„USA missbrauchen Europa“ – mit Dr. Hauke Ritz

7. Nov. 20249 Kommentare

Europa und die USA – eine toxische Beziehung? „Ja“, sagt Dr. Hauke Ritz, „die schwächer gewordenen USA missbrauchen inzwischen die verbliebenen Verbündeten“. Der Publizist und Autor von „Vom Niedergang des Westens zur Neuerfindung Europas“ meint, das Selbstverständnis Amerikas habe es nie zugelassen, einem anderen Land auf Augenhöhe zu begegnen. Ein Gespräch über moderne Kriege mit Propaganda und Farbenrevolutionen, den Informationskrieg gegen Russland, der die Russen entmenschlicht habe und über die Transformation der europäischen Kultur. Europa besinne sich nicht auf seine reiche kulturelle Geschichte, sondern identifiziere sich inzwischen als Teil des Westens, der von den USA dominiert werde.

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Milena Preradovic

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Interview mit Dr. Hauke Ritz (deutsch)

Milena Preradovic: 1989 Fall der Mauer, dann Zusammenbruch des Warschauer Paktes. Der Kalte Krieg war vorbei und wir waren alle voller Hoffnung auf ein friedliches Zeitalter. 2024, die Hoffnung ist gestorben. Die Welt ist unsicherer denn je. Kriege, Aufrüstung, Unversöhnlichkeit. Und selbst im ehemals entspannungsfreudigen Deutschland herrscht Kasernenton. Was ist aus der Verheißung von 89 geworden? Mein Gast sagt: „Die USA, der Westen, haben die Chance verpasst, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Ein Zusammenleben auf Augenhöhe passt nicht zum US Anspruch auf Alleinherrschaft. Aber das Imperium wackelt.“ Haben die USA durch ihr Streben nach einer unipolaren Weltordnung ihren eigenen Niedergang eingeläutet? Jetzt in Punkt Preradovic. Hallo Dr. Hauke Ritz.

Dr. Hauke Ritz: Hallo Frau Preradovic, ich freue mich, hier zu sein.

Milena Preradovic: Freue mich, dass Sie wieder da sind. Ich stelle Sie kurz vor. Sie sind Doktor der Philosophie, Publizist und Buchautor. Sie beschäftigen sich als Autor auch für verschiedene Publikationen in erster Linie mit Geopolitik. Und Sie kennen Russland gut, haben bereits an mehreren russischen Universitäten gelehrt und dort den Beginn des Ukrainekriegs hautnah miterlebt. Sie haben 2022 zusammen mit der Politologin Ulrike Guerot „Endspiel Europa. Warum das politische Projekt Europa gescheitert ist“ und „Wie wir wieder davon träumen können“ veröffentlicht und leiten seither mit ihr das European Democracy Lab. Das Buch hat durchaus zu Schnappatmung im etablierten Wissenschaftsbetrieb gesorgt. Ihr neues Buch heißt „Vom Niedergang des Westens zur Neuerfindung Europas“. Ein sehr dichtes Buch, wie ich finde, mit hochinteressanten Gedankensträngen. Fangen wir mal vorne an mit den Hoffnungen von 1989, als die Mauer fiel. Und dann der Warschauer Pakt. Der Kalte Krieg war vorbei. Alles war möglich damals. Und wir alle, also die, die sich noch erinnern, wir alle hofften ja auf eine friedliche neue Welt, die dann nicht kam. Wer hat sie verhindert?

Dr. Hauke Ritz: Ja, ich beschreibe in dem Buch, dass die Europäer gefangen waren in einer doppelten Identität. Auf der einen Seite verstanden sie sich als Europa und auf der anderen Seite verstanden sie sich zumindest in Westeuropa als der Westen. Und mit dieser westlichen Identität war auch durchaus eine gewisse Befriedigung verbunden, dass man einen größeren Wohlstand während der Zeit des Kalten Krieges hatte als die sozialistischen Länder. Und man lebte sozusagen in dem während des Kalten Krieges entstandenen Wahrnehmung, dass man irgendwie das bessere und auch letztlich siegreichere, dominantere System verkörpert hatte. Und daraus entstand ein gewisser Stolz, der die Europäer an die USA band und damit eben an dieses Konzept des Westens. Und in dem Moment, wo man den größten Teil Europas oder den westlichen, damals nur westlichen Teil Europas als den Westen versteht, in dem Moment braucht man natürlich eine Grenze im Osten und damit war eigentlich schon gesetzt, dass man Russland ausschließen musste. Wenn man aber Europa als Europa verstanden hätte und diese Identität war damals auch noch lebendig, sie stand auch Pate bei der Gründung der Europäischen Union, wo es hieß, man wolle die Europäische Union als Friedensprojekt begründen, man wolle den Krieg dauerhaft aus Europa fernhalten, man wolle eine eine geteilte Sicherheit schaffen, also die für jeden Akteur auf dem europäischen Kontinent gilt, also eine gemeinsame Sicherheitszone schaffen, in der keiner sich bedroht fühlt, das waren alles Konzepte, die mit Europa verbunden waren und gleichzeitig gab es die anderen Konzepte, das westliche Konzept und das konkurrierte quasi in der Persönlichkeit fast jedes europäischen Politikers miteinander.

Dr. Hauke Ritz: Und die Amerikaner hatten nicht eine solche doppelte Identität. Die Amerikaner wussten ganz genau, dass sie der Westen sind und dass sie nur der Westen sind und nicht Europa. Und sie haben die Unentschlossenheit, das Zögern der Europäer ausgenutzt, um ihre Sichtweise, ihre Zukunftsplanung knallhart durchzusetzen. Und diese bestand eben darin, Europa zu verwestlichen. Und damit wurden auch bestimmte Elemente des amerikanischen Weltordnungsmodell bindend für die Europäer, also zum Beispiel die Teilung der Welt in Gut und Böse, das Konzept einer Grenze, die möglichst dann immer verschoben wird, was wir ja auch schon aus der amerikanischen Geschichte kennen, das war eben jetzt nicht mehr die inneramerikanische Grenze während des 19. Jahrhunderts gegenüber den indianischen Territorien, sondern das war jetzt sozusagen die Grenze der NATO, die nach Osten verschoben werden musste. Also das Weltordnungskonzept der Amerikaner ist kompliziert, da können wir vielleicht auch gleich noch mal gesondert drüber reden, jedenfalls, das wurde dann zunehmend verbindlich für die Europäer. Und ohne dass die Europäer es richtig begriffen, hatten sie die Chance, von 1989 einen dauerhaften Frieden auf dem Kontinent zu etablieren, verspielt.

Milena Preradovic: Ja, aber so ganz verstehe ich die Amerikaner auch nicht. Um die 2000´er herum hat Russland ja die ausgestreckte Hand gehabt. Die Russen haben sogar angeboten, in die NATO zu gehen und die USA wären doch weiter Weltmacht Nummer eins geblieben. Wieso war Russland am Ende nicht integrierbar in diese amerikanische Idee einer Weltordnung?

Dr. Hauke Ritz: Ja, das ist in gewisser Weise das Rätsel, das ich ja schon auf der ersten Seite des Buches erwähne und das ich dann versuche, im Lauf des gesamten Buches zu beantworten. Warum haben die USA eine Partnerschaft und Freundschaft oder Allianz mit Russland ausgeschlagen, die mit den Händen zu greifen gewesen wäre und die sie ja am Ende auch selbst gestärkt hätte? Denn sozusagen ab den Nullerjahren, so ab Mitte der Nullerjahre, war bereits sichtlich, dass der Westen nicht ewig dominant bleiben würde, sondern dass gerade in der südlichen Hemisphäre einige Mächte aufsteigen, allen voran Indien und China. Und in einer solchen Welt eines erstarkenden Südens und Ostens wäre eine solche Allianz mit Russland durchaus sinnvoll gewesen. Das hätte sozusagen die amerikanische Macht für ein oder zwei Generationen in die Zukunft verlängern können. Und die Amerikaner wären, wie sie sagten, natürlich trotzdem der Chef geblieben. Und es wäre nicht so gewesen, dass die Amerikaner sich den Russen angepasst hätten, sondern die Russen hätten sich den Amerikanern angepasst. Und die Russen waren auch bereit dazu. Die sind ja in den 90er Jahren haben sie ja alles, waren ja wild nach all diesen Symbolen der westlichen Popkultur, haben mit großer Neugier Westeuropa und auch die USA bereist, haben angefangen, Englisch zu lernen. Also da war ja eine große Offenheit, man könnte auch sagen Naivität der Russen gegenüber dem Westen und den USA vorhanden und die USA haben es versäumt, dies zu nutzen, letztlich zu ihrem eigenen Schaden. Und die Europäer? Die haben natürlich einen noch viel größeren Schaden davongetragen, weil sie dadurch aus der Kette der Kriege nicht herausgekommen sind, die in Europa mit dem Ersten Weltkrieg anfängt. Also der Erste Weltkrieg führt ja dadurch, dass er im Versailler Friedensvertrag nicht richtig gelöst worden ist, zum Zweiten Weltkrieg. Der Zweite Weltkrieg führt zur Teilung Europas zwischen der Sowjetunion und den USA. Und dann war sozusagen 1989, genau 75 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, die Chance da, aus dieser Kette der Kriege herauszukommen. Und stattdessen haben die Europäer sozusagen sich den Amerikanern untergeordnet, haben sie die Zukunftsentscheidungen letztlich alleine treffen lassen und dadurch mit bewirkt, dass die Kette der Kriege sich fortsetzt.

Milena Preradovic: Sie schreiben ja von einem quasi schon 30 Jahre dauernden unsichtbaren Krieg also für die meisten Europäer unsichtbar.

Dr. Hauke Ritz: Genau das schreibe ich am Ende des Buches, weil heute ja Kriege anders geführt werden als früher. Wenn wir von Krieg reden, dann stellen wir uns immer sozusagen Panzertruppen vor und Soldaten und vielleicht auch noch die Luftwaffe, die ein Land angreift. Aber heutzutage werden Kriege auch in der Presse geführt. Heutzutage werden Kriege über internationale Organisationen geführt, zum Beispiel über den IWF und die Weltbank, über Kredite, über relativ unsichtbare, schleichende Einflussfaktoren. Auf diese Weise ist es zum Beispiel möglich, zum Beispiel durch das Konzept der Farbenrevolution, das ja auch in einigen Staaten ausprobiert worden ist. Das ist sozusagen ein Konzept, wo ein Putsch in einem Land durchgeführt wird. Aber dieser Putsch findet nicht so offen statt, wie man das zum Beispiel noch aus Chile aus dem Jahre 1973 kennt. Sondern dieser Putsch wird versteckt in einer Demonstration, die schon oft Wochen und Monate vorher angefangen haben und die auch unterfüttert werden mit Geld, mit Einflussnetzwerken.

Milena Preradovic: Und zur Revolution umgedeutet? Also Putsche werden umgedeutet zu Revolutionen.

Dr. Hauke Ritz: Ja, da wird sozusagen eine eine Unzufriedenheit im Land förmlich organisiert, wo auch dann PR Agenturen dabei sind. Und die PR Agenturen stiften dann Symbole und Narrative, die in der Bevölkerung verbreitet werden. Dann wird irgendwie eine Symbolfarbe gewählt. Also bei dem Putsch in der Ukraine 2004 war das die Farbe Orange. Dann werden Gerüchte über Wahlmanipulation in Umlauf gebracht und wenn dann sozusagen die Unzufriedenheit in der Bevölkerung stark angestiegen ist, wochenlange Demonstrationen schon angefangen haben, dann wird sozusagen im Hintergrund ein Putsch durchgeführt und der wird dann aber in der Weltpresse so dargestellt, als ob jetzt hier eine befreiende Revolution stattgefunden hätte.

Milena Preradovic: Ist es denn das, was wir gerade in Georgien sehen?

