen Ansatz. Sie forscht zum Thema Wiederherstellung von Gerechtigkeit und plädiert für Heilung, Versöhnung und sozialen Frieden. Dafür gibt es prominente Vorbilder. Wie das funktioniert – jetzt bei Punkt Preradovic. Hallo, Dr. Clivia von Dewitz. Schön, dass Sie da sind.
Dr. Clivia von Dewitz: Liebe Frau Preradovic, vielen Dank für die Einladung zu diesem Gespräch.
Milena Preradovic: Sehr gerne. Ich stelle Sie kurz vor: Sie sind Richterin und haben 2005 zum Thema NS-Gedankengut und Strafrecht promoviert. Seit Dezember 2024 sind Sie habilitiert. Ihre Habilitationsschrift widmet sich dem Konzept der Restorative Justice – also der wiederherstellenden Gerechtigkeit – als Form einer therapeutischen Justiz. Angeregt dazu hat Sie unter anderem ein Praktikum 1997 bei der südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission. Sie haben die Lehrbefugnis für Strafrecht und Kriminologie mit Schwerpunkt auf alternativer Konfliktlösung. Zudem sind Sie ausgebildete Mediatorin. 2023 erschien Ihr Leitfaden für die richterliche Praxis zum Täter-Opfer-Ausgleich und zur strafrechtlichen Mediation. Im Oktober letzten Jahres haben Sie ein Institut zur Friedensstiftung mit Sitz in der Schweiz gegründet. Und Sie sind Buchautorin – Ihr aktuelles Werk trägt den Titel Gerechtigkeit durch Wiedergutmachung und beleuchtet die südafrikanische Wahrheitskommission sowie deren Übertragbarkeit auf den Ukrainekonflikt.
Im Moment erleben wir allerdings das Gegenteil von dem, wofür Sie stehen: eine Zeit der Extreme, voller Unversöhnlichkeit und Aufstachelung. Alles wird eingeteilt in Gut und Böse. In Europa wird kaum um Frieden gerungen, sondern eher um Kriegstüchtigkeit und Aufrüstung. Beunruhigt Sie das?
Dr. Clivia von Dewitz: Es beunruhigt mich ehrlich gesagt nicht allzu sehr, denn gerade aus Amerika kommen aktuell deutliche Signale für Friedensgespräche – und die stoßen offenbar auch auf Resonanz. Entscheidend ist, dass Vertrauen aufgebaut wird. Und man sieht daran auch, wie zentral Amerika in diesem Konflikt ist. Es handelt sich ja de facto um einen Stellvertreterkrieg. Ich bin zuversichtlich: Wenn Amerika Frieden will, wird es auch Frieden geben. So nah wie jetzt waren wir noch nie an einem möglichen Friedensschluss im Ukrainekonflikt. Ich halte es für durchaus realistisch, dass es bis Ende des Jahres zu einem solchen kommen könnte.
Milena Preradovic: Also sehr optimistisch. In Europa – insbesondere in Deutschland – wird auf die Friedensbemühungen von Donald Trump ja vorwiegend mit Spott und Ablehnung reagiert. Sowohl Politik als auch Medien bewerten seine Vorstöße negativ – auch wenn es naturgemäß noch keine konkreten Ergebnisse gibt, die man hierzulande offenbar sofort erwartet. Sie sehen das anders?
Dr. Clivia von Dewitz: Ja, man sollte sich auf das konzentrieren, was tatsächlich geschieht. Und das Wichtigste ist im Moment: Der Gesprächsfaden ist wieder aufgenommen worden. Es gibt wieder direkte Kontakte. Trumps Vermittler Steve Vitkov war kürzlich in Moskau und hat mit Wladimir Putin gesprochen. Das ist ein bedeutender Schritt. Auch die ersten amerikanischen Sanktionen gegen Russland wurden aufgehoben – ein deutliches Zeichen der Annäherung. Ich sehe das als sehr positiv. Ich denke zudem, dass Großbritannien sich bald wieder stärker an die Seite der USA stellen wird, und dass andere europäische Länder diesem Kurs folgen könnten. Denn ganz ehrlich: Europa allein kann die Ukraine in einem Krieg gegen die Atommacht Russland gar nicht nachhaltig unterstützen. Ohne Amerika geht das nicht. Und wenn die USA Frieden wollen, dann wird es ihn geben. Auch Jeffrey Sachs hat das in Interviews mehrfach betont – dem kann ich mich nur anschließen.
Milena Preradovic: Es ist schon erstaunlich, wie sehr sich Europa – und auch Deutschland – gegen diese Bemühungen sträubt. Man hält stur an moralischen, oder besser: pseudomoralischen, Dogmen fest. Russland hat den Krieg begonnen – also muss Russland ihn auch beenden, sonst gibt es keinen Frieden. Aber ist diese Haltung wirklich hilfreich?
Dr. Clivia von Dewitz: Nein, das ist sie nicht. Als Mediatorin kann ich sagen: In Gespräche muss man offen hineingehen. Die Aufgabe eines Vermittlers ist es, gemeinsam mit den Konfliktparteien bereits vorhandene Lösungsansätze zu erkennen und zu fördern. Diese dogmatische Haltung halte ich daher für wenig zielführend. Ich sehe aktuell, dass Europa eher auf Kriegskurs ist – aber der Zug fährt längst in eine andere Richtung.
Milena Preradovic: Ihr Wort in Gottes Ohr. Sie beschäftigen sich intensiv mit Heilungskonzepten für Konflikte – und auch für die Zeit danach. Für die Ukraine schlagen Sie eine Kommission nach dem Vorbild der südafrikanischen Wahrheitskommission vor. Können Sie diese südafrikanische Kommission kurz einordnen?
Dr. Clivia von Dewitz: Die südafrikanische Wahrheitskommission war ein einzigartiges Modell. Sie entstand aus einem ausgehandelten Kompromiss, der letztlich zur Präsidentschaft von Nelson Mandela führte. Warum war sie so besonders? Zum einen gab es öffentliche Anhörungen der Opfer – das ist ein klassisches Element solcher Kommissionen. Den Betroffenen wurde Raum gegeben, ihre Leidensgeschichten zu erzählen.
Milena Preradovic: Man muss vielleicht dazu sagen: Diese Kommission wurde nach dem Ende des Apartheidregimes eingerichtet.
Dr. Clivia von Dewitz: Genau. 1995 wurde ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, auf dessen Grundlage die Kommission von 1996 bis 1998 – mit Verlängerung auch darüber hinaus – arbeiten konnte. Besonders interessant für mich als Juristin war das Amnestieverfahren: Täter konnten Amnestie beantragen, die ihnen auch gewährt wurde – sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich. Das heißt: Die Opfer konnten später keine zivilrechtlichen Ansprüche wie Schmerzensgeld oder Schadensersatz geltend machen. Diese Lücke sollte durch staatliche Entschädigungszahlungen ausgeglichen werden.
Und genau hier sehe ich auch Verbesserungsbedarf: Das hat in Südafrika nicht gut funktioniert. Deshalb schlage ich in meinem Buch vor, dass bei einer Friedenskommission – ich bevorzuge diesen Begriff, weil es sich hier um einen zwischenstaatlichen Konflikt handelt – die finanziellen Entschädigungen von einer separaten Institution organisiert werden. Die Kommission selbst sollte sich auf würdevolle Opferanhörungen und strukturierte Amnestieverfahren konzentrieren. Und eines möchte ich dabei ausdrücklich betonen: Es geht nicht darum, dass Täter ungestraft davonkommen. Ganz entscheidend ist, dass es eigentlich schon vor der Einrichtung einer solchen Kommission Strafverfahren vor nationalen oder internationalen Gerichten geben sollte. Alle, die schwere Menschenrechtsverletzungen begangen haben, müssen fürchten, strafrechtlich verfolgt zu werden – es sei denn, sie beantragen Amnestie. So war es auch in Südafrika. Eine Kommission kann im Prinzip erst dann sinnvoll arbeiten, wenn erste Ermittlungsverfahren laufen, Anklagen erhoben wurden – idealerweise sogar schon erste Urteile gefällt wurden. Das habe ich in meinem Buch ebenfalls herausgearbeitet. Interessant fand ich, dass in der Ukraine tatsächlich schon 2022 erste Strafverfahren gegen russische Soldaten geführt wurden – mit zum Teil hohen Urteilen. In einem Fall etwa hatte sich ein Soldat selbst gestellt. Er hatte einen Zivilisten erschossen, weil er befürchtete, dieser könnte durch einen Anruf verraten, dass russische Truppen auf dem Weg seien. Der Soldat handelte auf Befehl und hat sich im Verfahren vollständig kooperativ gezeigt. Er hat gestanden, sich den Fragen der Witwe gestellt – aus Sicht der Restorative Justice ein vorbildlicher Vorgang. Dennoch erhielt er zunächst die Höchststrafe. Im Berufungsverfahren wurde diese auf 15 Jahre reduziert. Ich finde das ein wenig bedauerlich, denn hier hätte die Ukraine zeigen können, dass sie einerseits konsequent gegen Kriegsverbrechen vorgeht, andererseits aber auch Milde walten lässt, wenn Reue und Verantwortungsübernahme gezeigt werden. Trotzdem ist es wichtig, dass es überhaupt Strafverfahren gegeben hat.
Milena Preradovic: Natürlich ist es mitten im Krieg schwer, Milde zu zeigen. Aber noch einmal zum Prinzip Amnestie gegen Geständnis: Was genau sind die Voraussetzungen und Bedingungen dafür, dass Täter tatsächlich straffrei ausgehen können?
Dr. Clivia von Dewitz: In Südafrika gab es drei zentrale Bedingungen. Die wichtigste war ein umfassendes Geständnis – „Full Disclosure“, wie es im TRC Act hieß. Die zweite Bedingung war, dass die Tat politisch motiviert war. An diesem Kriterium sind übrigens viele Amnestieanträge gescheitert. Und die dritte Voraussetzung war ein klar definierter Zeitraum: Die Taten mussten zwischen dem 1. März 1960 – dem Tag des Massakers von Sharpeville – und dem 10. Mai 1994 – dem Tag von Mandelas Amtseinführung – begangen worden sein.
Für den Ukrainekonflikt schlage ich vor, den zeitlichen Rahmen nicht erst 2022 beginnen zu lassen, sondern bereits ab dem 20. Februar 2014 – dem Beginn der Maidan-Proteste. Denn aus meiner Sicht beginnt der Konflikt dort. Und ab diesem Zeitpunkt sollten auch Amnestieanträge möglich sein.
Milena Preradovic: Aber geht es dabei nur um strafbare Handlungen im engeren Sinne, also um Menschenrechtsverletzungen innerhalb des Krieges? Oder würden auch geopolitische Akteure einbezogen? Der Ukrainekonflikt ist ja deutlich komplexer als der südafrikanische Apartheidkonflikt.
Dr. Clivia von Dewitz: Da haben Sie vollkommen recht. Das ist eine komplexe Frage – und eine, die die Konfliktparteien in Friedensverhandlungen miteinander klären müssten. Deshalb ist es mir so wichtig, dass überhaupt jetzt schon öffentlich darüber gesprochen wird, dass es diese Möglichkeit einer Kommission geben kann.
Für mich als Juristin steht zunächst im Vordergrund, dass schwere Menschenrechtsverletzungen thematisiert werden – und dass dafür unter bestimmten Bedingungen Amnestie gewährt werden kann. Natürlich stellt sich auch die grundsätzliche Frage: Warum ist es überhaupt legitim, einem anderen Menschen im Krieg das Leben zu nehmen? Aber diese Diskussion würde den Rahmen einer solchen Kommission sprengen und könnte auch deren Akzeptanz gefährden.
Deshalb mein Vorschlag: Konzentrieren wir uns auf die eindeutig völkerrechtswidrigen Taten – wie die Tötung von Zivilisten, Vergewaltigungen, Folter. Also auf das, was außerhalb des „klassischen“ Kriegsgeschehens geschieht. Eines Tages, so hoffe ich, wird man sich auch mit sogenannten regulären Kriegshandlungen befassen – also mit dem, was bislang oft straflos bleibt.
Milena Preradovic: Was bringt eine solche Friedenskommission, wie Sie sie für die Ukraine vorschlagen, denn am Ende der Gesellschaft?
Dr. Clivia von Dewitz: Ich glaube, dass es für die Gesellschaft von unschätzbarem Wert ist, wenn Opfer einen würdevollen Rahmen erhalten, um ihre Leidensgeschichte zu erzählen. Das war auch einer der Aspekte, die mich in Südafrika tief beeindruckt haben. Ich durfte damals im Eastern Cape an solchen Opferanhörungen teilnehmen.
Milena Preradovic: Und die wurden auch täglich im Fernsehen übertragen.
Dr. Clivia von Dewitz: Ja, genau – und das ist auch ein Punkt, den ich für eine zukünftige Kommission sehr wichtig finde: dass die Anhörungen öffentlich sind. Interessant ist hier die Entwicklung des Verfassungsrichters Albie Sachs, ein langjähriger Apartheidsgegner und Jurist. In seinem Epilog schrieb er, dass er zunächst gegen öffentliche Anhörungen war – aus Sorge, dass die Wahrheit so nicht ans Licht kommen würde. Doch später erkannte er, wie wertvoll diese Öffentlichkeit war.
In Südafrika wurden täglich fünf Minuten Truth Commission Report in den Abendnachrichten gezeigt – das konnte man nicht ignorieren. Jeden Sonntagabend gab es sogar eine einstündige Zusammenfassung der Woche. Das hatte eine ungeheure kathartische Wirkung. Denn die Menschen erzählten nicht nur ihre eigene Geschichte – viele erkannten sich auch in den Geschichten der anderen wieder. Man sprach praktisch zur ganzen Nation.
Wenn ich noch ein Beispiel anfügen darf: Auch beim Eichmann-Prozess 1961 in Jerusalem wurden die Zeugenaussagen öffentlich übertragen. Ein israelischer Historiker sagte einmal, dass gerade diese Bilder, diese Öffentlichkeit, entscheidend zur Aufarbeitung des Holocaust beigetragen haben – nicht nur in Israel, sondern weltweit. Hannah Arendt schrieb daraufhin ihr grundlegendes Werk. Die Kraft solcher Bilder darf man nicht unterschätzen. Sie schaffen ein kollektives Bewusstsein – und können echte Heilung in Gang setzen.
Milena Preradovic: Ja, das stimmt. Aber Eichmann wurde damals hingerichtet. Wenn Täter heute umfassend gestehen und dann nicht weiter bestraft werden – ist das wirklich fair gegenüber den Opfern?
Dr. Clivia von Dewitz: Das ist tatsächlich eine sehr typische Frage. Aber die Forschung zeigt weltweit, dass es den meisten Opfern nicht in erster Linie um harte Bestrafung geht. Viel wichtiger ist ihnen, dass die Täter Verantwortung übernehmen – dass sie zu ihren Taten stehen und Wiedergutmachung leisten.
Ich kann das auch aus meiner richterlichen Praxis bestätigen. Ich war viele Jahre Jugendrichterin am Amtsgericht – also nicht für die großen Fälle zuständig, aber dennoch mit intensiven menschlichen Schicksalen konfrontiert. Und ich kann sagen: Es macht einen enormen Unterschied, wenn ein Angeklagter kleinlaut gesteht und ich dem Opfer sagen kann: „Sie müssen heute nicht mehr aussagen, alles ist eingeräumt.“ Oft folgt dann sogar eine persönliche Entschuldigung. Für das Opfer bedeutet das: Ich muss mich nicht mehr rechtfertigen. Mein Leid wird anerkannt – und das ist enorm viel wert.