Dr. Hauke Ritz: Was möglicherweise jetzt in Georgien vorbereitet wird und was in Georgien auch schon mal Anfang der Nullerjahre stattgefunden hat. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt im Jahre 2003 oder 2005, da ist jetzt meine Erinnerung nicht exakt, aber in dieser Zeit hat auch in Georgien eine solche Farbenrevolution stattgefunden. Ein weiteres Beispiel ist die Ukraine 2004 und 2014. Es hat aber ähnliche Operationen auch in Serbien gegeben. Im Jahr 2000 oder auch im Nahen Osten ist so was durchgeführt worden, etwa zum Beispiel in Ägypten, in Kairo, im Zuge des Arabischen Frühlings. Also es gibt viele Beispiele solcher modernen Putsche, und auf diese Weise kann man auch ein Land erobern. Man installiert dann sozusagen eine politische Klasse oder Elite, die man vorher vielleicht sogar an den eigenen Universitäten herangezogen hat, mit mit Vertretern dieses Landes, die im Ausland studiert haben und die dann, die dann wieder zurückgebracht werden. Und auf diese Weise hat man am Ende auch Zugriff auf die Gesetzgebung des Landes, die Ressourcen des Landes, das Militär des Landes, aber man hat nicht im klassischen Sinne sozusagen Panzer oder Truppen bewegt, aber trotzdem das Land erobert. Das sind moderne Kriege. Und ich spreche in meinem Buch davon, dass es eine Art unsichtbaren Krieg gegen Russland seit vielen Jahren gegeben hat, der über solche Methoden durchgeführt wurde, indem man zum Beispiel in den Nachbarländern Russlands solche versteckten Operationen durchgeführt hat. Zugleich gab es auch ungefähr seit 2006/7 zunehmend starke Negativberichterstattung gegenüber Russland. Das heißt, es gab zunehmend fast gar keine positiven Nachrichten mehr über Russland, sondern nur noch negative Nachrichten, die dann immer auch Stereotype auf Russland projiziert haben. „Russland ist noch wie wie unter Stalin. Russland ist sozusagen so ähnlich wie das Dritte Reich. Russland ist eine Diktatur“ und durch diese konstante Negativberichterstattung wurde sozusagen der Boden bereitet, der es dann heute möglich macht, dass ein großer Teil der Bevölkerung zum Beispiel die Sanktionen gegen Russland akzeptieren. Also wenn man diese Sanktionen 2007, als diese Negativberichterstattung gerade erst anfing, durchgeführt hätte, dann hätte das Widerspruch hervorgerufen. Man hätte dann gesagt: „Ja, wieso denn?“

Milena Preradovic: Vor allem, wenn man selber wirtschaftlich darunter leidet, oder?

Dr. Hauke Ritz: Genau, aber dadurch, dass Russland sozusagen in den Medien schon seit eineinhalb Jahrzehnten entmenschlicht worden ist, also sozusagen dargestellt wurde, wie ein Land, das ja nur in den negativsten Farben beschrieben werden kann, zunehmend menschliche Züge vermissen lässt, immer brutal ist, immer Propaganda verbreitet, keine freien Journalisten hat, alle freien Menschen einsperrt. Ich überspitze jetzt etwas. Dadurch, dass diese Berichterstattung so dieses Bild erzeugt hat, ist eine Karikatur, könnte man sagen, wie aus einem Comicheft, aber dadurch, dass viele Menschen dieses Bild unbewusst angenommen haben, waren sie dann auch bereit, das jetzt Waffen an die Ukraine geliefert worden sind. Waren sie bereit dazu die Lieferung von Streubomben an die Ukraine zu unterstützen, obwohl diese Waffen eigentlich geächtet sind, hat auch niemand aufgemuckt, als russisches Vermögen eingefroren wurde. Nicht nur das staatliche Vermögen, sondern auch einige russische Privatpersonen haben ihr Vermögen verloren. Haben sie nichts gesagt, als als Menschen nur aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit zu Russland, zum russischen Volk sozusagen ihren Job verloren haben, etwa zum Beispiel Dirigenten an einzelne Orchester oder Opernsänger plötzlich nicht mehr auftreten durften. Das sind ja alles Dinge, die würden wir niemals bei Franzosen oder Italienern oder Spaniern akzeptieren. Also da würde es ja einen Aufschrei geben, wenn jemand, nur weil er Franzose oder Italiener ist, sein seinen Job als Dirigent verliert oder sein Vermögen eingefroren wird. Aber dadurch, dass Russland über eineinhalb Jahrzehnte entmenschlicht worden ist, war ein großer Teil der Bevölkerung bereit, das in diesem Fall zu akzeptieren.

Milena Preradovic: Ja, dieser Informationskrieg hat gewirkt. Sie schreiben ja, die USA hätten damit gerechnet und auch gehofft, dass Russland nach 89 den Bach runtergeht. Wie sich unter Boris Jelzin ja auch angedeutet hat. Und Russland hat sich dann gefangen. Und nun schreiben Sie, dass die USA jetzt wieder gedacht haben, dass Russland auf dem Weg nach unten ist, dass ein Krieg in der Ukraine Russland destabilisieren und es möglich machen würde, eine westlich orientierte Regierung zu installieren. Und da in dem Zusammenhang haben Sie auch ein Papier der Rand Corporation namens „Russland überdehnen“ in Ihrem Buch erwähnt. Aber auch das ist nicht passiert. Ich frage mich, wieso schätzen die USA Russland immer wieder falsch ein?

Dr. Hauke Ritz: Also, um es ein bisschen konkret, ein bisschen genauer zu fassen: Die Amerikaner haben das nicht sofort falsch eingeschätzt. In den 90er Jahren gab es auch eine Periode des Zögerns, wo die Amerikaner nicht genau wussten, wie sollen sie jetzt auf das Ende des Kalten Krieges reagieren? Es gab zwar so Hardliner wie Paul Wolfowitz, die schon 1992, also wenige Wochen nach dem Untergang der Sowjetunion, schon gesagt haben: „Wir müssen Russland weiter als Rivalen behandeln, weiter militärisch und wirtschaftlich in jeglicher Hinsicht dominieren“. Aber es gab andere Flügel in der amerikanischen Politik, die erstmal eine abwartende Haltung eingenommen haben. Aber dann ist Russland doch mit einer solchen Geschwindigkeit ins Chaos gestürzt. Also erstmal war der schnelle Zusammenbruch der Sowjetunion auch überraschend für viele westliche Beobachter. Und als dann in Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion und auch des Verlustes der gesamten sozialistischen Ideologie das Land in wirklich eine Art tiefe Krise rutschte, wo eine Zeit lang auch mafiöse Netzwerke das Land dominiert haben, die Gesetze ihre Gültigkeit verloren haben, es zu einer Privatisierung kam und letztlich auch zum Raub von Volkseigentum. Da hat das dann dazu geführt, dass in den USA die Hardliner wie Paul Wolfowitz und andere Neokonservative Auftrieb bekommen haben und sich mit ihren Vorschlägen durchsetzen konnten. Und um das Jahr 2000 herum oder schon in den späten Neunzigern in den frühen 2000er, als dann auch die Bush Regierung ins Amt kam, da hat sich dann sozusagen die Partei durchgesetzt, die sagte, „man möchte jetzt die Schwäche Russlands maximal ausnutzen, die NATO maximal nach Osten erweitern“.

Dr. Hauke Ritz: Und letztlich spekulierte man darauf, dass nachdem die Sowjetunion sich schon aufgelöst hat, irgendwann auch Russland als Staat sich auflösen würde. Ein Dokument dieser Weltsicht war zum Beispiel das Buch von Zbigniew Brzezinski aus dem Jahr 1997. Auf Englisch „The Grand Chessboard“. Auf Deutsch hat man das „die einzige Weltmacht“ genannt, und in diesem Buch wird Russland als das Schwarze Loch beschrieben. Und diese Metapher hat Brzezinski gewählt, um zu beschreiben, dass Russland schon den Ereignishorizont zum Staatszerfall überschritten hatte und man quasi das Land früher oder später unter sich aufteilen könnte. Und er schlägt dort auch die Teilung Russlands in drei, vier Teile vor. Es ist ein extremes Buch. Aber dass Russland so wahrgenommen wird, hat sich tatsächlich mehrmals in der Geschichte wiederholt. Also auch Hitler dachte schon, die Sowjetunion sei ein Koloss auf tönernen Füßen und man müsste nur angreifen und einmarschieren und dann würde es zum Staatszerfall kommen. Und Napoleon hat ähnlich gedacht, als er sozusagen Russland vor über 200 Jahren angegriffen hat.

Milena Preradovic: Und Sie sagen, jedes Mal ist Russland stärker herausgegangen aus diesen Krisen und Sie sagen, das wird es auch diesmal tun.

Dr. Hauke Ritz: Ja, das ist das Faszinierende an der Geschichte des russischen Staates. Russland wird periodisch aus dem Westen angegriffen. Es gibt sozusagen einen Drang nach Osten, der sich in Europa immer dann herstellt, wenn Europa geeinigt ist. Also Napoleon hatte durch seine Feldzüge Europa geeint, und dieses unter französischer Herrschaft geeinte Europa wird dann vom Drang nach Osten erfasst, greift Russland an und das Resultat ist eine Niederlage. Und Russland ist am Ende stärker als jemals zuvor. Russische Soldaten stehen in Paris. Russland wird dann im Wiener Frieden des Wiener Kongress als einer der fünf führenden Mächte Europas etabliert und hat danach massiven Einfluss auf den europäischen Kontinent. Das war genau nicht das Resultat, das Napoleon erzielen wollte, was er aber geholfen hat herbeizuführen. Das gleiche mit Hitler. Also Hitler erobert große Teile Europas. Europa wird sozusagen durch seine Eroberungsfeldzüge unfreiwillig geeint und unter der Hegemonie der Nazis. Leider. Und das führt dann zum Drang nach Osten. Und Hitler dachte, Russland erschlagen zu können. Das Resultat ist am Ende, dass die russische Armee an der Elbe steht und Russland einen riesigen Einflussbereich weit in den europäischen Raum hinein hat. Und dieses könnte sich jetzt diesmal nicht ganz so wiederholen, weil erstens das heutige Russland hat keinen Willen außer Gebiete in der Ukraine noch irgendwas zu besetzen. Also was wir jetzt in den Medien hören, Russland könnte die baltischen Staaten und…

Milena Preradovic: Ganz Europa, wenn wir jetzt nicht…

Dr. Hauke Ritz: Dabei existiert in Russland kein kein Wille dazu. Man hört das auch nirgendwo in den Medien und ich habe auch noch nie einen Russen getroffen, der das auch nur ernsthaft in Erwägung gezogen hat. Und das liegt auch daran, dass das Russland unter einer schwachen Demografie leidet. Also Sie haben wie auch Deutschland und Frankreich und viele andere Länder zu wenig Kinder und sozusagen ein Land mit einer schrumpfenden Bevölkerung, das aber schon riesengroß ist, möchte eigentlich gar keine großen Gebiete erobern. Also das, was wir sozusagen nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt haben, werden wir jetzt nicht erleben.

Dr. Hauke Ritz: Aber eine Sache darf ich noch ergänzen Russland wird natürlich trotzdem nach diesem Krieg wieder mit Europa verbunden sein. Einfach dadurch, dass es gestärkt aus diesem Krieg hervorgeht, wird Europa nicht umhin können, irgendwann wieder Beziehungen zu Russland aufzunehmen. Und der Versuch der Amerikaner, Russland aus Europa herauszuwerfen, ist bereits jetzt gescheitert. Es wird auch irgendwann wieder bessere deutsch russische Beziehungen geben, bessere deutsch italienische und österreichische usw. Also der Faden der Beziehung wird zwangsläufig wieder aufgenommen werden, weil Russland jetzt zu stark und einflussreich geworden ist, als dass es aus Europa herausgedrängt werden könnte. Aber sozusagen Russland wird nur diplomatisch in Europa präsent sein, nicht mit Truppen.

Milena Preradovic: Ja, warum sollten sie auch? Sie haben ja auch Rohstoffe im Land. Was wollen sie? Was wollen sie als schrumpfende Gesellschaft in einem Riesenreich, was wollen Sie dann mit dem Rest von Europa? Weil die Rohstoffe, die Europa braucht, die haben sie ja.

Dr. Hauke Ritz: Genau das ergibt überhaupt gar keinen Sinn. Und dass die Russen nach 1945 in großen Teilen Europas geblieben sind, lag ja auch daran, dass Sie ja gerade die Erfahrung gemacht haben, was passiert, wenn Europa sich eint und an der russischen Grenze steht. Dann gibt es nämlich einen Angriff, genau wie unter Napoleon. Und nun war ja halb Europa von den Amerikanern besetzt worden, sozusagen geeint worden, und jetzt mussten sie ihm wenigstens im östlichen Teil Truppen haben, um wieder die Konstellation zu verhindern, die sozusagen 1941 geherrscht hatte. Das war der Grund, warum Russland damals Teile von Europa sozusagen besetzt hat. Also da Militärbasen errichtet hat. Sie wollten das aber eigentlich nicht. Deswegen gab es ja auch von Stalin den Vorschlag für ein neutrales Deutschland. Deswegen haben sie auch immer, wenn sie konnten, versucht, neutrale Staaten zwischen sich und und die NATO zu kreieren, zum Beispiel Finnland, damals Schweden, Österreich oder auch Jugoslawien als ein relativ neutraler Player.

Dr. Hauke Ritz: Das waren alles sozusagen Pufferzonen, an denen die Sowjetunion ein Interesse hatte. Und das eigentliche russische Interesse hat sowohl im 19. als auch im 20. als auch jetzt im 21. Jahrhundert immer darin bestanden, einer der Mächte in Europa zu sein und im diplomatischen und auch wirtschaftlichen Kontakt zu den anderen europäischen Staaten zu stehen. Heute ist noch ein weiteres Interesse dazugekommen, dass Europa Russland tendenziell von Europa wegzieht. Denn inzwischen ist der Handel mit China so wichtig geworden, auch der Handel mit Indien so wichtig geworden, dass Russland wahrscheinlich jetzt im 21. Jahrhundert nur einen Teil seiner Aufmerksamkeit nach Europa schenken wird. Russland wird einfach durch die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung in die Richtung der BRICS Staaten gezogen. Ein Nachteil. Das ist für uns nicht gut.