Und man darf nicht unterschätzen, wie viel Mut es braucht, öffentlich zu gestehen, was man getan hat. Es geht nicht darum, mal eben beim Amnestie-Ausschuss aufzutauchen, ein paar Taten zu beichten und dann wieder nach Hause zu gehen. Das hat Auswirkungen – auch auf die eigene Seele. In Südafrika haben sich etliche Frauen von ihren Männern getrennt, als sie erfuhren, was diese als Polizisten getan hatten. Die Psychologin Pumla Gobodo-Madikizela hat herausgearbeitet, dass viele der Frauen den gesellschaftlichen Druck und die moralische Verurteilung nicht mehr ertragen konnten – und sich deshalb distanzierten.
Was mir wichtig ist: Diese echte Verantwortungsübernahme hat eine starke kathartische Wirkung. Wenn ein Täter seine Schuld eingesteht, verliert für viele Opfer die Bestrafung an Bedeutung. Denn Verantwortung zu übernehmen, ist genau das, worum es gehen sollte. In meiner Forschungsarbeit habe ich mich intensiv mit den Konfliktlösungsmodellen indigener Völker befasst – etwa bei den nordamerikanischen First Nations oder den Maori. Und dort ist das Übernehmen von Verantwortung ein zentrales Element. Ich denke, wir alle kennen das: Wenn uns jemand nach einem Konflikt sagt „Es tut mir leid“, dann hat das Kraft. Es tut gut – für beide Seiten.
Milena Preradovic: Ja, das stimmt. Und es tut auch gut, wenn man selbst den Mut findet, sich zu entschuldigen. Das nimmt einem wirklich eine Last ab. Diese Wahrheitskommissionen – gibt es die eigentlich auch in anderen Ländern? Ich glaube, Südafrika war nicht das einzige Beispiel?
Dr. Clivia von Dewitz: Nein, keineswegs. Die südafrikanische Kommission konnte sich an Vorbildern in Südamerika orientieren – vor allem an den Wahrheitskommissionen in Chile und Argentinien. In Chile war besonders bemerkenswert, dass es von Anfang an einen politischen Willen zur Entschädigung der Opfer gab. Betroffene erhielten monatliche Rentenzahlungen, auch deren Kinder wurden versorgt. Das hat sehr gut funktioniert. In Argentinien wiederum gab es Einmalzahlungen, teilweise in Höhe von über 200.000 Euro – auch das war ein starkes Signal.
Ein weiteres Beispiel ist Guatemala. Dort wurde die Wahrheitskommission von einem deutschen Völkerrechtler geleitet: Prof. Christian Tomuschat. Er war Professor für öffentliches Recht und Völkerrecht – und hat sich klar dafür ausgesprochen, dass in solchen Situationen die Leitung einer Kommission besser von externen, neutralen Experten übernommen wird. Diese Idee hat mich stark inspiriert. Und genau so stelle ich mir das auch für eine Friedenskommission zum Ukrainekonflikt vor.
Milena Preradovic: In Südafrika war es ja ein innerstaatlicher Konflikt – es ging nicht um zwei verfeindete Staaten. Und dort gab es auch herausragende Persönlichkeiten wie Nelson Mandela oder Bischof Desmond Tutu, der die Kommission leitete. Braucht es solche Persönlichkeiten auch für eine Friedenskommission im Ukrainekonflikt? Und wer könnte das sein?
Dr. Clivia von Dewitz: Ja, ich halte solche Persönlichkeiten für sehr wichtig – insbesondere in den Spitzenfunktionen wie dem Vorsitz oder dem stellvertretenden Vorsitz einer solchen Kommission. Aber diese Menschen findet man nicht einfach über klassische Beförderungsstrukturen. Denn in Führungspositionen sind oft diejenigen, die „funktionieren“, also tun, was von ihnen erwartet wird.
Für eine solche Aufgabe braucht es aber Menschen mit Rückgrat. Menschen, die nicht das sagen, was politisch opportun ist, sondern was ihr Herz, ihr Gewissen ihnen sagt. Und ja, solche Menschen gibt es – auch wenn sie derzeit vielleicht nicht im Rampenlicht stehen oder keine politischen Ämter mehr innehaben.
Milena Preradovic: Wahrscheinlich sind es am ehesten Menschen, die ihre Karriere schon hinter sich haben. Man merkt ja oft: Politiker sprechen erst dann wirklich Klartext, wenn sie im Ruhestand sind. Helmut Schmidt war so ein Beispiel – die großen, staatsmännischen Reden kamen nach seiner Amtszeit.
Dr. Clivia von Dewitz: Ja, das stimmt. Oder denken Sie an Willy Brandt und seinen Kniefall in Warschau. Diese Geste hatte eine unglaubliche Kraft – sie war intuitiv, ehrlich. Und so etwas kann nur jemand tun, der aktiv im Amt ist. Deshalb würde ich nicht sagen, dass aktive Amtsträger grundsätzlich ungeeignet sind. Aber es braucht eben Persönlichkeiten, nicht bloß Funktionsträger.
Ich glaube, eine gute Mischung wäre ideal – so wie in Südafrika: Desmond Tutu war bereits emeritiert, sein Stellvertreter Alex Boraine aber noch jünger und aktiv. Diese Balance ist wertvoll.
Und noch ein wichtiger Punkt: Im Fall des Ukrainekonflikts haben wir es mit zwei souveränen Staaten zu tun. Deshalb schlage ich vor, dass die Kommissionsmitglieder paritätisch aus Russland und der Ukraine stammen. Sie müssen auf Augenhöhe miteinander sprechen – das ist essenziell. Die Leitung der Sitzungen sollte jedoch durch internationale, neutrale Expertinnen und Experten erfolgen. In einem solchen bilateralen Konflikt führt daran meines Erachtens kein Weg vorbei.
Milena Preradovic: Ja, nur: Die mächtigen internationalen Experten und Politiker – für die ist eine Friedenskommission gerade überhaupt kein Thema. Die fordern eher etwas wie die Nürnberger Prozesse. Selbst die CDU bringt so etwas ins Spiel. Wo sehen Sie da die Problematik?
Dr. Clivia von Dewitz: Das ist eine sehr spannende Frage. Auch in Südafrika wollte man anfangs ein Modell ähnlich der Nürnberger Prozesse verfolgen. Nürnberg steht ja sinnbildlich für Strafverfolgung, aber wenn man genau hinschaut, ist das Bild nicht so eindeutig. Der norwegische Kriminologe Nils Christie sagte einmal: Internationale Strafgerichte sind immer Gerichte der Sieger. Und auch Robert H. Jackson, einer der Ankläger in Nürnberg, betonte: „Wir müssen uns später an dem messen lassen, was wir hier tun.“
Schon damals hätte man beispielsweise die Bombardierung Dresdens thematisieren können – das geschah nicht. Ich sehe internationale Gerichtshöfe grundsätzlich kritisch, zumindest wenn es um den Aufbau eines nachhaltigen Friedens geht. Ich habe bisher keinen erlebt, der wirklich frei von Siegerjustiz agiert hätte.
Deshalb muss man sich vorab klarmachen, was man eigentlich will: Geht es um Gerechtigkeit durch Strafe oder um Frieden durch Versöhnung? Wenn es um Frieden geht, führt an einem Wahrheitskommissions-Modell kein Weg vorbei – in welcher Form auch immer das konkret ausgestaltet wird. Meine Aufgabe sehe ich darin, Denkanstöße zu geben, Modelle aufzuzeigen.
Lassen Sie mich noch einen Vergleich einbringen: Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es die Nürnberger Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher, durchgeführt durch die Alliierten. Danach folgten die Nachfolgeprozesse. 1949 wurden dann Bundesrepublik und DDR gegründet – und beide Staaten begannen ihre jeweils eigene Aufarbeitung. In der DDR gab es die Waldheimer Prozesse unter der berüchtigten Richterin Hilde Benjamin.
Dr. Clivia von Dewitz: In der Bundesrepublik hingegen dauerte es lange, bis überhaupt ernsthafte Prozesse geführt wurden – erst 1958 mit dem Ulmer Einsatzgruppenprozess. Bedeutsam wurde vor allem der Auschwitz-Prozess von 1963 bis 1965. Ihn haben wir vor allem dem Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer zu verdanken, der den Holocaust überlebt hatte. Es gibt davon immerhin Tonaufzeichnungen – keine Bilder, aber man hat die Originalaussagen der Überlebenden erhalten.
Vergleichen Sie das nun mit der südafrikanischen Wahrheitskommission: In Auschwitz saßen die Opfer – Überlebende eines Konzentrationslagers – in einem Raum ohne jede psychologische Begleitung, ohne Schutz. Sie waren im selben Hotel untergebracht wie die Angeklagten. Es gab keinerlei Sensibilität dafür, was das bedeutet. Die Täter stritten alles ab – die Überlebenden mussten beweisen, dass Verbrechen geschehen waren.
Und dann sehen wir die Wahrheitskommission in Südafrika: Die Opfer kamen mit Begleitpersonen, wurden mit Mitgefühl befragt, mit menschlicher Wärme. Ich erinnere mich besonders an eine ältere Dame, die zu Beginn ihrer Aussage sagte: „Dass ich heute hier vor Ihnen sprechen darf, gibt mir meine Würde als Mensch zurück.“
Milena Preradovic: Das kann ich sehr gut nachvollziehen.
Dr. Clivia von Dewitz: Ja. Und entscheidend ist: Die Verbrechen, über die wir hier sprechen – ob in Südafrika oder in Deutschland – geschahen unter staatlicher Duldung oder gar im Auftrag des Staates. Das ist keine klassische Straftat, wie sie das Strafrecht normalerweise vorsieht. Deshalb funktionieren herkömmliche Verfahren hier oft nicht.
Milena Preradovic: Genau. Und was natürlich auch gegen Nürnberger Prozesse oder internationale Gerichtshöfe spricht: In diesem Krieg wird es wahrscheinlich keinen eindeutigen Sieger geben. Eine Siegerjustiz ist also weder möglich noch akzeptabel. Und Russland wird sich sicherlich nicht freiwillig auf eine Anklagebank setzen lassen. Ich sehe aber aktuell auf allen Seiten vor allem Propaganda – kaum echten Willen zur Wahrheit. Aber die Wahrheit wäre doch grundlegend für eine Versöhnung.
Dr. Clivia von Dewitz: Absolut. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass gerade in dieser Zeit sehr viel Wahrheit ans Licht kommt – ob gewollt oder ungewollt. Denken Sie an die jüngsten Leaks, etwa zu Signal-Kontakten hochrangiger US-Regierungsmitglieder. Das war sicher nicht beabsichtigt – aber die Wahrheit lässt sich nicht dauerhaft unterdrücken.
Und das Motto der südafrikanischen Wahrheitskommission lautete: Truth – the road to reconciliation. Wahrheit als Weg zur Versöhnung. Jetzt ist die Frage: Wird es jemanden geben, der von diesem Modell überzeugt ist – und die Macht hat, es umzusetzen? Jemand, der andere mitziehen kann? Es wäre großartig, wenn sich eine solche Persönlichkeit finden ließe.
Milena Preradovic: Ja, das wäre es wirklich. Ich möchte jetzt zum Schluss noch einen Blick auf Deutschland werfen. Auch hier ist die Gesellschaft spätestens seit der Pandemie stark gespalten. Menschen und Gruppen stehen sich unversöhnlich gegenüber. Eine echte Aufarbeitung ist nicht in Sicht. Wäre auch in Deutschland eine Wahrheitskommission sinnvoll?
Dr. Clivia von Dewitz: Ich würde sagen: vorsichtig ja – aber nur unter einer Bedingung: Es müssen Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche geführt werden. Ich sehe die große Gefahr, dass man sagt: „Wir machen eine Wahrheitskommission, da dürfen die Opfer mal erzählen, und dann war’s das.“ So darf es nicht laufen.
Die südafrikanische Kommission war explizit nicht so angelegt – sie sollte kein Ersatz für Justiz sein, sondern eine Erweiterung. Ich persönlich würde mich nur für eine Wahrheitskommission einsetzen, wenn klar ist: Auch die Verantwortlichen werden gehört. Freiwillig, natürlich – niemand kann gezwungen werden, Amnestie zu beantragen. Aber es muss klar sein: Es gibt eine Verantwortung. Diese kann entweder von einem Gericht später zugewiesen werden – oder man übernimmt sie selbst durch Offenlegung und Schuldeingeständnis im Rahmen eines Amnestieprozesses.
Und, ganz ehrlich: Ohne Zuckerbrot und Peitsche geht es nicht. Wer gibt schon freiwillig zu, dass er Unrecht begangen hat? Das hat in Südafrika auch nur funktioniert, weil reale Strafverfolgung drohte.
Dr. Clivia von Dewitz: Noch ein Beispiel: Das südafrikanische Militär hatte viele Verbrechen außerhalb des Landes begangen – und damit waren sie juristisch nicht im Zuständigkeitsbereich der nationalen Gerichte. Deshalb stellten nur sehr wenige Militärangehörige überhaupt Amnestieanträge – darunter der Organisator der Autobombe in Ibhayi.
Bei den Polizeibeamten war das anders: Ihre Verbrechen fanden auf südafrikanischem Boden statt. In den 1990er-Jahren begannen Prozesse gegen viele von ihnen, und einige erhielten sehr hohe Haftstrafen. Der Kommandeur der Todesschwadron in Vlakplaas, Eugene de Kock, wurde zu zweimal lebenslänglich plus 212 Jahren Haft verurteilt. Heute lebt er zurückgezogen, er wurde auf Bewährung entlassen – diese wurde mittlerweile aufgehoben.
De Kock begann, Amnestieanträge zu stellen – und weil er verpflichtet war, alle Beteiligten zu benennen, informierte er auch seine Kollegen: „Übrigens, ich habe einen Antrag für diese und jene Tat gestellt – du warst dabei.“ Das führte zu einem Schneeballeffekt. Der Jurist Volker Nerlich hat in seiner Dissertation sehr eindrucksvoll beschrieben, wie das dazu führte, dass nach und nach immer mehr Beteiligte Amnestie beantragten. Nur so – durch dieses Zusammenspiel von rechtlicher Drohung und echter Chance zur Offenbarung – wurde das Amnestie-Modell überhaupt erfolgreich.
Milena Preradovic: Ja, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Der eine oder andere wird jetzt vielleicht denken: „Ach, das ist doch Wolkenkuckucksheim, das ist Bullerbü, das ist reines Gutmenschentum.“ Aber darum geht es überhaupt nicht. Es muss ganz klar sein: Wer im Rahmen einer Kommission aussagt, muss die volle Wahrheit sagen. Wer lügt oder etwas verschweigt, bekommt keine Amnestie – und wird strafrechtlich belangt. Das ist entscheidend.
Dr. Clivia von Dewitz: Ein kleines Beispiel dazu: Ich war damals zufällig bei einer Amnestieanhörung in Pretoria – fünf hochrangige Polizeibeamte sagten aus. Sie berichteten unter anderem, sie hätten Elektroschocks an Armen und Beinen verabreicht.
Ein Überlebender dieser Folter war ebenfalls anwesend. Er sprach sehr gebrochen, man merkte, wie sehr er durch die Tortur traumatisiert war. In leiser Stimme sagte er: „Aber bei mir haben Sie die Elektroschocks auch an den Geschlechtsteilen angesetzt.“ Ich erinnere mich gut – ich musste erst mal schlucken. Denn das macht natürlich einen gewaltigen Unterschied.