Milena Preradovic: Nein, das ist nicht gut. Sie haben ihn gerade schon erwähnt, diesen einflussreichen amerikanischen Politikberater Breschinski und sein Buch „Die einzige Weltmacht oder das große Schachbrett“, wenn man es genau übersetzt. Und der hat ja darin auch geschrieben, der hatte er darin einen 30 Jahre Plan entworfen. Von Lissabon nach Wladiwostok müssten die USA sich ihre Vorherrschaft auf dem großen Schachbrett Eurasien sichern, weil Eurasien im Grunde für ihn das Wichtigste war. Und ohne die Ukraine sei Russland keine eurasische Macht mehr. Aber jetzt sieht es nicht so aus, als ob die Ukraine diesen Krieg, der gerade läuft, gewinnen könnte. Was bedeutet denn das für die USA oder für ihre Pläne?

Dr. Hauke Ritz: Also erst mal diese Vision von Brzezinski war schon auch 1997, als sie formuliert worden ist und damals waren die USA ja noch viel, viel stärker als heute, war sie schon Hybris, weil die Vorstellung, dass die USA alle Küstenbereiche des eurasischen Kontinents von China über Südasien, Indien, die arabische Welt bis Europa, dass sie da überall die Vorherrschaft behalten könnten und sogar wie Brzezinskis in dem Buch vorschlägt, über eine NATO Osterweiterung ins sogenannte Herzland Eurasiens vordringen, also in diese Region, die sozusagen zwischen dem Schwarzen Meer und Zentralasien lokalisiert ist, das das war letztlich Hybris. Und dass diese Hybris sozusagen Fuß fassen konnte in Washington und dort für einige Zeit die amerikanische Politik dominieren konnte, das hängt damit zusammen, dass die USA ein sehr junges Land sind. Das Land hat sozusagen 150 Jahre Expansion hinter sich. Sie haben nie eine negative Erfahrung gemacht. Sie haben nicht wie Deutschland zwei Weltkriege oder einen 30-jährigen Krieg erlebt. Sie sind nie von Hungersnöten heimgesucht worden oder überraschend von einem anderen Land angegriffen worden. Nichts dergleichen haben sie erlebt, und stattdessen sind sie auf einem Optimismus der Expansion begründet worden. Also Sie nennen das Manifest Destiny ein offenkundiges Schicksal, das ihnen die Zukunft gehört.

Dr. Hauke Ritz: Und mit dieser Einstellung waren Sie in gewisser Weise empfänglich für Hybris. Sie wollten einfach die Expansion, die sozusagen vor 200 Jahren in den USA angefangen hat, einfach fortsetzen. Und da sie ja den amerikanischen Kontinent 1997 schon weitgehend dominiert hatten, sahen sie für sich nur die Möglichkeit, sozusagen in den postsowjetischen Raum hinein zu expandieren mit den Methoden, die ich schon beschrieben habe. Also nicht direkt durch militärische Besetzung, sondern eben indem man dort ja Putsche durchführt und Regierungen installiert, die man vorher selbst sozusagen an den eigenen Universitäten ausgebildet hat. Und aber letztlich steckte dahinter ja ein Plan der Weltherrschaft. Und wenn die USA etwas klügere Politiker gehabt hätten, dann hätten sie erkennen können, dass die Welt gerade die Welt des 21. Jahrhunderts, wo Informationen frei fließt, wo die Kommunikationswege sehr viel kürzer geworden ist, wo auch ehemals alte Zivilisationen wie China und Indien und Iran aufsteigen, dass eine solche Welt nicht von einer einzigen Macht dominiert werden kann. Und wenn die USA das von Anfang an akzeptiert hätten, dann hätten sie ja dieses Bündnis mit Russland eingehen können.

Milena Preradovic: Akzeptieren sie das denn heute?

Dr. Hauke Ritz: In gewisser Weise können sie das nicht akzeptieren, weil ihrer Gründungsanspruch beruht darauf, dass ihre Kultur oder ihr politisches System universell ist, dass es überall gültig ist, und dass sie auch die fortschrittlichste Nation der Welt sind und alle anderen eigentlich unter ihnen rangieren. Das ist auch der Grund, warum sie immer Verträge brechen, weil sie Sie schließen einen Vertrag mit einem Land und denken Ja, dieses Land ist ja weniger frei als wir, die Regierung ist ja tendenziell autoritärer als unsere Regierung, die Bürger sind dort weniger frei, deswegen hat dieser Vertrag nur provisorische Gültigkeit und irgendwann müssen wir ihn auch nicht mehr einhalten. Und erst wenn dieses Land sich auf unser Niveau bewegt hätte, die Menschen dort ebenso frei wären wie im freien Amerika, erst dann wäre sozusagen eine gleichberechtigte Beziehung möglich. Aber das passiert natürlich nie. Also die USA haben es in ihrer gesamten Geschichte nie geschafft, eine gleichberechtigte Beziehung zu irgendeinem anderen Staat aufzubauen. Sie haben auch zu Europa oder zu Frankreich oder zu Italien keine Beziehung auf Augenhöhe, sondern sie besteht immer darin, dass sie uns dominieren, dass sie die Konzepte entwickeln, die wir einzuhalten hatten, dass wir an ihren Kriterien gemessen werden müssen. Und das ist natürlich eine Haltung, die andere Länder nicht akzeptieren können. Und das hat letztlich dazu geführt, dass die USA jetzt Konfliktbeziehungen zu fast jedem Land der Welt haben, also zu Russland, natürlich zu China, zu Iran. Aber auch die Beziehung zur arabischen Welt sind ja nicht gut, besonders seit der Eskalation in Gaza, dem unfassbaren Bombardement, was da jeden Tag stattfindet, oder auch die Beziehungen zu Lateinamerika sind eine einzige Katastrophe nach den Jahrzehnten der Einmischung, die die USA dort praktiziert hat. Also das ist die Krise der heutigen USA, dass sie sozusagen nur Konfliktbeziehungen zu allen anderen Ländern und Kulturen der Welt haben. Und das ist auf lange Sicht nicht durchzuhalten.

Milena Preradovic: Außer zu Europa, außer zu Deutschland. Sie schreiben auch, dass sich Deutschland quasi ein Amerika herbeigewünscht hat, dass es gar nicht gibt und immer noch im Grunde dieser Wunschvorstellung anhängt. Das heißt, bei uns wird ja im Grunde propagiert Amerika ist unser großer Bruder, unser bester Freund, der uns immer beschützen würde. Aber ich nehme an, Sie bezweifeln das. Vor allem ich frage vor allem jetzt mit der Aussicht auf die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland?

Dr. Hauke Ritz: Ja, natürlich. Viele Anhänger der älteren Generation oder auch ihre Generation haben noch so die Erfahrung, viele Anhänger der älteren Generation haben noch die Erfahrung, direkt nach dem Krieg, dass die Amerikaner den Marshallplan organisiert haben, dass tatsächlich unter amerikanischer Hegemonie eine Art wirtschaftlichen Aufschwung gab und man ja gerade die die Babyboomer Generation hat ja an diesem Aufschwung partizipiert, hat sozusagen subjektiv das Gefühl gehabt, ein gutes Leben zu leben. Und daraus ist eine Art unbewusste Dankbarkeit für die Amerikaner entstanden und man hat noch nicht verstanden, dass das Amerika heute ein anderes Amerika ist als das der 50er, 60er und 70er Jahre. Amerika ist bedeutend schwächer geworden. Die amerikanische Armee ist und das amerikanische Militär ist längst nicht mehr so stark, wie es zum Beispiel noch 1990 der Fall war, als sie diesen Irakkrieg durchführen konnten. Den gleichen Krieg könnten sie heute nicht mehr organisieren mit ihrem Militär. Sie sind auch wirtschaftlich in weiten Teilen deindustrialisiert, weil sie ihre Industrie erst nach Mexiko und später nach Asien ausgelagert haben. Und mit der Auslagerung der Industrie sind auch die Qualifikationen verloren gegangen. Ihre Arbeiter aber auch des Managements, der der der Wissenschaftler. Und die zunehmende Schwäche der USA führt nun dazu, dass sie die Regionen der Welt, die sie direkt noch kontrollieren und das ist Westeuropa, das ist Japan, das ist Südkorea, das ist Taiwan, dass sie dort jetzt zunehmend mit einer ausbeuterischen Haltung aktiv werden.

Dr. Hauke Ritz: Also zum Beispiel, dass sie auf der einen Seite höchstwahrscheinlich, wenn man den Recherchen von Seymour Hersh glaubt, doch an der Zerstörung der Nord Stream zwei Pipeline und auch eins beteiligt gewesen sind oder sie zumindest zugelassen haben und auf der anderen Seite aber dann bedeutenden Wirtschaftsunternehmen aus Deutschland das Angebot machen, doch in die USA überzusiedeln, weil dort die Energie billiger ist. Also das erinnert doch zunehmend an eine Art Missbrauchsbeziehung. Und Europa ist da in einer ähnlichen Situation wie auch Menschen, die sich in einer realen Missbrauchsbeziehung befinden, wo man dann immer noch denkt ja, er ist doch eigentlich gut, er meint es doch eigentlich gut mit mir, das ist doch nur eine Ausnahme, dass er mich jetzt geschlagen hat, das wird er bestimmt bald lassen usw Und in Wirklichkeit ist es eben eine Missbrauchsbeziehung. Man muss diesen Missbrauch irgendwann erkennen und zugeben. Und Europa ist sozusagen noch nicht bereit zuzugeben, rein psychologisch, dass wir von den USA missbraucht werden.

Milena Preradovic: Mhm. Wie sieht es denn eigentlich mit dem militärischen Gleichgewicht aus? Sie sagen ja gerade, die USA sind nicht mehr militärisch so stark, wie sie es noch im Irakkrieg waren. Und Sie schreiben gleichzeitig, dass Russland quasi mit einem Strauß neuer Technologien überrascht hat. Wie sieht denn das militärische Gleichgewicht zwischen Russland und den USA heute aus?

Dr. Hauke Ritz: In vielen Bereichen sind die USA nach wie vor stark, insofern sie Macht über ihre Landesgrenzen projizieren können. Sie können zum Beispiel mit ihrer Flotte sozusagen in bestimmte Küstenregionen dort hinfahren und dort sozusagen anfangen zu schießen. Das kann Russland nicht. Die russische Flotte ist sozusagen viel kleiner als die amerikanische Flotte. Aber Russland hat das ja auch gar nicht vor. Und der aktuelle Krieg findet in der Nähe Russlands statt, nicht weit von seiner Grenze. Und in dieser Situation ist Russland stärker, weil die USA müssen alles Kriegsgerät sozusagen über den Atlantischen Ozean transportieren, ist dann auch durch Europa hindurch transportieren, wobei oft die die Infrastruktur dafür gar nicht geeignet ist. Und in einer solchen Situation sind die USA tatsächlich unterlegen. Sie können sozusagen gar nicht vollständig, selbst wenn sie wollten, sie wären sozusagen allein von den Transportkapazitäten gar nicht fähig, vollständig in den Ukrainekrieg einzusteigen. Sie können nur die Ukraine als Stellvertreter benutzen, um für sie gegen Russland zu kämpfen, und dabei verlieren sie einen beträchtlichen Teil ihres Kriegsgeräts. Es gibt Streit darüber, wie viel Prozent ihrer gepanzerten Fahrzeuge, ihrer Artillerie, ihrer Munition sie jetzt schon in die Ukraine geliefert haben. Ich möchte da jetzt gar keine Zahlen nennen, aber doch ein ein zweistelliger Prozentsatz Ihrer Vorräte wurde dort jetzt bereits vernichtet.

Milena Preradovic: Aber die Rüstungsindustrie, die amerikanische profitiert davon? Ist es nicht auch so, dass auch die Europäer viel davon zahlen?

Dr. Hauke Ritz: Es ist generell auch ein Problem nicht nur der USA, sondern auch Westeuropas, dass wir nicht mehr die Arbeiterschaft haben, um sozusagen groß angelegte Stahlproduktion in die Wege zu leiten und dann Millionen von Artilleriegeschossen zu produzieren. Sondern es ist tatsächlich so, dass in diesem Bereich die russische Wirtschaft eine größere Leistungsfähigkeit hat als die der gesamten NATO. Mann, es reicht ja nicht, dass man da eine Fabrik hinstellt. Man muss dann auch das Personal haben, das ausgebildet ist, sozusagen diese Maschinen zu bedienen. Und wir haben sozusagen im gesamten Westen heute eine Industriestruktur etabliert, die zwar sehr gut darin ist, die Medienprodukte zu schaffen, PR, Industrie, Beratungsfirmen, einen riesigen Strauß an Dienstleistungen hervorzubringen, aber sozusagen handfeste Produktion haben wir hier zunehmend weniger, in den USA noch weniger als in Europa. Aber auch in Europa ist es am abnehmenen, ist es nicht mehr so stark wie früher. Und wenn man einen wirklich physischen Krieg hat, dann braucht man sozusagen Millionen von Arbeitern, die die Schiffe bauen können, die Panzer bauen können, die Artilleriegranaten bauen können und die Industriestruktur im Westen ist dafür nicht mehr geeignet.