In der Pause ging ich zum Vorsitzenden der Amnestiekommission, Judge Hassan Mall, und fragte, was das nun für Auswirkungen auf das Verfahren habe – schließlich war nicht die ganze Wahrheit offengelegt worden. Und dann lächelte er mich an – ein älterer, erfahrener Mann – und sagte: “Young lady, this process is about forgiveness.“ Und genau dieser spirit of forgiveness fehlt uns heute in Europa so sehr.
Milena Preradovic: Ja, da sind wir meilenweit von entfernt. Was sagen Sie den Menschen, die sagen: „Ach, das ist doch alles reine Utopie, Frau von Dewitz“?
Dr. Clivia von Dewitz: Ja, das höre ich öfter – gerade in Vorträgen. Und dann zitiere ich gern ein Sprichwort: „Utopia liegt in weiter Ferne.“ Einer der Enkel von Nelson Mandela hat das in seinem Buch Going to the Mountain kommentiert: „Niemand war je dort – aber das heißt nicht, dass diese Stadt nicht existiert oder eines Tages existieren könnte. Vielleicht bedarf es großer Anstrengung, dorthin zu gelangen. Aber es lohnt sich, für die Vision von Frieden zu kämpfen.“
Milena Preradovic: Das ist wirklich schön. Und Sie sprechen mit so viel Leidenschaft über dieses Thema. Da fragt man sich unweigerlich: Gibt es ein persönliches Motiv? Liegt Ihnen das Thema auch biografisch so sehr am Herzen?
Dr. Clivia von Dewitz: Ja, tatsächlich. Meine Familiengeschichte ist stark davon geprägt. Die Mutter meines Vaters – also meine Großmutter – wurde am Ende des Zweiten Weltkriegs mehrfach vergewaltigt, im Beisein meines Vaters und seiner Geschwister. Und die Mutter meiner Mutter wurde erschossen – vor den Augen meiner Mutter und ihrer drei Geschwister – weil sie sich nicht vergewaltigen lassen wollte. Das war in Elbing, heute Polen, bei Danzig.
Wir Kinder haben sehr früh mitbekommen, wie wichtig Vergebung ist. Gerade meine Mutter, die selbst so Schlimmes erlebt hat, hat uns immer gesagt: Das Wichtigste im Leben ist Vergebung, Versöhnung und Frieden. Sie hat uns auch mitgenommen nach Auschwitz, als ich 14 war und mein Bruder zehn. Wir verbrachten eine Woche in Krakau – sie wollte uns die Geschichte begreifbar machen.
Und sie hat uns beigebracht: Wir Deutschen haben diesen Krieg begonnen, und die russischen Soldaten, die das getan haben, hatten gesehen, was deutsche Soldaten ihren Familien angetan hatten. Das müsse man verstehen. Und ich finde das heute – mit 50 – eine unglaubliche Größe, so etwas vergeben zu können. Das hat mich tief geprägt.
Milena Preradovic: Vielen, vielen Dank, Frau von Dewitz. Danke für Ihre hoffnungsvollen Gedanken in einer sehr dunklen Zeit. Gerade in solchen Momenten brauchen wir diese Utopien – oder besser gesagt: Visionen. Man muss sie denken und aussprechen, bevor sie Wirklichkeit werden können. Danke, dass Sie hier waren.
Dr. Clivia von Dewitz: Vielen Dank für dieses schöne Gespräch.
Milena Preradovic: Tja, liebe Leute – wir haben es gehört: Auch in Südafrika konnte sich nach der Apartheid kaum jemand vorstellen, dass echte Versöhnung möglich ist. Und doch ist sie geschehen. Natürlich war auch dort nicht alles perfekt – aber es war besser als unversöhnliche Rache.
Wenn ich heute höre, dass deutsche Politiker fordern, „nie wieder Kontakt zu Russland“, dann halte ich das für keinen Weg in die Zukunft. Nicht für eine friedliche – und auch nicht für unsere eigene.
Ich wünsche euch eine gute Zeit. Bis bald.
Interview with Paul Brandenburg (english)
Milena Preradovic: With Donald Trump’s election as US president, the war in Ukraine is for the first time not just about arms deliveries, but also about a possible peace solution – much to the annoyance of many European players. Germany, too, is struggling with what is actually desirable. Politicians and the press are responding to initial diplomatic attempts with malice and rejection. Why? Because there is apparently supposed to be a “good” peace and a “bad” peace. An enemy and a friend. Lots of interests. But is that really helpful in ending the killing? And what comes after that? Revenge?
My guest today takes a completely different approach. She researches the restoration of justice and advocates healing, reconciliation, and social peace. There are prominent role models for this. How it works – now on Punkt Preradovic. Hello, Dr. Clivia von Dewitz. It’s nice to have you here.
Dr. Clivia von Dewitz: Dear Ms. Preradovic, thank you very much for inviting me to this interview.
Milena Preradovic: My pleasure. Let me introduce you briefly: You are a judge and received your doctorate in 2005 on the subject of Nazi ideology and criminal law. You have been a professor since December 2024. Your postdoctoral thesis is devoted to the concept of restorative justice as a form of therapeutic justice. You were inspired to do this by, among other things, an internship in 1997 with the South African Truth and Reconciliation Commission. You are qualified to teach criminal law and criminology with a focus on alternative conflict resolution. You are also a trained mediator. In 2023, you published your guide for judicial practice on offender-victim mediation and criminal mediation. Last October, you founded an institute for peacebuilding based in Switzerland. And you are an author—your latest work is entitled Justice through Reparations and examines the South African Truth Commission and its applicability to the conflict in Ukraine.
At the moment, however, we are experiencing the opposite of what you stand for: a time of extremes, full of irreconcilability and incitement. Everything is divided into good and evil. In Europe, there is hardly any struggle for peace, but rather for military prowess and armament. Does that worry you?
Dr. Clivia von Dewitz: To be honest, it doesn’t worry me too much, because there are currently clear signals for peace talks coming from America – and they are clearly resonating. The key thing is to build trust. And this also shows how central America is in this conflict. It is, in fact, a proxy war. I am confident that if America wants peace, there will be peace. We have never been as close as we are now to a possible peace agreement in the Ukraine conflict. I think it is quite realistic that this could happen by the end of the year.
Milena Preradovic: So you’re very optimistic. In Europe – especially in Germany – Donald Trump’s peace efforts have been met with mostly ridicule and rejection. Both politicians and the media view his initiatives negatively – even though there are naturally no concrete results yet, which people here seem to expect immediately. Do you see it differently?
Dr. Clivia von Dewitz: Yes, we should focus on what is actually happening. And the most important thing at the moment is that talks have been resumed. There is direct contact again. Trump’s mediator Steve Vitkov was recently in Moscow and spoke with Vladimir Putin. That is a significant step. The first American sanctions against Russia have also been lifted – a clear sign of rapprochement. I see this as very positive. I also think that the UK will soon side more strongly with the US again and that other European countries could follow suit. Because let’s be honest: Europe alone cannot sustainably support Ukraine in a war against the nuclear power Russia. It won’t work without America. And if the US wants peace, then there will be peace. Jeffrey Sachs has also emphasized this repeatedly in interviews – I can only agree with him.
Milena Preradovic: It’s astonishing how much Europe – and Germany in particular – is resisting these efforts. People are stubbornly clinging to moral, or rather pseudo-moral, dogmas. Russia started the war, so Russia must end it, otherwise there will be no peace. But is this attitude really helpful?
Dr. Clivia von Dewitz: No, it isn’t. As a mediator, I can say that you have to go into talks with an open mind. The task of a mediator is to work with the parties to the conflict to identify and promote existing solutions. I therefore consider this dogmatic attitude to be counterproductive. I currently see Europe on a war footing – but the train has long since left the station and is heading in a different direction.