Milena Preradovic: Das heißt, Sie rechnen nicht mit einem großen Krieg, einem echten Krieg nach altem Muster?

Dr. Hauke Ritz: Weil auch der heutige Westen psychologisch nicht mehr in der Lage ist, einen solchen Krieg standzuhalten. Also in der Ukraine sterben pro Tag zwischen 1000 und 2000 Soldaten, und der überwiegende Teil davon sind Ukrainer. Noch vor ein oder eineinhalb Jahren war die Verlustrate geringer. Sie steigert sich, je länger der Krieg andauert. Und wenn man jetzt sich vorstellt, Frankreich würde mit 20.000 tausende Soldaten in diesen Krieg reingehen. In einer wirklichen Auseinandersetzung wäre diese diese Größenordnung von Soldaten sozusagen in wenigen Wochen nicht mehr vorhanden. Und die westlichen Gesellschaften sind nicht psychologisch in der Lage, den Verlust von Tausenden von Soldaten, vielleicht sogar Zehntausenden zu verkraften. Und deswegen gibt es eigentlich keine Möglichkeit auch. Man hat auch versucht, sozusagen Söldner in die Ukraine zu schicken. Aber das Problem mit Söldnern, Söldner kämpfen für Geld und sie sind eben nur bereit für Geld zu kämpfen, wenn sie eine Überlebenswahrschein-lichkeit haben. Und in dem Ukrainekrieg ist die Überlebenswahrscheinlichkeit für einen Söldner vielleicht bei 50 % und das lohnt sich in den Augen eines Söldners nicht. Dieses Risiko, weil man gar nicht mehr weiß, ob man das Geld, das man dann dort verdient, auch ausgeben kann. Und deswegen ist es auch nicht wirklich gelungen, jetzt im großen Stil Söldner im Ukrainekonflikt einzusetzen.

Milena Preradovic: Ich möchte noch auf einen anderen Teil Ihres Buches kommen, den ich sehr spannend finde. Da schreiben Sie: „Der Kalte Krieg war ein kultureller Kampf und weniger ein militärischer oder ökonomischer. Dem Westen sei es gelungen, Sehnsüchte zu wecken und seinen Lebensstil auch im Osten zum ersehnten STANDARD zu machen. Die USA haben den Kulturkampf gewonnen.“ Aber dann schreiben Sie: „Was die Quelle seines größten Erfolgs ausmacht, wurde nun zum Keim seines Niedergangs.“ Wie meinen Sie das?

Dr. Hauke Ritz: Also man muss verstehen, dass sozusagen direkt nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in den Vereinigten Staaten und auch Großbritannien ein Unbehagen mit der gewonnenen Macht der Sowjetunion. Und es gab am Anfang Pläne, ob man das nicht auch militärisch wieder zurückdrängen könnte. Und das kulminierte in der Kubakrise 1962, als amerikanische Militärs kurz davor standen, sozusagen den Atomkrieg gegen die Sowjetunion zu wagen. Aber die Sowjetunion war damals schon zu mächtig und hatte auch schon zu viele Atomwaffen. Und Kennedy hat es im letzten Moment verhindert, dass es Gott sei Dank nicht dazu gekommen ist. Und danach entstand eine Situation, wo klar war, dass dieser sozialistische Block erstens bleiben würde und zweitens militärisch nicht zu besiegen wäre. Und dann wurde halt die kulturelle Kriegsführung, die Soft Power immer wichtiger und man dachte: „wenn wir sozusagen eine Dominanz über die Sowjetunion erringen, dann nicht wirtschaftlich“, weil wirtschaftlich war dieser Raum autark. Sie hatten ihre eigenen Ölreserven, ihre eigenen Rohstoffe, sie haben fast alles selbst hergestellt. Militärisch war es auch nicht zu lösen, aber man konnte vielleicht die Idee des Sozialismus unattraktiv machen. Nicht nur für die Bürger des Westens, die ja auch unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg noch über starke kommunistische Parteien verfügten, etwa in Griechenland, Italien, Frankreich und auch viele Schriftsteller und Künstler wie Picasso zum Beispiel hatten Sympathien für den Sozialismus, und die Befreiungsbewegungen der Dritten Welt sympathisierten auch mit dieser Idee.

Dr. Hauke Ritz: Also es gab eine eine starke kulturelle Attraktivität für den Sozialismus in den 50er und auch noch in den 60er Jahren. Und die USA dachten darüber nach „Wie können wir den Sozialismus wieder unattraktiv machen? Erstmal für unsere eigene Bevölkerung, aber letztlich auch für die Bürger der Sowjetunion selbst?“ Und man hat dann einen ganzen Strauß an Maßnahmen sozusagen in Gang gesetzt. Etwa da gab es eine Organisation, die hieß „Kongress für kulturelle Freiheit“, die vieles davon organisiert hat, zumindest bis 1969. Dann wurde sie aufgelöst und durch Nachfolgeorganisationen ersetzt. Und eine der Techniken, die man eingesetzt hat, war, dass man gesagt hat: „Gut, es wird immer irgendwelche linke Menschen geben, es wird immer Menschen geben, die träumen von einer besseren Welt. Die möchten ihr Leben für eine bessere Welt einsetzen. Wir können das nicht kriminalisieren, wie wir das unter dem Einfluss des Senators McCarthy probiert haben in den frühen 50er Jahren. Aber vielleicht können wir sozusagen diesen, diesen idealistischen Menschen ein anderes Ziel geben. Vielleicht können wir das Linkssein verändern.“

Milena Preradovic: Also Linkssein ohne Kommunismus?

Dr. Hauke Ritz: Ja. Dann wurde in der CIA offen davon gesprochen, dass man eine nichtkommunistische Linke aufbauen möchte, die sich dann eben nicht mehr mit dem Hauptwiderspruch Kapital und Arbeit, Marx Fall der Profitrate, Imperialismus als letztes Stadium des Kapitalismus, also all das wollte man sozusagen weghaben, an den Rand drängen und stattdessen hat man sozusagen andere Themen der Linken, die es ja auch damals schon gab, die es auch immer schon gegeben hat, wie zum Beispiel die Kritik an althergebrachten Traditionen, die Befreiung der Frau, die Emanzipation der Frau, Schutz von Minderheiten. Also zum Beispiel die Diskriminierung der Schwarzen in den USA. Der Einsatz für Bürgerrechte im allgemeinen Sinne, dass all diese Dinge sozusagen immer stärker in den Vordergrund gerückt sind. Und auf diese Weise entstand allmählich im Westen eine eine Linke, die nicht mehr im Widerspruch zum Kapitalismus stand, sondern in den Kapitalismus integriert werden konnte. Und ganz entscheidend war dabei natürlich die Gründung der Grünen Partei, die am Anfang ja auch noch was nicht ganz Domestiziertes hatte. Also am Anfang auch noch ein paar gute Ideen in der Friedenspolitik, aber dann im Laufe der Entwicklung sich immer mehr hin verschob zu sozusagen eine Art künstlichen Linken, die sozusagen progressive Werte vor sich her trägt, die letztlich zu Wegbereitern der Globalisierung geworden sind. Und jetzt sieht man ja heutzutage richtig an der Allianz des Staates mit diesen Grünen, ich sag mal pseudo linken Werten. Und tatsächlich hat durch diese Veränderung des Linkssein die Sowjetunion ihre Ansprechpartner in Frankreich und Italien und überall, wo sie in Europa Einfluss hatten, verloren. Der Einfluss sozialistischer Parteien ging tatsächlich zurück. Die Grüne Partei und andere Themenströmungen traten an ihre Stelle. Und dass diese Verschiebung, diese epistemologische Verschiebung war so tiefgreifend, dass am Ende sogar die Sowjetunion selbst davon affiziert wurde und man sogar in der Sowjetunion das Gefühl hatte, dass der Sozialismus altbacken geworden war, dass er nicht mehr den Anforderungen der Zeit entsprach und er dann ja irgendwann unter Gorbatschow sogar von der Spitze des Staates aus infrage gestellt wurde und letztlich abgewickelt wurde. Und das hat zum kulturellen Sieg des Westens im Kalten Krieg geführt, aber mit Folgen, wie Sie schon zurecht erwähnt.

Milena Preradovic: Genau auf die Folgen würde ich gern kommen. Also dieser Keim des Niedergangs, der aus diesem Erfolg quasi herauskommt.

Dr. Hauke Ritz: Ja, weil die westliche Welt oder vielleicht sollte man besser statt Westen die USA sagen. Die USA haben sozusagen im Kalten Krieg gelernt, wie man Kultur militarisieren kann, wie man Kultur als Waffe einsetzen kann. Und Kultur ist aber nicht dafür da, eine Waffe zu sein. Kultur ist das Medium, in dem der Mensch überhaupt zum Menschen wird. Würde man den Menschen all seiner Kultur nehmen, dann wäre er wieder ein Tier. Wir haben sozusagen Jahrtausende der Entwicklung hinter uns, die vor allem eine Entwicklung, eine Entwicklung der Kultur gewesen ist, durch die wir humanisiert wurden, durch die wir in der Lage versetzt wurden, auf uns selbst zu reflektieren, auf unsere Stellung in der Gesellschaft zu reflektieren, ein politisches System zu erschaffen, die Geschichte positiv zu beeinflussen all das sind Kulturleistungen. Und wenn man die Kultur jetzt anfängt zu militarisieren und aus einer geopolitischen Perspektive bestimmte kulturelle Strömungen unterstützt und andere hemmt, dann greift man in diesen Prozess der Kulturentwicklung ein und am Ende beschädigt man sozusagen auch die Fähigkeit einer Gesellschaft, sich selbst zu lenken, sich selbst zu korrigieren, selbst sogar am Ende den Vernunftgebrauch. Und das ist genau das, was jetzt im Westen passiert ist. Wir haben im Kalten Krieg sehr effektiv die Kultur in eine Kraft verwandelt, mit der wir tatsächlich geopolitisch dominant sein konnten. Wir haben unseren Gegnern der Sowjetunion damals den Kopf verdreht, sie an sich selbst zweifeln lassen und sie in einer Art Bewunderungshaltung uns gegenüber versetzt. Aber die Folge davon ist, dass wir jetzt die Fähigkeit zur Selbstkorrektur verloren haben.

Milena Preradovic: Haben wir auch künstliche Kultur geschaffen?

Dr. Hauke Ritz: In gewisser Weise haben wir eine künstliche Kultur geschaffen, was ja besonders sichtbar wird an der LGBTI Bewegung, die ja was extrem Künstliches an sich hat.

Milena Preradovic: Ja, mir ist nämlich aufgefallen, ich habe sehr lange gebraucht, um diese Bewegung genau wie die Identitätspolitik oder Identitätsbewegung zu verstehen, weil ich mit meiner Logik nicht hinterher kam. Und dann werde ich immer misstrauisch.

Dr. Hauke Ritz: Ja, wir haben ja sozusagen bestimmte Merkmale der europäischen Kultur. Also die europäische Kultur war geprägt von der Säkularisierung des Christentums. Also die Werte des Christentums sind über einen jahrhundertelangen Prozess, der schon in der italienischen Renaissance sozusagen einsetzt und der dann im 20. Jahrhundert kulminiert, langsam verweltlicht worden. Das heißt, da wurden bestimmte Werte aus dem Christentum, zum Beispiel die Gleichheit aller Menschen vor Gott wurde transformiert in die Gleichheit vor dem bürgerlichen Gesetz oder oder die soziale Ethik des Christentums wurde sozusagen in eine politische Theorie der sozialen Gleichheit verwandelt. Also zum Beispiel der Sozialismus oder auch die Sozialdemokratie. Auch der Kommunismus. Das sind alles säkularisierte, sozusagen verweltlichte Formen des Christentums. Ich bin mir zwar bewusst, dass es eine Gegnerschaft zwischen den Kommunisten und der Kirche gibt, aber von den Werten her, dass man den Schwachen helfen soll, das ist die Hauptaufgabe einer Gesellschaft ist, sich um die Schwachen zu kümmern, das ist genau das, was sozusagen die Werte der Arbeiterbewegung mit dem Christentum verbunden hat. Aber auch in anderen politischen Strömungen lässt sich zum Beispiel beim tendenziell auch beim Liberalismus oder auch bei Konservativen lässt sich diese Säkularisierung des Christentums feststellen. Und diese schleichende Verweltlichung des Christentums war sozusagen die kulturelle Kraft, die Europa groß gemacht hat, durch die wir in der Lage waren, sozusagen das Nachdenken über den einen Gott in ein Nachdenken über die eine Wahrheit zu verwandeln, was dann allmählich zur Entstehung der Wissenschaften führte, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen. Und diese Säkularisierung des Christentums, die wurde von den USA indirekt im kulturellen Kalten Krieg bekämpft, weil sie ja sozusagen den Kommunismus und Sozialismus als Gegner identifiziert haben. Und dann haben sie bestimmte Grundmuster des sozialistischen Denkens, wie zum Beispiel die Vorstellung, dass die Geschichte ein Ziel hat, dass es einen Fortschritt gibt, dass es ein Subjekt in der Geschichte gibt, das handeln kann, diese Gedanken wurden zunehmend in Frage gestellt, besonders in der in Frankreich entstandenen postmodernen Philosophie.