Milena Preradovic: Let’s hope so. You are intensively involved in healing concepts for conflicts – and also for the period afterwards. For Ukraine, you are proposing a commission modeled on the South African Truth Commission. Can you briefly describe this South African commission?
Dr. Clivia von Dewitz: The South African Truth Commission was a unique model. It emerged from a negotiated compromise that ultimately led to Nelson Mandela’s presidency. Why was it so special? On the one hand, there were public hearings for the victims—a classic element of such commissions. Those affected were given space to tell their stories of suffering.
Milena Preradovic: It should perhaps be added that this commission was established after the end of the apartheid regime.
Dr. Clivia von Dewitz: Exactly. A corresponding law was passed in 1995, on the basis of which the commission was able to work from 1996 to 1998 – with an extension beyond that. As a lawyer, I found the amnesty procedure particularly interesting: perpetrators could apply for amnesty, which was granted to them – both under criminal and civil law. This meant that the victims could not later assert civil claims such as compensation for pain and suffering or damages. This gap was to be filled by state compensation payments.
And this is precisely where I see room for improvement: this did not work well in South Africa. In my book, I therefore propose that in a peace commission – I prefer this term because this is an inter-state conflict – financial compensation should be organized by a separate institution. The commission itself should focus on dignified victim hearings and structured amnesty procedures. And I would like to emphasize one thing in particular: it is not about letting perpetrators go unpunished. It is crucial that criminal proceedings before national or international courts should already be underway before such a commission is established. Anyone who has committed serious human rights violations must fear prosecution—unless they apply for amnesty. That was also the case in South Africa. In principle, a commission can only work effectively once initial investigations are underway, charges have been brought and, ideally, initial judgments have already been handed down. I also highlighted this in my book. I found it interesting that the first criminal proceedings against Russian soldiers were actually brought in Ukraine in 2022, with some harsh sentences handed down. In one case, for example, a soldier turned himself in. He had shot a civilian because he feared that the man would reveal that Russian troops were on their way by making a phone call. The soldier was acting on orders and cooperated fully during the proceedings. He confessed and answered the widow’s questions – an exemplary process from the perspective of restorative justice. Nevertheless, he initially received the maximum sentence. On appeal, this was reduced to 15 years. I find this a little regrettable, because Ukraine could have shown that it is consistent in its pursuit of war crimes, but also willing to show leniency when remorse and acceptance of responsibility are demonstrated. Nevertheless, it is important that criminal proceedings took place at all.
Milena Preradovic: Of course, it is difficult to show leniency in the midst of war. But let’s return to the principle of amnesty in exchange for confession: What exactly are the prerequisites and conditions for perpetrators to actually go unpunished?
Dr. Clivia von Dewitz: In South Africa, there were three key conditions. The most important was a full confession – “full disclosure,” as it was called in the TRC Act. The second condition was that the crime had to be politically motivated. Incidentally, many amnesty applications failed because of this criterion. And the third prerequisite was a clearly defined time frame: the crimes had to have been committed between March 1, 1960—the day of the Sharpeville massacre—and May 10, 1994—the day Mandela was inaugurated.
For the Ukraine conflict, I propose that the time frame should not begin in 2022, but rather on February 20, 2014—the start of the Maidan protests. In my view, that is where the conflict began. And from that point on, amnesty applications should also be possible.
Milena Preradovic: But are we only talking about criminal acts in the narrow sense, i.e., human rights violations within the war? Or would geopolitical actors also be included? The Ukraine conflict is clearly more complex than the South African apartheid conflict.
Dr. Clivia von Dewitz: You are absolutely right. It is a complex issue – and one that the parties to the conflict would have to resolve in peace negotiations. That is why I think it is so important that there is already public discussion about the possibility of such a commission.
For me as a lawyer, the priority is to address serious human rights violations – and to ensure that amnesty can be granted under certain conditions. Of course, there is also the fundamental question of why it is legitimate to take another person’s life in war. But this discussion would go beyond the scope of such a commission and could also jeopardize its acceptance.
That is why I propose that we concentrate on acts that are clearly contrary to international law, such as the killing of civilians, rape, and torture. In other words, on what happens outside the “classic” context of war. One day, I hope, we will also deal with so-called regular acts of war—that is, with what has often gone unpunished until now.
Milena Preradovic: What does a peace commission such as the one you are proposing for Ukraine ultimately achieve for society?
Dr. Clivia von Dewitz: I believe that it is invaluable for society when victims are given a dignified setting in which to tell their stories of suffering. That was one of the aspects that made a deep impression on me in South Africa. At the time, I was able to attend such victim hearings in the Eastern Cape.
Milena Preradovic: And they were also broadcast daily on television.
Dr. Clivia von Dewitz: Yes, exactly—and that’s also a point that I think is very important for a future commission: that the hearings are public. The development of constitutional judge Albie Sachs, a long-time opponent of apartheid and lawyer, is interesting here. In his epilogue, he wrote that he was initially against public hearings because he was concerned that the truth would not come to light. But later he realized how valuable this publicity was.
In South Africa, five minutes of the Truth Commission Report were shown daily on the evening news – you couldn’t ignore it. Every Sunday evening there was even an hour-long summary of the week. This had an enormous cathartic effect. Because people didn’t just tell their own stories – many also recognized themselves in the stories of others. They were practically speaking to the entire nation.
If I may add another example: during the Eichmann trial in Jerusalem in 1961, the witness statements were also broadcast publicly. An Israeli historian once said that it was precisely these images, this publicity, that contributed decisively to coming to terms with the Holocaust – not only in Israel, but worldwide. Hannah Arendt wrote her seminal work in response. The power of such images should not be underestimated. They create a collective consciousness – and can set real healing in motion.
Milena Preradovic: Yes, that’s true. But Eichmann was executed at the time. If perpetrators today make full confessions and are then not punished further, is that really fair to the victims?
Dr. Clivia von Dewitz: That’s actually a very typical question. But research worldwide shows that most victims are not primarily concerned with harsh punishment. It is much more important to them that the perpetrators take responsibility – that they stand by their actions and make amends.
I can confirm this from my own experience as a judge. I was a juvenile court judge for many years—so I wasn’t responsible for the big cases, but I was still confronted with intense human dramas. And I can say that it makes an enormous difference when a defendant confesses meekly and I can say to the victim, “You don’t have to testify today, everything has been admitted.” This is often followed by a personal apology. For the victim, this means: I no longer have to justify myself. My suffering is acknowledged – and that is worth an enormous amount.
And one should not underestimate how much courage it takes to publicly confess what one has done. It’s not about just showing up at the amnesty committee, confessing a few crimes, and then going home. It has an impact – including on one’s own soul. In South Africa, many women separated from their husbands when they learned what they had done as police officers. Psychologist Pumla Gobodo-Madikizela has found that many of the women could no longer bear the social pressure and moral condemnation – and therefore distanced themselves.
What is important to me is that this genuine acceptance of responsibility has a powerful cathartic effect. When a perpetrator admits their guilt, punishment becomes less important for many victims. Because taking responsibility is exactly what it should be about. In my research, I have looked closely at the conflict resolution models of indigenous peoples, such as the North American First Nations and the Maori. And there, taking responsibility is a central element. I think we all know that when someone says “I’m sorry” to us after a conflict, it has power. It feels good – for both sides.
Milena Preradovic: Yes, that’s true. And it also feels good when you find the courage to apologize yourself. It really takes a weight off your shoulders. These truth commissions – do they actually exist in other countries? I don’t think South Africa was the only example?
Dr. Clivia von Dewitz: No, not at all. The South African commission was able to draw on examples from South America – especially the truth commissions in Chile and Argentina. In Chile, it was particularly remarkable that there was political will to compensate the victims from the outset. Those affected received monthly pension payments, and their children were also provided for. That worked very well. In Argentina, on the other hand, there were one-off payments, some of them amounting to over 200,000 euros—that was also a strong signal.