Dr. Hauke Ritz: Und da zitiere ich dann eben auch eine eine Studie, eine freigegebene Studie des CIA, aus der hervorgeht, dass die CIA ganz einverstanden war mit der antimarxistischen Ausrichtung der sogenannten neuen Philosophen aus Frankreich. Und das deutet darauf hin, dass der kulturelle Kalte Krieg tatsächlich unser Weltzugang verändert hat. Wir sind sozusagen von einer Kultur, die an den Fortschritt geglaubt hat, die sozusagen mit Optimismus in die Zukunft guckte, in eine Kultur verwandelt worden, die nur noch an Dystopien glaubt, die glaubt, dass der Klimawandel uns töten wird, dass der Planet an Überbevölkerung zugrunde geht. Wir sind von einer Kultur, die früher vom Humanismus geprägt war, die dem Menschen bestimmte Fähigkeiten zugesprochen hat, die Fähigkeit zum Vernunftgebrauch, die Fähigkeit zur Selbsteinsicht, zur Gerechtigkeit, sind wir jetzt in eine Kultur verwandelt worden, die überall nur noch den Menschen das Schlechte zutraut, das den Menschen als potenziellen Rassisten sieht, als potenziellen Sexisten sieht, als potenziellen Umweltverschmutzer. Und immer ist die Antwort, dass man ihn reglementieren muss, dass man ihm noch mehr Regeln aufgeben muss, tendenziell noch mehr überwachen muss, weil ihm sozusagen keine Autonomie zuzutrauen sei. Und da hat unsere Kultur, das beschreibe ich im vorletzten Kapitel, doch eine fundamentale Transformation zurückgelegt, sozusagen, wo tatsächlich das Positive plötzlich in etwas Negatives gekippt ist. Und das Ganze passiert in zwei, drei Jahrzehnten und zufällig in der zweiten Hälfte des Kalten Krieges. Und da fragt man sich, gibt es da einen Zusammenhang?

Milena Preradovic: Im Titel des Buches steht ja auch „die Neuerfindung Europas“. Heißt das, wir müssten uns in Europa, weil im Gegensatz zur USA hat ja Europa eine jahrhundertealte Kultur, und zwar eine sehr, sehr reiche. Müssen wir uns darauf wieder besinnen, um uns neu erfinden zu können?

Dr. Hauke Ritz: Ja, ich glaube, dass das Drama des heutigen Europas und auch der Europäischen Union ist, dass Europa zunehmend nicht mehr europäisch ist. Und auch die EU ist nicht europäisch, was man ja auch an der Erinnerungskultur der Europäischen Union sieht, die große Schwierigkeiten hat, sich auf das 19., 18. Jahrhundert, die Renaissance oder auch die antike Herkunft Europas daran zu erinnern. Auf unseren Geldscheinen gibt es zum Beispiel gar keine richtigen Gebäude. Man könnte da ja den schiefen Turm von Pisa oder andere Gebäude abbilden, aber das passiert nicht. Stattdessen sind dort ausgedachte Brücken und ausgedachte Gebäude abgebildet. Also Europa hat tatsächlich seinen Bezug auf die Vergangenheit zunehmend verloren. Wir betreiben eine Erinnerungskultur, die so tut, als ob Europa direkt nach dem Zweiten Weltkrieg angefangen hätte. Wir setzen Europa mit dem Westen gleich und damit letztlich mit der amerikanischen Weltsicht, mit amerikanischen Werten, mit der Konsumkultur. Und damit leugnen wir alles, was tatsächlich Europa früher erfolgreich gemacht hat. Europa ist ja erfolgreich geworden, weil gerade bei uns die Wissenschaften entstanden sind und dass die Wissenschaften entstanden sind, hatte wiederum Gründe, die die Jahrhunderte zurückreichen. Es musste erst eine griechische Philosophie geben, es musste erst eine monotheistische Religion in Europa Fuß fassen, die sozusagen die vielen Götter gegen einen Gott austauscht, bevor überhaupt das Konzept einer Wahrheit denkbar wurde, was ja wiederum eine Voraussetzung dafür war, dass Wissenschaften hier entstehen konnten. Also da ist ein langer kultureller Weg zurückgelegt worden, und indem wir sozusagen ein negatives Verhältnis zu unserer eigenen Vergangenheit angenommen haben, sicherlich auch durch die Folgen, durch das Traumata der beiden Weltkriege, insbesondere Deutschland ist davon ja behaftet, dass wir, sobald wir uns der Vergangenheit zuwenden, stoßen wir immer an diese Mauer des Zweiten Weltkriegs und denken, da gehen wir besser nicht ran. Da gibt es eine Art unbewusste Angst, sich mit zu weit in der Vergangenheit liegenden Dingen auseinanderzusetzen.

Milena Preradovic: Wir trauen uns nicht, selbstbewusst zu sein aufgrund dieser Schuldgefühle?

Dr. Hauke Ritz: Ich schreibe das ja auch in dem Buch Europa ist durch die beiden Weltkriege traumatisiert worden, und das ist ja auch verständlich angesichts der vielen Millionen Menschen, die dort gestorben sind. Also während des Ersten Weltkriegs sind pro Tag 6000 Menschen in Europa gestorben und das ganze vier Jahre lang. Und im Zweiten Weltkrieg war es sogar noch schlimmer. Und dazu die die Zerstörung unserer Städte und auch natürlich die moralische Schuld durch den Holocaust und auch den Vernichtungskrieg, den das Deutsche Reich gegen slawische Völker, insbesondere die Völker der Sowjetunion, geführt hat.

Milena Preradovic: Das ist doch alles kein Grund, dass wir die guten Dinge aus unserer Vergangenheit nicht auch schätzen. Das ist doch eigentlich kein Grund, oder hat man uns ein bisschen dorthin gedrängt? Sie schreiben ja auch davon, dass die USA uns quasi ihre eigene Kulturlosigkeit überstülpt hätte.

Dr. Hauke Ritz: Ja, also sicherlich kommt da beides zusammen, das natürliche Trauma und natürlich das Interesse der USA an einem Europa, das möglichst ein möglichst geringes Bewusstsein seiner selbst hat, weil in dem Moment, wo Europa sich seiner eigenen Kulturschätze bewusst wäre und sich auch wieder mit den positiven Inhalten der europäischen Kultur, wie zum Beispiel die Entstehung der Wissenschaften wie zum Beispiel die der große künstlerische kulturelle Reichtum, Europa, seine Architektur, seine Städte, sein literarisches Erbe, wobei ja viele der europäischen Nationen eine Nationalliteratur hervorgebracht haben, aber alle haben sie eine, eine Art Literatur hervorgebracht. Das ist das Verbindende, und sie haben sich ja auch alle gegenseitig gelesen, gegenseitig beeinflusst. Und es ist ein enormes kulturelles, intellektuelles Erbe, das Europa anzubieten hat. Europa ist der Kontinent der Geschichte, der immer in einem Modus der historischen Reflexion gelebt hat und dadurch auch sehr geeignet ist, sozusagen selbstbewusst über die Zukunft nachzudenken. Aber dieses Selbstbewusstsein hat tatsächlich Europa unter der amerikanischen Hegemonie verloren. Da war, glaube ich, eine Art Mischung nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf der einen Seite waren dort das Traumata, dann waren die nicht aufgearbeiteten Schuldgefühle. Und dann gab es ein Angebot aus den USA, zu dem man nicht Nein sagen konnte, nämlich sozusagen der Wohlstand der Konsumkultur, verbunden mit der Abnahme von Verantwortung. Und jetzt gibt es sozusagen die unbewusste Haltung in besonders in Deutschland. Aber man findet es tendenziell auch in anderen europäischen Ländern. Solange die USA für uns bestimmen, solange wir die politischen Konzepte aus den USA übernehmen, solange können wir nicht wieder schuldig werden. Das Paradoxe ist, dass wir gerade dadurch schuldig werden, weil gerade dadurch kommen wir in eine Situation, wo wir zum Beispiel den Krieg gegen Russland erneut wiederholen. Aber das Unbewusste, das muss man auch verstehen, das Unbewusste ist nicht logisch und im Unterbewusstsein können Narrative Fuß fassen, die irrational sind. Deswegen ist es wichtig, dass da, wo das Unbewusste herrscht, eine Art Aufarbeitung stattfindet und diese Dinge ins Bewusstsein gehoben werden.

Milena Preradovic: Aufarbeitung Nicht unbedingt eine neue europäische Kultur. Vielen Dank, Dr. Ritz, für diese wirklich interessante, hochspannende Unterhaltung und auch für Ihr Buch. Also meine absolute Empfehlung. Sehr viele spannende Gedanken. Danke, dass Sie bei uns waren.

Dr. Hauke Ritz: Ja, vielen Dank für die Einladung. Frau Preradovic. Vielen Dank.

Milena Preradovic: Tja, Leute, die Neuerfindung Europas steht im Raum. Ja, und Europa sind wir. Die Spaltung in fast allen Ländern zeigt ja schon, dass sich da was bewegt und auch der allgegenwärtigen Propaganda widersteht. Wer ein souveränes Europa, ein souveränes Deutschland möchte, wer sich für Frieden und Verhandlungen einsetzt, der kann eigentlich nicht der Böse sein. Ich wünsche euch eine gute Zeit. Bis bald.

Interview with Dr. Hauke Ritz (english)

Milena Preradovic: In 1989, the Berlin Wall came down, followed by the collapse of the Warsaw Pact. The Cold War was over and we were all full of hope for a peaceful era. In 2024, that hope has died. The world is more insecure than ever. Wars, rearmament, irreconcilability. And even in Germany, which was once so eager to relax, the barracks tone prevails. What has become of the promise of 89? My guest says: „The USA, the West, has missed the chance to make the world a better place. Living together on an equal footing does not go well with the US claim to sole leadership. But the empire is wobbling.“ Have the USA’s efforts to create a unipolar world order caused its own decline? Now to Punkt Preradovic. Hello Dr. Hauke Ritz.

Dr. Hauke Ritz: Hello Ms. Preradovic, I’m happy to be here.

Milena Preradovic: I’m glad you’re back. I’ll briefly introduce you. You are a doctor of philosophy, a publicist and an author. As an author, you primarily deal with geopolitics for various publications. And you know Russia well, having taught at several Russian universities and witnessed the beginning of the war in Ukraine first hand. In 2022, you published „Endspiel Europa. Why the European Political Project Failed“ and „How We Can Dream of It Again“ together with political scientist Ulrike Guerot, and since then you have been co-directing the European Democracy Lab with her. The book has certainly caused established academia to gasp. Your new book is called „From the Decline of the West to the Reinvention of Europe“. A very dense book, I think, with highly interesting lines of thought. Let’s start at the beginning with the hopes of 1989, when the Wall fell. And then the Warsaw Pact. The Cold War was over. Anything was possible back then. And all of us, well, those of us who still remember, we all hoped for a peaceful new world, which then did not come. Who prevented it?

Dr. Hauke Ritz: Yes, I describe in the book that the Europeans were trapped in a double identity. On the one hand, they saw themselves as Europe and on the other hand, they saw themselves, at least in Western Europe, as the West. And this Western identity was definitely associated with a certain satisfaction, in that during the Cold War they enjoyed greater prosperity than the socialist countries. And they lived, so to speak, in the perception that arose during the Cold War that they had somehow embodied the better and ultimately more victorious, more dominant system. And that gave rise to a certain pride that bound the Europeans to the United States and thus to this concept of the West. And the moment you see most of Europe, or the western, then only western part of Europe, as the West, the moment you need a border in the east, and that meant that Russia had to be excluded. But if you had understood Europe as Europe and this identity was still alive at the time, it was also the inspiration behind the founding of the European Union, where it was said that the European Union was to be founded as a peace project, that war was to be kept out of Europe permanently, that a shared security was to be created, applies to every actor on the European continent, in other words, to create a common security zone in which no one feels threatened. These were all concepts that were associated with Europe and at the same time there were the other concepts, the Western concept and that competed with each other in the personality of almost every European politician.

Dr. Hauke Ritz: And the Americans didn’t have that kind of dual identity. The Americans knew very well that they are the West and that they are only the West and not Europe. And they took advantage of the Europeans‘ indecisiveness and hesitation to push through their point of view and their plans for the future. And this consisted precisely in westernizing Europe. And with that, certain elements of the American model of world order also became binding for the Europeans, for example, the division of the world into good and evil, the concept of a border that is always being shifted, which we already from American history, was no longer the inner-American border during the 19th century, opposite the Indian territories, but was now, so to speak, the NATO border, which had to be pushed eastward. So the Americans‘ concept of world order is complicated, we might as well talk about it separately, but in any case, it then became increasingly binding for the Europeans. And without really understanding it, they had gambled away the chance to establish lasting peace on the continent after 1989.

Milena Preradovic: Yes, but I don’t understand the Americans either. Around 2000, Russia had an outstretched hand. The Russians even offered to join NATO and the USA would have remained the world’s number one power. Why was Russia ultimately unable to be integrated into this American idea of a world order?

Dr. Hauke Ritz: Yes, that is, in a way, the mystery that I already mention on the first page of the book and that I then try to answer throughout the entire book. Why did the United States reject a partnership and friendship or alliance with Russia that would have been within reach and that, in the end, would have strengthened it as well? Because, so to speak, from the 2000s, from the mid-2000s, it was already apparent that the West would not remain dominant forever, but that some powers were emerging in the southern hemisphere, especially India and China. And in such a world of a strengthening South and East, such an alliance with Russia would have made perfect sense. It could have, so to speak, extended American power for a generation or two into the future. And the Americans would, of course, have remained the boss anyway, as they said. And it wouldn’t have been the Americans adapting to the Russians, but the Russians adapting to the Americans. And the Russians were ready for it. In the 90s, they were crazy about all these symbols of Western pop culture, they traveled to Western Europe and the United States with great curiosity, and they started learning English. So there was a great openness, one could also say naivety on the part of the Russians towards the West and the United States, and the United States failed to take advantage of this, ultimately to its own detriment. And the Europeans? They have, of course, suffered even greater damage because they have not been able to get out of the chain of wars that began in Europe with the First World War. The First World War, because it was not properly resolved in the Versailles Peace Treaty, led to the Second World War. The Second World War led to the division of Europe between the Soviet Union and the USA. And then, in 1989, exactly 75 years after the outbreak of the First World War, there was an opportunity to break out of this chain of wars. And instead, the Europeans subordinated themselves to the Americans, so to speak, ultimately letting them make the decisions about the future alone, and thereby helping to ensure that the chain of wars would continue.

Milena Preradovic: You write about an invisible war that has been going on for almost 30 years, an invisible war for most Europeans.

Dr. Hauke Ritz: That’s exactly what I write at the end of the book, because wars are waged differently today than they were in the past. When we talk about war, we always imagine, so to speak, armored troops and soldiers and maybe even the air force attacking a country. But nowadays, wars are also waged in the press. Nowadays, wars are waged through international organizations, for example through the IMF and the World Bank, through loans, through relatively invisible, insidious factors. This way it is possible, for example, through the concept of the color revolution, which has indeed been tried in some states. This is, so to speak, a concept where a coup is carried out in a country. But this coup does not take place as openly as we know it from Chile in 1973, for example. Rather, this coup is hidden in a demonstration that has often started weeks and months before and is also underpinned by money and influential networks.

Milena Preradovic: And reinterpreted as a revolution? So coups are reinterpreted as revolutions.

Dr. Hauke Ritz: Yes, a dissatisfaction in the country is literally organized, where PR agencies are also involved. And the PR agencies then create symbols and narratives that are spread among the population. Then somehow a symbolic color is chosen. So in the 2004 coup in Ukraine, the color was orange. Then rumors of election manipulation are spread and when, so to speak, the dissatisfaction among the population has risen sharply, weeks of demonstrations have already begun, then a coup is carried out in the background, so to speak, and it is presented in the world press as if a liberating revolution had taken place here.

Milena Preradovic: Is that what we are seeing in Georgia right now?

Dr. Hauke Ritz: What is possibly being prepared in Georgia now and what has already taken place in Georgia in the early 2000s. If my memory serves me well in 2003 or 2005, my memory is not exact, but during that time such a color revolution also took place in Georgia. Another example is Ukraine in 2004 and 2014. But there have also been similar operations in Serbia. In 2000 or in the Middle East, something like this has been carried out, for example in Egypt, in Cairo, in the course of the Arab Spring. So there are many examples of such modern coups, and in this way you can also conquer a country. You then install, so to speak, a political class or elite, which you may have even trained beforehand at your own universities, with representatives of that country who have studied abroad and who are then brought back. And in this way, you end up with access to the country’s legislation, resources and military. You haven’t moved tanks or troops in the traditional sense, but you have still conquered the country. These are modern wars. And I talk in my book about the fact that there has been a kind of invisible war against Russia for many years, which has been carried out using such methods, for example by carrying out such hidden operations in Russia’s neighboring countries. At the same time, there has also been increasingly strong negative reporting on Russia since around 2006/7. That is to say, there was almost no positive news about Russia, only negative news, which then always projected stereotypes onto Russia. „Russia is still like it was under Stalin. Russia is, so to speak, similar to the Third Reich. Russia is a dictatorship“ and through this constant negative reporting, the ground was prepared, so to speak, which then makes it possible today for a large part of the population to accept the sanctions against Russia, for example. So if these sanctions had been implemented in 2007, when this negative reporting was just beginning, it would have caused contradictions. People would have said: „Yes, why?“

Milena Preradovic: Especially if you suffer economically as a result, right?

Dr. Hauke Ritz: Exactly, but because Russia has been dehumanized in the media for a decade and a half, so to speak, it has been portrayed as a country that can only be described in the most negative colors, is increasingly lacking in human traits, is always brutal, always spreading propaganda, has no free journalists, and imprisons all free people. I’m exaggerating a bit now. The fact that this reporting has created this image is a caricature, one might say, like something out of a comic book. But because many people have unconsciously accepted this image, they were then also willing to support the delivery of weapons to Ukraine. They were willing to support the delivery of cluster bombs to Ukraine, even though these weapons are actually banned. Nobody objected when Russian assets were frozen. Not only state assets, but also those of some Russian private individuals have been frozen. Did they not say anything when people lost their jobs just because of their ethnicity, as Russians, as Russian people, so to speak, when, for example, conductors in individual orchestras or opera singers were suddenly no longer allowed to perform? These are all things that we would never accept in the case of French, Italians or Spaniards. There would be an outcry if someone lost their job as a conductor or had their assets frozen just because they are French or Italian. But because Russia has been dehumanized for a decade and a half, a large part of the population was willing to accept it in this case.

Milena Preradovic: Yes, this information war has worked. You write that the US had expected and hoped that Russia would go down the drain after 89. As was also indicated under Boris Yeltsin. And Russia then recovered. And now you write that the US has again thought that Russia is on the way down, that a war in Ukraine would destabilize Russia and make it possible to install a Western-oriented government. And in that context, you also mentioned a Rand Corporation paper called „Overstretching Russia“ in your book. But that didn’t happen either. I wonder why the US keeps misjudging Russia?

Dr. Hauke Ritz: Well, to put it a bit more specifically, a bit more precisely: The Americans didn’t get it wrong right away. In the 1990s, there was also a period of hesitation when the Americans didn’t know exactly how they should react to the end of the Cold War. There were hardliners like Paul Wolfowitz who as early as 1992, just a few weeks after the fall of the Soviet Union, said: „We must continue to treat Russia as a rival, to continue to dominate it militarily and economically in every respect“. But there were other wings in American politics that initially adopted a wait-and-see attitude. But then Russia plunged into chaos with such speed. First of all, the rapid collapse of the Soviet Union was also surprising for many Western observers. And then, as a result of the collapse of the Soviet Union and the loss of the entire socialist ideology, the country slid into a kind of deep crisis, where for a while, mafia-like networks dominated the country, the laws lost their validity, and privatization occurred, ultimately leading to the theft of public property. This then led to the situation in the USA, where hardliners like Paul Wolfowitz and other neoconservatives gained momentum and were able to push through their proposals. And around the year 2000, or already in the late nineties and early 2000s, when the Bush administration came into office, the party that said, „We want to take maximum advantage of Russia’s weakness and expand NATO to the east,“ prevailed, so to speak.

Dr. Hauke Ritz: And ultimately, it was speculated that after the Soviet Union had already disintegrated, at some point Russia would also disintegrate as a state. A document of this world view was, for example, Zbigniew Brzezinski’s book from 1997. In English, „The Grand Chessboard“. In German it was called „the only world power“, and in this book Russia is described as a black hole. And Brzezinski chose this metaphor to describe that Russia had already crossed the event horizon of state disintegration and that, sooner or later, the country could be divided up. And he also proposes dividing Russia into three or four parts. It is an extreme book. But the fact that Russia is perceived in this way has actually been repeated several times in history. Even Hitler thought that the Soviet Union was a colossus with feet of clay and that all you had to do was attack and march in and then it would collapse. And Napoleon thought similarly when he attacked Russia, so to speak, over 200 years ago.

Milena Preradovic: And you say that Russia has emerged stronger from these crises every time and you say that it will do so this time as well.

Dr. Hauke Ritz: Yes, that is the fascinating thing about the history of the Russian state. Russia is periodically attacked from the west. There is, so to speak, an urge to the east, which always arises in Europe when Europe is united. Napoleon had united Europe through his military campaigns, and this Europe, united under French rule, is then seized by the urge to expand eastwards, attacks Russia and the result is a defeat. And Russia is stronger at the end than ever before. Russian soldiers are in Paris. Russia is then established as one of the five leading powers in Europe in the Peace of Vienna of the Congress of Vienna and thereafter has massive influence on the European continent. That was exactly not the result that Napoleon wanted to achieve, but he helped to bring it about. The same with Hitler. So Hitler conquers large parts of Europe. Europe is, so to speak, involuntarily united and under the hegemony of the Nazis as a result of his military campaigns. Unfortunately. And that then leads to the urge to the east. And Hitler thought he could conquer Russia. The result is that the Russian army is now at the Elbe and Russia has a huge sphere of influence far into Europe. And this could not quite be repeated this time, because firstly, today’s Russia has no desire to occupy any areas in Ukraine or anything. So what we are hearing in the media now, that Russia could take the Baltic states and…

Milena Preradovic: All of Europe, if we don’t…

Dr. Hauke Ritz: There is no will to do so in Russia. You don’t hear that in the media either and I have never met a Russian who has even seriously considered it. And that’s also because Russia suffers from weak demographics. So, like Germany and France and many other countries, they don’t have enough children and, so to speak, they have a country with a shrinking population, but one that is already huge and doesn’t really want to conquer any large areas. So what we experienced, so to speak, after the Second World War, we are not going to experience now.

Dr. Hauke Ritz: But there is one more thing I would like to add: Russia will of course be reconnected to Europe after this war. Simply because it will emerge from this war stronger, Europe will not be able to avoid re-establishing relations with Russia at some point. And the Americans‘ attempt to throw Russia out of Europe has already failed. And at some point, there will be better German-Russian relations, better German-Italian and German-Austrian relations, etc. So the thread of relations will inevitably be taken up again, because Russia has now become too strong and influential to be pushed out of Europe. But Russia will only have a diplomatic presence in Europe, not with troops.

Milena Preradovic: Yes, why should they? They also have raw materials in the country. What do they want? What do they want as a shrinking society in a huge empire, what do they want with the rest of Europe? Because they have the raw materials that Europe needs.

Dr. Hauke Ritz: Exactly, that makes no sense at all. And the fact that the Russians remained in large parts of Europe after 1945 was also because they had just experienced what happens when Europe unites and stands at the Russian border. Then there would be an attack, just like under Napoleon. And now half of Europe had been occupied by the Americans, united, so to speak, and now they had to have troops in the eastern part at least to prevent the constellation that had prevailed in 1941, so to speak. That was the reason why Russia occupied parts of Europe back then. In other words, it set up military bases. But they didn’t really want that. That’s why Stalin proposed a neutral Germany. That’s why they always tried, when they could, to create neutral states between themselves and NATO, for example Finland, then Sweden, Austria or even Yugoslavia as a relatively neutral player.

Dr. Hauke Ritz: These were all buffer zones, so to speak, in which the Soviet Union had an interest. And the actual Russian interest has always been, in the 19th, 20th and now 21st centuries, to be one of the powers in Europe and to be in diplomatic and economic contact with the other European states. Today, another interest has been added that tends to pull Europe away from Russia. Because in the meantime, trade with China has become so important, and trade with India so important, that Russia will probably only pay part of its attention to Europe in the 21st century. Russia is simply being drawn in the direction of the BRICS countries by the dynamics of economic development. A disadvantage. That’s not good for us.

Milena Preradovic: No, that’s not good. You just mentioned him, this influential American political advisor Breschinski and his book „The Only World Power or the Big Chessboard“, if you translate it exactly. And he also wrote in it, he had drafted a 30-year plan in it. From Lisbon to Vladivostok, the US would have to secure its dominance on the great chessboard of Eurasia, because for him, Eurasia was fundamentally the most important thing. And without Ukraine, Russia was no longer a Eurasian power. But now it doesn’t look as if Ukraine could win this war that is currently going on. What does that mean for the US or for its plans?