Another example is Guatemala. There, the truth commission was headed by a German expert in international law, Prof. Christian Tomuschat. He was a professor of public law and international law and clearly advocated that in such situations, the leadership of a commission should be taken over by external, neutral experts. This idea inspired me greatly. And that is exactly how I imagine a peace commission for the Ukraine conflict.
Milena Preradovic: In South Africa, it was an internal conflict—it wasn’t about two enemy states. And there were also outstanding personalities such as Nelson Mandela and Bishop Desmond Tutu, who headed the commission. Are such personalities also needed for a peace commission in the Ukraine conflict? And who could that be?
Dr. Clivia von Dewitz: Yes, I think such personalities are very important – especially in top positions such as the chair or vice-chair of such a commission. But you don’t find these people through traditional promotion structures. Because leadership positions are often filled by those who “function,” i.e., do what is expected of them.
But a task like this requires people with backbone. People who don’t say what is politically expedient, but what their heart and conscience tell them to say. And yes, such people do exist – even if they may not be in the limelight at the moment or no longer hold political office.
Milena Preradovic: They are probably most likely to be people who have already had their careers. You often notice that politicians only really speak plainly once they have retired. Helmut Schmidt was a case in point – his great, statesmanlike speeches came after his term in office.
Dr. Clivia von Dewitz: Yes, that’s true. Or think of Willy Brandt and his kneeling in Warsaw. That gesture had incredible power – it was intuitive, honest. And only someone who is actively in office can do something like that. That’s why I wouldn’t say that active office holders are fundamentally unsuitable. But it takes personalities, not just functionaries.
I think a good mix would be ideal – like in South Africa: Desmond Tutu was already emeritus, but his deputy Alex Boraine was younger and still active. That balance is valuable.
And another important point: in the case of the Ukraine conflict, we are dealing with two sovereign states. That is why I propose that the commission members be drawn equally from Russia and Ukraine. They must talk to each other on an equal footing – that is essential. However, the meetings should be chaired by international, neutral experts. In my opinion, there is no way around this in such a bilateral conflict.
Milena Preradovic: Yes, but the powerful international experts and politicians are not interested in a peace commission. They are calling for something more like the Nuremberg trials. Even the CDU is bringing this into play. Where do you see the problem here?
Dr. Clivia von Dewitz: That’s a very interesting question. In South Africa, too, the initial intention was to pursue a model similar to the Nuremberg trials. Nuremberg is symbolic of criminal prosecution, but if you look closely, the picture is not so clear-cut. Norwegian criminologist Nils Christie once said: International criminal courts are always courts of the victors. And Robert H. Jackson, one of the prosecutors in Nuremberg, emphasized: “We must be judged later by what we do here.”
Even back then, the bombing of Dresden could have been addressed, for example—but it wasn’t. I am fundamentally critical of international courts, at least when it comes to building lasting peace. I have yet to see one that has truly acted free of victor’s justice.
That is why it is important to clarify in advance what we actually want: Is it justice through punishment or peace through reconciliation? If it is about peace, there is no way around a truth commission model – in whatever form it may take. I see my task as providing food for thought and pointing out possible models.
Let me draw another comparison: after the Second World War, there were the Nuremberg trials against the main war criminals, conducted by the Allies. These were followed by subsequent trials. In 1949, the Federal Republic and the GDR were founded – and both states began their own processes of coming to terms with the past. In the GDR, there were the Waldheim trials under the notorious judge Hilde Benjamin.
Dr. Clivia von Dewitz: In the Federal Republic, on the other hand, it took a long time before any serious trials were held – not until 1958 with the Ulm Einsatzgruppen trial. The Auschwitz trial from 1963 to 1965 was particularly significant. We owe this primarily to Attorney General Dr. Fritz Bauer, who had survived the Holocaust. At least there are audio recordings of these trials – no images, but the original statements of the survivors have been preserved.
Compare that with the South African Truth Commission: in Auschwitz, the victims – survivors of a concentration camp – sat in a room without any psychological support, without protection. They were housed in the same hotel as the defendants. There was no sensitivity whatsoever to what that meant. The perpetrators denied everything – the survivors had to prove that crimes had been committed.
And then we see the Truth Commission in South Africa: the victims arrived with accompanying persons, were questioned with compassion and human warmth. I particularly remember an elderly lady who said at the beginning of her statement: “The fact that I am allowed to speak here today gives me back my dignity as a human being.”
Milena Preradovic: I can understand that very well.
Dr. Clivia von Dewitz: Yes. And the crucial point is that the crimes we are talking about here – whether in South Africa or in Germany – were committed with the acquiescence of the state or even on behalf of the state. These are not classic crimes as normally defined by criminal law. That is why conventional procedures often do not work here.
Milena Preradovic: Exactly. And what also speaks against Nuremberg trials or international courts is that there will probably be no clear winner in this war. Victors‘ justice is therefore neither possible nor acceptable. And Russia will certainly not voluntarily allow itself to be put in the dock. But at the moment, I see propaganda on all sides – hardly any genuine desire for the truth. But the truth would be fundamental for reconciliation.
Dr. Clivia von Dewitz: Absolutely. At the same time, I have the feeling that a great deal of truth is coming to light right now – whether intentionally or unintentionally. Think of the recent leaks, for example about Signal contacts of high-ranking US government officials. That was certainly not intentional – but the truth cannot be suppressed forever.
And the motto of the South African Truth and Reconciliation Commission was: Truth – the road to reconciliation. Truth as the path to reconciliation. The question now is: Will there be anyone who is convinced of this model – and who has the power to implement it? Someone who can get others on board? It would be great if such a person could be found.
Milena Preradovic: Yes, it really would be. I would now like to conclude by taking a look at Germany. Here, too, society has been deeply divided since the pandemic, if not before. People and groups are irreconcilably opposed to one another. There is no real sign of coming to terms with the past. Would a truth commission also make sense in Germany?
Dr. Clivia von Dewitz: I would say: cautiously yes – but only on one condition: there must be investigations against those responsible. I see a great danger in saying, “We’ll set up a truth commission, let the victims tell their stories, and then that’s it.” That’s not how it should work.
The South African commission was explicitly not designed that way – it was not intended to be a substitute for justice, but rather an extension of it. Personally, I would only support a truth commission if it were clear that those responsible would also be heard. Voluntarily, of course – no one can be forced to apply for amnesty. But it must be clear that there is a responsibility. This can either be assigned later by a court, or people can take responsibility themselves by disclosing their actions and admitting their guilt as part of an amnesty process.
And, quite honestly, it won’t work without a carrot and a stick. Who voluntarily admits that they have done wrong? It only worked in South Africa because there was a real threat of prosecution.
Dr. Clivia von Dewitz: Another example: The South African military had committed many crimes outside the country, which meant that they were not legally within the jurisdiction of the national courts. As a result, very few military personnel applied for amnesty, including the organizer of the car bomb attack in Ibhayi.
The situation was different for police officers: their crimes took place on South African soil. In the 1990s, trials began against many of them, and some received very long prison sentences. The commander of the death squad in Vlakplaas, Eugene de Kock, was sentenced to two life sentences plus 212 years in prison.
Today, he lives a secluded life and was released on parole, which has since been revoked. De Kock began applying for amnesty, and because he was obliged to name all those involved, he also informed his colleagues: “By the way, I’ve applied for amnesty for this and that crime – you were involved.”
This led to a snowball effect. In his dissertation, lawyer Volker Nerlich described very impressively how this led to more and more people involved applying for amnesty. It was only through this combination of legal threat and genuine opportunity for disclosure that the amnesty model was successful at all.
Milena Preradovic: Yes, that’s a very important point. Some people might now think, “Oh, that’s just a pipe dream, it’s Bullerbü, it’s pure do-goodism.” But that’s not what it’s about at all. It must be absolutely clear that anyone who testifies before a commission must tell the whole truth. Anyone who lies or conceals something will not receive amnesty – and will be prosecuted. That is crucial.