Dr. Hauke Ritz: Well, first of all, Brzezinski’s vision was already formulated in 1997, and at that time the USA was much, much stronger than it is today. It was already hubris, because the idea that the USA could maintain supremacy over all coastal areas of the Eurasian continent from China to South Asia, India, the Arab world and Europe, that they could maintain supremacy everywhere and even, as Brzezinski suggests in the book, penetrate the so-called heartland of Eurasia via a NATO eastward expansion, that is, into this region, which is located, so to speak, between the Black Sea and Central Asia, that was ultimately hubris. And that this hubris was able to gain a foothold, so to speak, in Washington and dominate American politics there for some time is related to the fact that the U.S. is a very young country. The country has, so to speak, 150 years of expansion behind it. They have never had a negative experience. They have not experienced two world wars or a 30-year war like Germany. They have never been afflicted by famines or attacked by another country out of the blue. They have never experienced anything like that, and instead they were founded on an optimism of expansion. So they call Manifest Destiny an obvious destiny, that the future belongs to them.

Dr. Hauke Ritz: And with this attitude, they were in a sense receptive to hubris. They simply wanted to continue the expansion that began in the United States 200 years ago, so to speak. And since they had already largely dominated the American continent by 1997, they saw only the possibility for themselves of expanding into the post-Soviet space, so to speak, using the methods I have already described. Not directly through military occupation, but by carrying out coups there and installing governments that they themselves had trained at their own universities, so to speak. And ultimately, there was a plan for world domination behind it all. And if the US had had slightly smarter politicians, they could have realized that the world, especially the world of the 21st century, where information flows freely, where communication channels have become much shorter, and where former ancient civilizations such as China and India and Iran are emerging, that such a world cannot be dominated by a single power. And if the US had accepted that from the beginning, they could have entered into this alliance with Russia.

Milena Preradovic: Do they accept that today?

Dr. Hauke Ritz: In a way, they can’t accept it because their founding claim is that their culture or political system is universal, that it is valid everywhere, and that they are also the most advanced nation in the world and all others actually rank below them. That is also the reason why they always break treaties, because they They make a treaty with a country and think, Yes, this country is less free than we are, the government tends to be more authoritarian than our government, the citizens are less free there, so this treaty is only provisionally valid and at some point we no longer have to keep to it. And only when this country has risen to our level and its people are as free as those in free America, only then would a relationship between equals be possible, so to speak. But of course that never happens. The USA has never managed to establish a relationship with any other state based on equality in its entire history. It does not have a relationship with Europe, France or Italy on an equal footing either; rather, it is always one in which they dominate us, develop the concepts that we had to adhere to, that we have to be measured against their criteria. And that is, of course, an attitude that other countries cannot accept. And that has ultimately led to the United States now having conflictual relations with almost every country in the world: with Russia, of course, with China, with Iran. But relations with the Arab world are not good either, especially since the escalation in Gaza, the incredible bombardment that takes place there every day. Or take relations with Latin America, which are a disaster after decades of US interference there. So the crisis of the United States today is that it has only conflictual relations with all other countries and cultures in the world. And that is unsustainable in the long term.

Milena Preradovic: Except for Europe, except for Germany. You also write that Germany has virtually wished for an America that does not exist and still basically clings to this wishful thinking. That is, in our country, the propaganda basically says that America is our big brother, our best friend who would always protect us. But I assume you doubt that. Especially now, with the prospect of the deployment of intermediate-range missiles in Germany?

Dr. Hauke Ritz: Yes, of course. Many supporters of the older generation or even their generation still have the experience, many supporters of the older generation still have the experience, directly after the war, that the Americans organized the Marshall Plan, that there was actually a kind of economic upswing under American hegemony and that the baby boomer generation in particular participated in this upswing and subjectively had the feeling of living a good life, so to speak. And from that arose a kind of unconscious gratitude for the Americans, and it has not yet been understood that the America of today is a different America than that of the 50s, 60s and 70s. America has become significantly weaker. The American army and the American military are no longer as strong as they were in 1990, for example, when they were able to wage that Iraq war. They would no longer be able to organize the same war with their military today. They have also de-industrialized economically in many areas because they outsourced their industry first to Mexico and later to Asia. And with the outsourcing of industry, the qualifications have also been lost. Their workers, but also those of management and scientists. And the increasing weakness of the USA is now leading to the fact that they are increasingly becoming active in those regions of the world that they still control directly, and that is Western Europe, Japan, South Korea and Taiwan, and that they are now increasingly becoming active there with an exploitative attitude.

Dr. Hauke Ritz: So for example, on the one hand, if you believe Seymour Hersh’s research, they were most likely involved in the destruction of the Nord Stream two pipeline and also one, or at least allowed it, and on the other hand, they then make significant German companies the offer to relocate to the US because energy is cheaper there. So this is increasingly reminiscent of an abusive relationship. And Europe is in a similar situation to people who are in an actual abusive relationship, where you still think, yes, he is actually good, he actually means well by me, it’s just an exception that he hit me now, he’ll definitely stop that soon, etc. And in reality, it’s just an abusive relationship. At some point, you have to recognize and admit this abuse. And Europe is not yet ready, so to speak, to admit, purely psychologically, that we are being abused by the USA.

Milena Preradovic: Mhm. What about the military balance? You just said that the US is no longer as militarily strong as it was during the Iraq war. And at the same time, you write that Russia has surprised the world with a bunch of new technologies. What is the military balance between Russia and the US like today?

Dr. Hauke Ritz: In many areas, the US is still strong in that it can project power across its borders. For example, they can take their fleet to certain coastal regions and start shooting there, so to speak. Russia cannot do that. The Russian fleet is much smaller than the American fleet. But Russia is not even considering it. And the current war is taking place near Russia, not far from its border. And in this situation, Russia is stronger because the USA has to transport all its war material across the Atlantic Ocean, so to speak, and then also through Europe, where the infrastructure is often not suitable for it. And in such a situation, the USA is actually inferior. They can’t fully enter the war in Ukraine, even if they wanted to, they wouldn’t be able to, so to speak, just because of the transport capacities. They can only use Ukraine as a proxy to fight for them against Russia, and in doing so, they lose a considerable part of their war equipment. There is an argument about what percentage of their armored vehicles, artillery, and ammunition they have already delivered to Ukraine. I don’t want to give any numbers now, but a double-digit percentage of your supplies has already been destroyed there.

Milena Preradovic: But the arms industry, the American one, is profiting from this? Isn’t it also the case that the Europeans are paying a high price for it?

Dr. Hauke Ritz: It is generally a problem not only for the United States, but also for Western Europe, that we no longer have the workforce to, so to speak, initiate large-scale steel production and then produce millions of artillery shells. Rather, it is a fact that in this area, the Russian economy is more efficient than that of the entire NATO. Man, it’s not enough to just set up a factory there. You also have to have the trained personnel to operate these machines, so to speak. And we have established, so to speak, an industrial structure throughout the West today that is very good at creating media products, PR, industry, consulting firms, a huge range of services, but we have less and less tangible production here, even less in the USA than in Europe. But even in Europe it is declining, it is no longer as strong as it used to be. And if you have a real physical war, then you need millions of workers, so to speak, who can build ships, build tanks, build artillery shells, and the industrial structure in the West is no longer suitable for that.

Milena Preradovic: That means you don’t expect a big war, a real war in the old pattern?

Dr. Hauke Ritz: Because today’s West is no longer psychologically capable of withstanding such a war. So in Ukraine, between 1,000 and 2,000 soldiers die every day, and the vast majority of them are Ukrainians. Just a year or a year and a half ago, the casualty rate was lower. It increases the longer the war lasts. And if you now imagine France would go into this war with 20,000 thousands of soldiers. In a real confrontation, this magnitude of soldiers would, so to speak, no longer be available in a few weeks. And Western societies are not psychologically able to cope with the loss of thousands, perhaps even tens of thousands, of soldiers. And that’s why there is actually no possibility either. They also tried to send mercenaries to Ukraine, so to speak. But the problem with mercenaries is that they fight for money and they are only willing to fight for money if they have a chance of survival. And in the war in Ukraine, the chances of survival for a mercenary are perhaps 50%, and that’s not worth it in the eyes of a mercenary. This risk, because you no longer know whether you can spend the money you earn there. And that’s why it hasn’t really been possible to use mercenaries on a large scale in the Ukraine conflict.

Milena Preradovic: I would like to mention another part of your book that I find very exciting. You write: „The Cold War was a cultural struggle rather than a military or economic one.“ The West succeeded in awakening desires and making its lifestyle the desired STANDARD in the East as well. The USA won the cultural struggle. But then you write: „What was the source of its greatest success has now become the seed of its decline.“ What do you mean by that?

Dr. Hauke Ritz: Well, you have to understand that right after the Second World War, so to speak, there was unease in the United States and Great Britain about the power gained by the Soviet Union. And in the beginning there were plans to see if it couldn’t be pushed back militarily. And that culminated in the Cuban missile crisis of 1962, when American military leaders were on the verge of risking nuclear war against the Soviet Union. But the Soviet Union was already too powerful and had too many nuclear weapons. And Kennedy prevented it at the last moment, thank God. And after that, a situation arose in which it was clear that this socialist bloc would remain and could not be defeated militarily. And then cultural warfare, soft power, became more and more important and the thought was: „if we achieve dominance over the Soviet Union, then not economically,“ because economically this area was self-sufficient. They had their own oil reserves, their own raw materials, they produced almost everything themselves. It couldn’t be solved militarily either, but perhaps the idea of socialism could be made unattractive. Not only for the citizens of the West, who even immediately after the Second World War still had strong communist parties, for example in Greece, Italy, France, and also many writers and artists such as Picasso, for example, had sympathies for socialism, and the liberation movements of the Third World also sympathized with this idea.

Dr. Hauke Ritz: So there was a strong cultural attraction to socialism in the 50s and even in the 60s. And the US thought about „How can we make socialism unattractive again? First of all for our own population, but ultimately also for the citizens of the Soviet Union itself?“ And then a whole range of measures was set in motion, so to speak. For example, there was an organization called the „Congress for Cultural Freedom“, which organized much of this, at least until 1969. Then it was dissolved and replaced by successor organizations. And one of the techniques that was used was to say, „Well, there will always be some left-wing people, there will always be people who dream of a better world. They want to dedicate their lives to a better world. We cannot criminalize that, as we tried to do under the influence of Senator McCarthy in the early 50s. But maybe we can give these, these idealistic people, so to speak, a different goal. Maybe we can change being leftist.“

Milena Preradovic: So being leftist without communism?

Dr. Hauke Ritz: Yes. Then the CIA openly spoke of wanting to build a non-communist left that no longer wanted the main contradiction of capital and labor, Marx’s fall of the profit rate, imperialism as the final stage of capitalism, so to speak, they wanted to get rid of all that, marginalize and instead, so to speak, they had other issues of the left, which of course already existed at the time, which have always existed, such as the criticism of long-standing traditions, the liberation of women, the emancipation of women, protection of minorities. For example, the discrimination against blacks in the United States. The commitment to civil rights in general, that all these things have increasingly come to the fore, so to speak. And in this way, a left-wing gradually emerged in the West that no longer contradicted capitalism, but could be integrated into capitalism. And of course the founding of the Green Party was crucial in this respect, which in the beginning also had something not quite domesticated about it. So in the beginning there were also a few good ideas in peace policy, but then in the course of development it shifted more and more towards a kind of artificial left, so to speak, that carries progressive values before it, which ultimately became the pioneers of globalization. And now, of course, we can clearly see this alliance of the state with these Greens, let me say pseudo-left values. And indeed, as a result of this change in the left, the Soviet Union lost its points of reference in France and Italy and everywhere else where it had influence in Europe. The influence of socialist parties actually declined. The Green Party and other issues took their place. And that this shift, this epistemological shift, was so profound that in the end even the Soviet Union itself was affected by it and even in the Soviet Union there was a feeling that socialism had become old-fashioned, that it no longer met the demands of the times, and that at some point under Gorbachev it was even questioned from the top of the state and ultimately dismantled. And that led to the cultural victory of the West in the Cold War, but with consequences, as you have already rightly mentioned.

Milena Preradovic: I would like to focus on the consequences. So this seed of decline that comes out of this success, so to speak.

Dr. Hauke Ritz: Yes, because the Western world, or perhaps it would be better to say the United States, learned how to militarize culture, how to use culture as a weapon, during the Cold War. But culture is not meant to be a weapon. Culture is the medium in which man becomes a human being at all. If you were to take all of a person’s culture, then they would become an animal again. We have, so to speak, thousands of years of development behind us, which has been, above all, a development of culture, through which we have become humanized, through which we have been able to reflect on ourselves, on our position in society, to create a political system, to positively influence history – all of these are cultural achievements. And when you start to militarize culture and support certain cultural trends and inhibit others from a geopolitical perspective, then you interfere in this process of cultural development and in the end you also damage, so to speak, a society’s ability to govern itself, to correct itself, and even its use of reason. And that is exactly what has happened in the West now. During the Cold War, we very effectively transformed culture into a force with which we could actually achieve geopolitical dominance. We turned the heads of our opponents in the Soviet Union, made them doubt themselves and put them in a kind of state of admiration for us. But the consequence of this is that we have now lost the ability to correct ourselves.

Milena Preradovic: Have we also created an artificial culture?

Dr. Hauke Ritz: In a way, we have created an artificial culture, which is particularly visible in the LGBTI movement, which has something extremely artificial about it.