Dr. Clivia von Dewitz: Here’s a small example: I happened to be at an amnesty hearing in Pretoria at the time – five high-ranking police officers were testifying. Among other things, they reported that they had administered electric shocks to arms and legs.
A survivor of this torture was also present. He spoke very brokenly; you could tell how traumatized he was by the ordeal. In a quiet voice, he said, “But they also applied the electric shocks to my genitals.” I remember it well—I had to swallow hard. Because that makes a huge difference, of course.
During the break, I went to the chairman of the Amnesty Commission, Judge Hassan Mall, and asked what impact this would have on the proceedings – after all, the whole truth had not been revealed. And then he smiled at me – an older, experienced man – and said, “Young lady, this process is about forgiveness.” And it is precisely this spirit of forgiveness that we are so sorely lacking in Europe today.
Milena Preradovic: Yes, we are miles away from that. What do you say to people who say, “Oh, that’s all pure utopia, Ms. von Dewitz”?
Dr. Clivia von Dewitz: Yes, I hear that a lot – especially in lectures. And then I like to quote a saying: “Utopia is a long way off.” One of Nelson Mandela’s grandsons commented on this in his book Going to the Mountain: “No one has ever been there – but that doesn’t mean that this city doesn’t exist or couldn’t exist one day. Maybe it will take a lot of effort to get there. But it’s worth fighting for the vision of peace.”
Milena Preradovic: That’s really beautiful. And you speak with such passion about this topic. It inevitably makes one wonder: Is there a personal motive? Is this topic also very close to your heart for biographical reasons?
Dr. Clivia von Dewitz: Yes, indeed. My family history has had a profound impact on me. My father’s mother – my grandmother – was raped several times at the end of World War II, in front of my father and his siblings. And my mother’s mother was shot – in front of my mother and her three siblings – because she refused to be raped. That was in Elbing, near Gdansk, in what is now Poland.
We children learned very early on how important forgiveness is. My mother, who had experienced such terrible things herself, always told us that the most important things in life are forgiveness, reconciliation, and peace. She also took us to Auschwitz when I was 14 and my brother was ten. We spent a week in Krakow—she wanted to help us understand history.
And she taught us that we Germans started this war, and that the Russian soldiers who did it had seen what German soldiers had done to their families. That was something we had to understand. And today, at the age of 50, I find it incredibly generous to be able to forgive something like that. It had a profound effect on me.
Milena Preradovic: Thank you very much, Ms. von Dewitz. Thank you for your hopeful thoughts in a very dark time. It is precisely in moments like these that we need these utopias—or rather, visions. They have to be thought and spoken before they can become reality. Thank you for being here.
Dr. Clivia von Dewitz: Thank you very much for this lovely conversation.
Milena Preradovic: Well, dear friends, we’ve heard it: even in South Africa, after apartheid, hardly anyone could imagine that true reconciliation was possible. And yet it happened. Of course, not everything was perfect there either – but it was better than irreconcilable revenge.
When I hear German politicians calling for “no more contact with Russia” today, I don’t think that’s the way forward. Not for a peaceful future – and not for our own either.
I wish you all the best. See you soon.
Wenn ich darf, möchte ich Frau Preradovic gratulieren, Frau von Dewitz so großartig zu interviewen ! Richterin Dr. Clivia von Dewitz spricht mir hier voll aus dem Herzen – für mich ein Stück Lehrstunde in Geschichte, in Humanität und in dem Glauben an das Gute im Menschen. Utopia, ich gebe dich nicht auf. – Das Schicksal der Familie von Dewitz (1945) geht besonders zu Herzen. Wichtig ist die Intention, auch wenn sie aussichtslos erscheint, alles mögliche und sinnvolle anzustreben und zu tun, die Gefährlichkeit der Situation – durchaus vergleichbar mit der Kubakrise – durch Klarmachung von Gerechtigkeit zurück in den Griff zu bekommen. MAN KANN NICHT MIT HALBEN WAHRHEITEN AUF DAUER VERNÜNFTIG LEBEN.
@Rudolf Uebbing
Es gibt keine Richter, die an das Gute im Menschen glauben, denn Richter wissen es besser!
Und Frau Preradovic war auch schon mal mutiger und hat deutlich bestritten, dass dieser Krieg von Russland ausgeht. Das hat sie diesmal aus Rücksicht auf ihren Gast weggelassen. Hätte sie es eingebracht, dann hätte sich vielleicht doch noch ein interessantes Gespräch entwickelt, aber wenn man sich duckt passiert das nun einmal nicht.
Sie geben ein erneutes Beispiel dafür, dass die Kunst des sinnentnehmenden Lesens bzw. Zuhörens ausstirbt.
Frau von Dewitz hat sich fast überschlagen, um mit Engelsstimme und mit verführerischen Worten lauter grausame und menschenverachtende Dinge zu sagen und Sie haben es nicht gemerkt, da Sie nur den Klang der Worte wahrgenommen haben.
Die Familiengeschichte von Frau Drewitz kennen Sie überhaupt nicht, aber es reicht aus, dass man Ihnen drei Schlagworte vor die Füße wirft (Nazi, Vergewaltigung, Tod) und Sie glauben, Sie hätten eine ganze Geschichte gehört.
Auch neigen Sie dazu, jemandem der sich als Opfer ausgibt, bedingungslos alles zu glauben, was er vorbringt. Dass, wenn zwei Kinder sich streiten, nicht automatisch das Kind recht hat, das heult, haben Sie noch nicht mitbekommen.
Der Untergang der Demokratie – das sind Sie!
Wahrheitskommission? Klingt original nach George Orwell!
Und wer soll der neutrale, unabhängige Leiter dieser Kommission sein?
Tja – wieder einmal betätigt sich mein Vorurteil, dass nur die moralisch niedrigsten Menschen Hannah Arendt zitieren!
Weder die „Nürnberger Prozesse“ noch der Eichmann-Prozess noch die südafrikanische „Wahrheitskommission“ hatten das, was zum schaffen von Gerechtigkeit unbedingt erforderlich ist: Eine neutrale, unabhängige Jury.
Es waren Schauprozesse, die für die Medien inszeniert wurden und sie waren genauso wenig rechtsstaatlich, wie es der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ist. Auch dort stehen – wie man hört – ständig Leute im Zeugenstand, die eigentlich auf die Anklagebank gehören würden!
Es ist erschütternd, dass man in Deutschland RichterIn sein kann, ohne die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verinnerlicht zu haben.
Moment mal. War es nicht „Amerika“ – die USA sind wohl gemeint – die den Krieg wollten und eingefädelt haben, mit ihren europäischen Vasallen eng eingebunden, und die nun, wo es seit langem offensichtlich ist, dass sie selbst ’stellvertretend‘ nicht in der Lage sind einen Krieg gegen Russland zu gewinnen, auf einmal so tun, als hätten sie schon immer Frieden und Handel mit Russland gewollt und dafür Frieden (und Ukraines Bodenschätze und Ackerflächen) brauchen?
Einige westeuropäische Länder haben gesehen, wie erfolgreich Russlands Kriegswirtschaft war/ist und wollen sich durch eine eigene Kriegswirtschaft sanieren. Dieser Zug läuft immer noch und gewinnt an Geschwindigkeit.
Kleine Ergänzung.
Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht in Dschland lebe, dass mir das Verständnis abgeht wie man den us-amerikanischen Präsidenten als irgendwie „friedenstiftend“ empfinden kann. Nicht ganz zeitgleich, aber fast, lässt Trump Gaza und Westbank weiter bomben, er bombt selber in Sana’a und rüstet in Diego García auf als gäbe es keinen Morgen. „The Houthies are dying for peace.“ So Trump, der Narzist.
Stimmen aus dem Süden [crosstalk auf rumble]:
https://rumble.com/v6rbnwo-crosstalk-trumps-wars.html?e9s=src_v1_mfp
Falls der link unerwünscht ist, bitte löschen! Gruss