Milena Preradovic: Yes, I realized that it took me a long time to understand this movement and identity politics or identity movement, because I couldn’t keep up with it using my logic. And then I always become suspicious.

Dr. Hauke Ritz: Yes, we have certain characteristics of European culture, so to speak. European culture was shaped by the secularization of Christianity. The values of Christianity have been slowly secularized over a centuries-long process that began, so to speak, in the Italian Renaissance and culminated in the 20th century. That is to say, certain values from Christianity, for example the equality of all people before God, were transformed into equality before civil law, or the social ethics of Christianity were transformed into a political theory of social equality, so to speak. For example, socialism or social democracy. Even communism. These are all secularized, so to speak, worldly forms of Christianity. I am aware that there is antagonism between the communists and the church, but in terms of values, that one should help the weak, that is the main task of a society, to take care of the weak, that is exactly what, so to speak, connected the values of the labor movement with Christianity. But it can also be found in other political currents, for example, in liberalism or even in conservatism, this secularization of Christianity can be observed. And this creeping secularization of Christianity was, so to speak, the cultural force that made Europe great, that enabled us to transform, so to speak, the reflection on the one God into a reflection on the one truth, which then gradually led to the emergence of the sciences, to name just one further example. And this secularization of Christianity was indirectly fought by the USA in the cultural Cold War, because they identified communism and socialism as opponents, so to speak. And then they increasingly questioned certain basic patterns of socialist thought, such as the idea that history has a goal, that there is progress, that there is a subject in history that can act, these thoughts were increasingly questioned, especially in the postmodern philosophy that emerged in France.

Dr. Hauke Ritz: And then I also quote a study, a declassified study by the CIA, which shows that the CIA was in full agreement with the anti-Marxist orientation of the so-called new philosophers from France. And that suggests that the cultural cold war has indeed changed our approach to the world. We have been transformed, so to speak, from a culture that believed in progress, that looked to the future with optimism, so to speak, into a culture that only believes in dystopias, that believes that climate change will kill us, that the planet will perish due to overpopulation. We have been transformed from a culture that used to be shaped by humanism, that attributed certain abilities to humans, the ability to use reason, the ability to see oneself, to do justice, we have now been transformed into a culture that only attributes the bad to humans, that sees humans as potential racists, as potential sexists, as potential polluters. And the answer is always that he must be regulated, that he must be given even more rules, and that he must be monitored even more, because, so to speak, he cannot be trusted to act autonomously. And here our culture, as I describe in the penultimate chapter, has undergone a fundamental transformation, so to speak, where the positive has suddenly tipped over into something negative. And the whole thing happened in two or three decades and coincidentally in the second half of the Cold War. And so one wonders, is there a connection?

Milena Preradovic: The title of the book is also „the reinvention of Europe“. Does that mean that we in Europe, because in contrast to the USA, Europe has a centuries-old culture, and a very, very rich one at that. Do we have to reflect on that again in order to reinvent ourselves?

Dr. Hauke Ritz: Yes, I believe that the tragedy of today’s Europe and also of the European Union is that Europe is increasingly no longer European. And the EU is not European either, which can also be seen in the European Union’s culture of remembrance, which has great difficulty remembering the 19th and 18th centuries, the Renaissance or even the ancient origins of Europe. For example, there are no real buildings on our banknotes. You could depict the Leaning Tower of Pisa or other buildings, but that doesn’t happen. Instead, they depict bridges and buildings that were invented. So Europe has increasingly lost its connection to the past. We cultivate a culture of remembrance that acts as if Europe began right after the Second World War. We equate Europe with the West and thus ultimately with the American world view, with American values, with consumer culture. And in doing so, we deny everything that actually made Europe successful in the past. Europe became successful because the sciences emerged here, and the emergence of the sciences had its roots centuries earlier. First there had to be Greek philosophy, first a monotheistic religion had to take root in Europe, exchanging the many gods for one God, so to speak, before the concept of one truth could even be conceived, which in turn was a prerequisite for the sciences to emerge here. So a long cultural path has been covered, and by adopting a negative attitude towards our own past, so to speak, certainly also due to the consequences, the traumas of the two world wars, especially Germany is afflicted by this, that as soon as we turn to the past, we always come up against this wall of the Second World War and think that it is better not to approach it. There is a kind of unconscious fear of dealing with things that lie too far in the past.

Milena Preradovic: We don’t dare to be self-confident because of these feelings of guilt?

Dr. Hauke Ritz: I also write in the book that Europe has been traumatized by the two world wars, and that is understandable in view of the many millions of people who died there. During the First World War, 6,000 people died in Europe every day for four years. And in the Second World War it was even worse. And then there was the destruction of our cities and, of course, the moral guilt of the Holocaust and the war of annihilation that the German Reich waged against the Slavic peoples, especially the peoples of the Soviet Union.

Milena Preradovic: That’s no reason not to appreciate the good things from our past. That’s not really a reason, or have we been pushed a bit in that direction? You also write that the USA has virtually imposed its own cultural lack on us.

Dr. Hauke Ritz: Yes, so surely both come together, the natural trauma and, of course, the USA’s interest in a Europe that is as unaware of itself as possible, because the moment Europe becomes aware of its own cultural treasures and reconnects with the positive content of European culture, such as the emergence of the sciences or the great artistic and cultural wealth, Europe, its architecture, its cities, its literary heritage, whereby many of the European nations have produced a national literature, but they have all produced a kind of literature. That is what connects them, and they have all read each other and influenced each other. And it is an enormous cultural, intellectual heritage that Europe has to offer. Europe is the continent of history, which has always lived in a mode of historical reflection and is therefore very well suited to thinking about the future with self-confidence, so to speak. But Europe actually lost this self-confidence under American hegemony. There was, I think, a kind of mixture after the Second World War. On the one hand, there were the traumas, and on the other hand, there were the unprocessed feelings of guilt. And then there was an offer from the USA that one could not say no to, namely, so to speak, the prosperity of consumer culture, combined with the acceptance of responsibility. And now there is, so to speak, the unconscious attitude in Germany in particular. But it can also be found in other European countries. As long as the USA determines for us, as long as we adopt the political concepts from the USA, we cannot become guilty again. The paradox is that we become guilty precisely because of this, because precisely because of this we are entering a situation where, for example, we are repeating the war against Russia again. But the unconscious, it must also be understood, the unconscious is not logical and in the unconscious, narratives can take root that are irrational. That is why it is important that where the unconscious rules, a kind of reappraisal takes place and these things are raised into consciousness.

Milena Preradovic: Coming to terms Not necessarily a new European culture. Thank you very much, Dr. Ritz, for this really interesting, exciting conversation and also for your book. So my absolute recommendation. Lots of exciting thoughts. Thank you for being with us.

Dr. Hauke Ritz: Yes, thank you very much for having me. Milena Preradovic. Thank you very much.

Milena Preradovic: Well, folks, the reinvention of Europe is on the table. Yes, and we are Europe. The division in almost all countries already shows that something is happening and that the ubiquitous propaganda is being resisted. Anyone who wants a sovereign Europe, a sovereign Germany, anyone who is committed to peace and negotiations, can’t really be the bad guy. I wish you a good time. See you soon.

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9 Kommentare

  1. Gert Friederichs

    Ihr heutiger Gast hat, zumindest für mich, sehr deutlich herausgestellt, wie die geopolitischen Linien verlaufen.
    Allerdings ohne die treibenden Kräfte zu deutlich zu nennen. Ich hoffe nun, dass Mr. Trump da seine Versprechen einlöst, die Akteure im Sumpf hinter Gitter zu bringen.

    Antworten
  2. Bernhard Meyer

    Meistens sind die Gespräche mit Milena Preradovic so interessant, dass ich keins versäumen möchte. Gelegentlich sind richtige Goldstücke dabei. Für mich das erhellendste (an das ich mich erinnere) ist das mit Hauke Ritz, also ein Diamant, um im Bild zu bleiben.

    Die Verbindung von Philosophie, Geschichte und Geopolitik fand ich richtig spannend. Das Reizvolle waren nicht neue Informationen; viele Einzelstücke habe ich schon in der Hand, aber er fügte sie für mich plausibel zusammen, so dass das Gesamtbild des großen Puzzlespiels allmählich erkennbar wird. Jedesmal wenn so eine Erleuchtung aufblitzt, ist es ein kleines Glücksgefühl.

    Ich habe eigentlich schon genug Bücher, aber dieses kaufe ich nun doch noch. 😉

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  3. Jenz

    Richtig. Für seine Weltsicht sollte man niemanden beschimpfen; sie hat ihre Ursachen und hat sich sicherlich bei Herrn Nau auch gewandelt im Laufe der Zeit. und das ist gut so. Ob’s in allen Belangen der Weisheit letzter Schluß ist, steht dahin.

    die Gedanken des Autoren sind durchaus interessant und auch nicht falsch; tatsächlich stimme ich dem jedoch zu, daß hier quasi die offizielle Geschichtsschreibung Pate stand und die hat zwar hinsichtlich der Ereignisse als solches Relevanz, nicht aber im Hinblick auf die Hintergründe und -Mächte,die dem Autoren scheinbar nicht in den Sinn kommen.

    Und bei allem Respekt – auch Frau Peradovic nicht,weswegen es nicht das erste Gepräch ist, das nur an der Oberfläche kratzt wenn es um die Frage geht, wer hier seit Jahrhunderten und länger die Fäden zieht.

    Das ist durchaus beantwortet und man tut gut daran, sich damit – nennen wir es mal das Böse – zu befassen und entsprechende Kreise in den Blick zu nehmen, die es noch immer geschafft haben, andere auf die Weltenbühne zu schicken und reichlich Nebelkerzen zu zünden.

    Ohne dies wird man nicht vollends verstehen können, was tatsächlich vor sich geht und falsche Schußfolgerungen ziehen.

    Möge sich ein jeder einordnen in das Konzept der „9 Schleier“ und vorwärts streben.

    https://m.youtube.com/watch?v=yHh_VQUebgM

    Hier z.B. aufbereitet von ‚Daniel Prinz‘..

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  4. G.Nau

    Herr Ritz ist Philosoph.
    Die Philosophie gehört zu den Geisteswissenschaften und der Unterschied zu den Naturwissenschaften besteht darin, dass in denn Naturwissenschaften jede These durch ein Experiment verifiziert werden muss, während man in den Geisteswissenschaften einfach ins Blaue labern kann. Aussagen über die Realität kann deshalb nur die Naturwissenschaft machen, während das, was ein Geisteswissenschaftler äußert, nichts mit der Realität zu tun haben muss. So wie hier, wo wieder einmal das alte Motto gilt:
    „All the lies that´s fit to print“!

    Wollen Sie mal die Wahrheit hören? Nein? Das dachte ich mir!
    In Wahrheit kam die „Russische Revolution“ nicht aus dem Volk – genau so wenig wie die Französische oder die Deutsche Revolution. In Wahrheit waren gewisse Kaufleute und Privatbänker so reich geworden, dass sie in ihren privaten Schatullen mehr Geld hatten, als in der Staatskasse war. Auf dem Papier gehörte das Land zwar noch dem Erbadel, aber de facto gehörte es längst den Privatbänkern.
    Diese waren genervt davon, dass der Erbadel immer noch mitreden wollte und hetzten die Bevölkerung auf, den Adel abzuschlachten. Das hatte in Russland natürlich zur Folge, dass auch selbige Privatbänker zunächst von den Bolschewiki enteignet wurden. Deshalb hetzten sie seit dem Ende des 2.Weltkrieges nun gegen die Bolschewisten, die sie zuvor selber geschaffen hatten.

    Diese Privatbänker denken in langen Zeiträumen von Jahrhunderten und Jahrtausenden und was wir im Moment erleben, ist dass sie sich das zurückholen wollen, was ihnen damals durch die „Revolution“ genommen wurde. Genau so war es ja schon nach dem Mauerfall, als sie sich ihren enteigneten Besitz in der DDR zurückholten.
    DAS ist der wahre Grund für „Putin´s Krieg“…

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    • Julia Weiss

      Man kann auch streiten, diskutieren und debattieren, ohne unhöflich, ausfallend und ordinär zu werden, Herr Nau.

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      • Julia Weiss

        Noch was, Herr Nau: Stellen Sie der Leserschaft doch mal die naturwissenschaftlichen Experimente vor, mit denen Sie ihre Sicht auf die Geschichte zweifellos untermauern können.

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        • G.Nau

          @Julia
          Erstens bin ich höflich geblieben und habe eingangs ausführlich erklärt, warum ein Philosoph sich nicht auf die Wirklichkeit beziehen muss und zweitens nannte ich ein exemplarisches Beispiel: Die DDR!
          „Rückgabe vor Entschädigung“ lautete das Motto nach dem Mauerfall und genau darum geht es jetzt wieder – um die Rückgabe des unter dem Sozialismus enteigneten Besitzes.
          Wünsche noch einen frohen Schabbat.

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          • Im Ernst

            Sie sind einfach ein Arschloch.

          • Im Ernst

            Noch was: schieben Sie sich ihren Schabbat in ihren Hintern.
            Selten so einen Dreck gelesen.

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